YACHT-Redaktion
· 24.07.2023
Asymmetrische Segel sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden, und das hat viele gute Gründe. Nicht nur ihre Leistungsfähigkeit im Vorwindbereich ist durch bessere Gennaker-Designs enorm verbessert worden. Auch das Handling beim Setzen, Bergen und in Manövern ist um ein Vielfaches einfacher als der Kampf mit dem symmetrischen Spi, der das Biest namens Spinnakerbaum mit beinhaltet.
Die Handhabung des Gennakers ist auf jedem Boot die gleiche. Ob 100-Fuß-Maxi oder 20-Fuß-Kielboot: Einer steuert, einer fährt das Großsegel und zwei den Gennaker. Einer von ihnen fiert die Schot in der Halse auf, und einer nimmt sie auf der anderen Seite wieder dicht.
Logisch ist dabei, dass auf dem 20-Fuß-Boot auch einer allein diese Aufgaben umsetzen kann, und ebenso logisch ist es, dass auf einem 100-Fuß-Maxi noch viele zusätzliche Crewmitglieder eingebunden sind. Mir geht es hier um die Grundsätzlichkeiten des Segelns mit Gennaker.
Wie bei jedem Manöver ist gute Vorbereitung alles. Ist ein Segel einmal falsch gesetzt, wirkt das nicht nur von außen etwas peinlich. Auch der Rückbau könnte ärgerlich viel Zeit in Anspruch nehmen.
Das Anschlagen des Gennakers ist konzeptionell simpel. Der Hals, auf Englisch Tack, geht an den Bug zum wichtigsten Trimmelement des Segels, der Tackleine. Der Anschlagpunkt der Tackleine ist von Boot zu Boot recht unterschiedlich. Die Möglichkeiten reichen vom soliden Bugspriet aus Carbon mit Wasserstag über einen kurzen Stummelbugspriet aus Niro bis hin zum Umlenkblock, der am mächtigen Ankerbeschlag am Bug fixiert wird.
Auf unserem Schiff, einer Sigma 38, wird der Umlenkblock der Tackleine mit einem Softschäkel am Ankerbeschlag fixiert. Das reicht so für kleine Gennaker aus, besonders wenn man mit der Familie segelt und das Segel in einem Windbereich von acht bis 15 Knoten zum Einsatz bringen möchte. Die Tackleine wird nach hinten auf eine Klemme geführt und dort gesichert.
Wenn man seinen Gennaker auch bei mehr Wind fahren möchte, sollte man über einen soliden Beschlag nachdenken, denn: Die Kräfte, die an der Tackleine entstehen, sind beachtlich. Eines ist beim Anschlagpunkt aber immer gleich. Er sollte sich direkt am Bug in maximaler Distanz vor dem Vorstag befinden. Moderne Fahrtenyachten haben meist kurze Bugkörbe, die zudem noch geteilt sind, denn diese Yachten sind schon auf Gennaker ausgerichtet.
Der geteilte Bugkorb hat noch einen weiteren Vorteil. Vor dem Setzen kann die Tackleine unter dem Vorsegel und zwischen Bugkorb und Vorstag nach vorn durchgezogen werden, ohne dass Wind und Wellen sich den Hals schnappen und das ganze Segel aus dem Sack in die See befördern.
Ideal ist es, das Setzen entspannt auf Raumschotkurs vorzubereiten und das Segel zu ziehen, wenn alles klar ist. Die Tackleine wird vor dem Setzen leicht angezogen und gut in der Klemme belegt. Ein Ausrauschen kann im Chaos enden.
Es gibt Gennaker, die fest am Bugbeschlag angeschlagen werden, ohne Leine, mit Softschäkel oder Ähnlichem. Wenn das Tuch dann noch bis zum Fallenaustritt hochgezogen werden kann, ist das auch in Ordnung. Nur beraubt man sich durch das Fixieren eines wichtigen Trimmelements.
Eine sinnvolle Vereinfachung ist es, die Schoten über einen gemeinsamen Stander mit dem Segel zu verbinden, weil dann nur ein Softschäkel ans Schothorn geht. Das spart Zeit und verringert die Gefahr, dass eine Schot verloren geht.
