Felix Keßler
· 30.05.2019
Im Frühjahr müssen die Seenotretter besonders häufig zum Schleppen ausrücken. Für den Notfall hilft es, die grundlegenden Regeln und Abläufe zu kennen
Frühjahr ist Saisonbeginn, und Saisonbeginn ist die Zeit der wieder einmal aufgeschobenen Arbeiten am Boot. Auf dem Wasser fallen dann reihenweise alte und schlecht gewartete Diesel aus. Doch unabhängig von dieser Häufung ist niemand davor sicher, eine fremde Leine zu benötigen, sei es in der Flaute oder nach einem Auflaufen, von Schlimmerem gar nicht zu reden. Ebenso kann jeder schnell in die Situation kommen, Schlepphilfe anzubieten, wie es, solange sich der Schlepper nicht selbst gefährdet, im Sinne guter Seemannschaft selbstverständlich sein muss.
Was Skipper wissen sollten: Das Abschleppen ist generell, vor allem aber unter rauen Bedingungen, keine ungefährliche Sache. Eine brechende Trosse oder herausreißende Beschläge können Personen verletzen, deshalb sollte sich nur an Deck aufhalten, wer unbedingt gebraucht wird. Niemand sollte sich im potenziellen Gefahrenbereich befinden, wie zum Beispiel am Bugkorb. Wer das beachtet, merkt schnell: Mit einigen Kniffen, etwa Handzeichen, ist die Kommunikation auch im Stress einfacher, Missverständnisse und Gefahren können reduziert werden.
Auf den nächsten Seiten haben wir Vorbereitungen, verschiedene Varianten, Verhalten im Schlepp und sinnvolle Handzeichen zusammengestellt.
Die Retter der DGzRS übergeben in der Regel eine eigene Trosse, in die bereits eine Hahnepot mit zwei Augen eingespleißt ist. Diese müssen nur noch über die beiden Vorschiffsklampen gelegt werden, und der Schlepp kann beginnen. Das Vorgehen hat mehrere Vorteile: Die Trosse ist für den Zweck ausgelegt und nicht irgendeine alte Leine. Mit der einfachen Befestigung sind auch gestresste oder panische Crewmitglieder kaum überfordert. Aber: Bei dieser Methode lastet der gesamte Zug nur auf den Klampen, was gerade bei Seegang und kräftigem Einrucken zum Herausreißen führen kann. Außerdem lässt sich die Trosse unter Spannung nicht loswerfen. Alternativ kann ein Auge um den Mast gelegt werden (bei durchgesteckten Masten). Besonders empfehlenswert ist daher die hier gezeigte Variante:
Nicht immer sind die Bedingungen so mild wie bei unserem Shooting. Bei Seegang wirken große Kräfte bei allen Schiffsbewegungen – Kratzer oder Kollisionen mit dem Schleppfahrzeug zu vermeiden, indem Sie das Boot mit Körperkraft wegdrücken, ist sinnlos und lebensgefährlich! Normalerweise ist es aber auch gar nicht nötig, so nah an das manövrierunfähige Boot heranzufahren.
Die Schlepptrosse sollte möglichst lang sein, das Fünffache der Schiffslänge gilt als optimal. Außerdem sollte sie über viel Reck verfügen, um hartes Einrucken abzufedern. Die Federwirkung erhöht sich mit der Länge. In hohem Seegang sollte die Länge so eingestellt sein, dass sich beide Boote im selben Teil eines Wellensystems befinden.
In Situation A ist die Leine zu kurz, das "abwärtsfahrende" Schleppfahrzeug zieht die Yacht ständig "bergauf". Bei B ist die Leine zu lang, es würde zu ständigem Einrucken führen. Wenn beide Boote zugleich eine Welle hinauf- oder hinunterfahren (C), ist der richtige Abstand eingestellt. Die Schleppgeschwindigkeit muss der geschleppten Yacht angepasst werden. Ist diese nicht in der Lage, Gleitfahrt zu erreichen, darf nicht schneller als ihre theoretische Rumpfgeschwindigkeit geschleppt werden.
Mit der Übergabe und Befestigung der Trosse ist die Arbeit aber noch nicht erledigt. Auch bei der Trossenführung und Kommunikation mit dem Schleppfahrzeug ist Vorsicht geboten – für beide Seiten!. Handsignale helfen. Mehr dazu im zweiten Teil des Schleppspezials (ab 12.05.2018 auf YACHT online) mit den Schwerpunkten Parallelschlepp, Kommunikation im Schleppverband, Kosten einer Bergung.