Als gute Länge für die Schoten selbst gilt etwas mehr als die doppelte Bootslänge. Der Stander ist, je nach Bootsgröße, zwischen 20 Zentimeter und einem halben Meter lang. Ist er zu lang, erschwert das die Halse. Dazu später mehr. Das Fall geht an den Segelkopf und wird außen vom Vorsegel angeschlagen.
Es gibt viele verschiedene Hilfen, um den Gennaker zu setzen: Auf Fahrtenyachten hat sich der Bergeschlauch bewährt und funktioniert wirklich gut. Arbeitet man mit so einem „Snuffer“, kann man im Manöver das Vorsegel auch einrollen, den Gennaker mit Schlauch setzen, dann kurz kontrollieren, ob die Bergeleine klar läuft, und vor dem Wind den Bergeschlauch hochziehen, die Schot dichtholen und auf Kurs gehen.
Auf Regattayachten ist man dazu übergegangen, am Vorliek des Gennakers über eine vorgegebene Länge einen Reißverschluss einzunähen und einen weiteren Streifen Tuch mit dem Gegenpart des Reißverschlusses parallel zum Vorliek. Die Distanz ergibt sich aus der Größe des Gennakers und der Tuchstärke.
Das Packen ist einfach: Man geht die Lieken entlang, damit das Segel nicht in sich verdreht ist, und rollt das Tuch vom Kopf in Richtung Vorliek ein. Automatisch hat man den Gegenpart des Reißverschlusses in der Hand und schließt ihn vom Kopf an nach unten. Das ganze Segeltuch ist am Ende in sich eingeschlagen und der Reißverschluss verschließt die Wurst.
Das Konzept ist fast genial, da man jetzt ein kompaktes Segel in Wurstform hat, das sich leicht in seinem Sack verstauen lässt. Ganz wichtig ist aber beim Packen, dass das Ende des Reißverschlusses geöffnet wird. Der Segelmacher hat bei einem solchen Konzept eine kleine Velcro-Lasche angenäht, damit nicht der komplette Verschluss wieder aufgeht. Ist das Segel gesetzt und man zieht an der Schot, bricht der Reißverschluss auf der ganzen Länge des Vorlieks auf und der Gennaker wird getrimmt.
Bei meinem ersten Rennen um die Welt an Bord der „Intrum Justitia“ hatten wir noch keine am Segel installierten Reißverschlüsse. Da aber ein Bergeschlauch auf einer Regattayacht nicht wirklich sinnvoll ist, weil das Handling eben länger dauert und Zeit in Rennen ein wichtiger Faktor ist, waren wir schon auf einem ähnlichem Weg.
Wir hatten einen langen Schlauch mit Reißverschluss, in den der Gennaker gepackt und dann mit einem Zipper verschlossen wurde. Am unteren Ende gab es einen Flap, wie eine Windel, der um das Unterliek des Segels geschlagen wurde und mit viel Velcro den geöffneten Reißverschluss verschloss und sicherte.
So konnten wir auch im Südpolarmeer ohne gesetztes Vorsegel den Gennaker komplett vorheißen. Der spannende Moment war dann das Öffnen des Flaps, der Windel. Das war wie das Ziehen am Abzug einer Kanone. Der Reißverschluss brach auf, der Schlauch segelte nach unten, und man musste so schnell wie möglich ziehen, damit man ihn an Deck bekam. War er erst einmal im Wasser gelandet, wurde das Ziehen bedeutend anstrengender, weil das Schiff bereits wieder auf um die 20 Knoten beschleunigte.
Ist das Segel gesetzt, beginnt die Arbeit am optimalen Trimm. Die Gennaker bilden eine Art Großfamilie – es gibt sie in verschiedensten Varianten. Sie unterscheiden sich in Tuchgewicht und der designten Form. Im Regattabereich gibt es Gennaker für leichten, für mittleren und für schweren Wind. Sie unterscheiden sich zum Teil stark.
Die Frage, welcher Gennaker für das einzelne Boot der richtige ist, kann am besten ein erfahrener Segelmacher beantworten. Grundsätzlich lässt sich so viel sagen: Auf einer Fahrtenyacht ist ein Gennaker zu empfehlen, der in einem Windbereich zwischen acht und 18 Knoten zum Einsatz kommt und sie maximal nach Lee bringt, denn das Segel soll als einfacher Ersatz für den Spinnaker genutzt werden.
Der Trimm über die Schotspannung funktioniert genau wie beim Spinnaker. Die Schot wird immer so weit gefiert, bis das Luvliek leicht einklappt. Über die Tackleine kann die Vorliekspannung justiert werden, vorausgesetzt, der Gennaker ist für die maximale Distanz vom Vorstagsbeschlag bis zum Fallenaustritt entworfen. Dann sollte der Hals maximal angezogen werden.
Ist das Vorliek etwas kürzer, muss die Tackleine gefiert werden, damit der Gennaker gut steht. Eine genaue Trimmanweisung gibt es hierfür nicht. Es muss ein Gefühl dafür entwickelt werden, wie das Segel auf den verschiedenen Kursen gut steht und maximalen Vortrieb erzeugt. Das geht am besten durch Probieren der verschiedenen Einstellungen und den Abgleich mit dem Speedometer. Das kann auch schon bei kleinen Optimierungserfolgen viel Spaß machen.
Es muss ein Gefühl dafür entwickelt werden, wie das Segel auf den verschiedenen Kursen gut steht und maximalen Vortrieb erzeugt
Grundsätzlich gilt: Je tiefer der Kurs, der gefahren werden soll, desto loser wird die Tackleine, also das Vorliek gefahren, damit sich das Segel im oberen Bereich nach Luv ausstellt. Wie gut das bei dem jeweiligen Boot mit dem vorhandenen Gennaker funktioniert, ist abhängig von dessen Design, also der Form des Segels.
Der Trimm des Gennakers ist sehr einfach, korreliert aber mit dem Steuertalent des jeweiligen Rudergängers. Bei Regatten ist unsere wichtigste Aufgabe unter Gennaker, maximal nach Lee zu kommen. Dabei ist die Kommunikation zwischen Trimmer und Steuermann sehr wichtig.
Der Steuermann versucht maximal tief zu steuern, ab einem bestimmten Winkel lassen aber der Speed und der Druck im Segel und somit auch der Zug an der Schot nach. Das signalisiert der Trimmer dann und bewegt den Steuermann damit anzuluven, um wieder Speed aufzubauen.
Dieser Wechsel zwischen Speedaufbau, Trimmen und wieder maximal in die Tiefe kommen ist auf Vorwindstrecken unser tägliches Brot.
Eines der wichtigsten Manöver unter Gennaker ist neben dem Setzen und Bergen die Halse. Ist ein Bergeschlauch vorhanden und wird bei nur wenig Wind gesegelt, kann der Gennaker vor der Halse geborgen und hinterher wieder gesetzt werden. Das würde ich mit ganz kleiner Crew wohl auch so machen. Aber eine Halse muss kein großes Drama sein und ist bei guter Vorbereitung einfach umzusetzen.
Dabei gilt es, zwei verschiedene Arten zu unterscheiden: Halse innen und Halse außen. Bei der Halse innen wird das Schothorn in der Halse zwischen Gennaker und Vorstag herumgeführt. Der Segelhals und die Tackleine befinden sich beim Setzen vor der angeschlagenen Schot.
Bei wenig Wind kann der Gennaker mit dem Bergeschlauch vor der Halse geborgen und hinterher wieder gesetzt werden
Auf Rennyachten halsen wir nur bei Wind bis maximal um die zwölf Knoten inside. Denn bei mehr Wind hat es einige Nachteile. Das Segel wird in der Halse zwischen dem Vorstag und dem eigenen Vorliek durchgezogen. Das heißt, es kollabiert in der Halse nicht komplett. Je mehr Wind herrscht, desto stärker muss an der neuen Schot gezogen werden.
Ein weiterer Nachteil, den die Halse innen hat, ist, dass die Schot um das Vorstag sägt. Bei einem Drahtvorstag für Stagreiter ist das unproblematisch, aber ein Profilvorstag aus Kunststoff kann messerscharfe Kerben bekommen, die bei den nächsten Halsen den Gennaker beschädigen können. Bei leichtem Wind sollte das aber gehen.
Bei der Halse außen wird die Schot vor dem Segel und der Tackleine geführt. Beim Anschlagen bleibt die Schot über der Tackleine und vor dem Fall. Bei dieser Halsen-Technik wird der komplette Gennaker um das eigene Vorliek herumgezogen, was bei mehr Wind die sicherere Option ist. Dabei gilt es allerdings, die alte Schot, also die, die gefiert wird, unter Kontrolle zu halten. Wird sie einfach losgeworfen, kann sie über den Bug fallen und unter dem Boot vor dem Kiel enden.
Moderne Gennaker haben daher am Hals eine festgenähte Segellatte, die ungefähr im 45-Grad-Winkel zum Vorliek nach Luv zeigt. Diese Latte hält die neue Luvschot in Position und verhindert, dass die Schot unter das Schiff rutscht. Die Schotkontrolle sollte dafür sorgen, dass die Schot in der Halse auf dieser Latte landet.
Die Vorbereitung der Halse sollte ebenso sorgfältig sein wie das Anschlagen des Segels. Die Schot, mit der getrimmt werden soll, wird in Achten auf die Cockpitducht gelegt. Und das weit weg von Füßen, die darauf stehen könnten. Die Schot muss sauber gefiert werden können.
Im Moment „Klar zur Halse“ fängt der Steuermann an abzufallen. Zeitgleich wird die Schot gefiert. Das hat zur Folge, dass sich das Boot unter dem stehenden Gennaker dreht. Die Schot wird so weit gefiert, bis sich das Schothorn auf Höhe des Vorstags befindet. Die Lose aus der neuen Schot wird dabei simultan zum Fieren geholt.
Im Idealfall steht der Gennaker immer noch, und das Boot dreht weiter in die Halse ein. Wenn das Großegel überkommt, erfolgt der Cut: Die alte Schot wird komplett gefiert und die neue so schnell wie möglich geholt. Der Steuermann dreht auf dem neuen Bug weiter auf den optimalen Winkel, um zu beschleunigen. Der Trimmer nimmt den Gennaker dicht, bis dieser steht und das Segel Druck hat. Die Kommunikation zwischen Trimmer und Steuermann ist nun extrem wichtig, denn steht der Gennaker, kann der Steuermann wieder abfallen, um seinen optimalen Winkel zu finden.
Eine gute Halse ist eine fließende Bewegung, die vom Steuermann ausgeht. Bei leichtem Wind dreht man etwas langsamer in die Halse ein, um etwas schneller wieder rauszukommen, damit der Gennaker Druck bekommt und schneller steht. Bleibt das Schiff vor dem Wind stehen und luvt man nur langsam wieder an, ist die Chance einer „Eieruhr“ mit vertörntem Gennaker extrem groß.
Die Drehgeschwindigkeit des Bootes hängt vom Wind ab. Je weniger stark der Wind weht, desto schneller wird gedreht, um auf dem neuen möglichst spitz rauszukommen, damit das Segel schnell wieder steht. Bei mehr Wind kann langsam gedreht werden, und man kommt im Idealfall gleich auf dem optimalen Winkel raus, den man auf dem anderen Bug schon gesegelt hat.
Ein Unterschied zwischen Halse innen und außen besteht auch beim Fieren des Gennakers und dem Moment des Cuts. Bei der Halse innen fiert man maximal bis zum Vorstag und reißt das Segel um das Vorstag herum. Bei der Halse außen fiert man bis Vorstagshöhe oder etwas weiter auf, solange der Gennaker steht. Erst dann schmeißt man die alte Schot los und nimmt die neue dicht.
Beim Auffieren und dem Rumziehen um das Vorstag kann ein überlanger Stander an den gekoppelten Schoten von Nachteil sein, da das Schothorn zu weit nach vorn fliegen würde. Das ist besonders bei Halsen innen der Fall – man würde schnell die Kontrolle über das Segel in dem Manöver verlieren.
Eine gute Halse basiert auf dem richtigen Timing zwischen Drehgeschwindigkeit und der Führung der Schoten. Mit etwas Übung und guter Vorbereitung bekommt man das gut hin – hat man das System verinnerlicht, ist es gar nicht so schwer.
Im November geht Tim Kröger in einem zweiteiligen YACHT-Webinar auf die Themen „Richtig kreuzen“ und „Richtig halsen“ ein. Bei Interesse können Sie Ihre Kontaktdaten an timm@yacht.de mailen. Sie werden dann in den nächsten Wochen über Termine und Teilnahmemöglichkeiten informiert.