Wer mit dem Sportboot etwa in Schweden, Frankreich oder Deutschland fährt, begegnet einem Wirrwarr unterschiedlicher Führerscheinregelungen. In Schweden brauchen Skipper für Sportboote unter 12 Metern keinen Schein. Frankreich wiederum regelt es anders: Hier entscheidet die Motorleistung. Sobald ein Motor mit mehr als 5 PS an Bord ist, wird ein Sportbootführerschein fällig. Deutschland setzt die Grenze bei 15 PS – oder bei einer Bootslänge über 15 Metern, dann gilt die Scheinpflicht unabhängig von der Motorleistung.
Diese Unterschiede ziehen sich durch ganz Europa. Die Folge: Sie schaffen erhebliche Hürden für die gesamte Branche. Das kritisieren Verbände wie die European Boating Industry (EBI) seit Jahren. Eine aktuelle Studie der EU-Kommission bestätigt nun ihre Einwände. Ihr Fazit: Nationale Alleingänge lähmen den europäischen Wassersport. Die Gründe sind unklare Lizenzanforderungen, fehlende Anerkennung ausländischer Führerscheine und Hürden bei grenzüberschreitenden Fahrten.
Verschärft wird die Situation durch ein weiteres Problem: Es fehlt laut Studie eine zentrale Datenbank, die Gültigkeit und Anerkennung der Lizenzen europaweit transparent macht. Behörden, Charterunternehmen und Versicherer würden deshalb nach eigenem Ermessen entscheiden, ob ein Sportbootführerschein gilt, oder nicht – mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen.
Dieser Mangel an Transparenz führt zu individuellen, ad-hoc-Bewertungen, was zu inkonsistenten Auslegungen und möglichen Streitigkeiten führt.”
So entstehe ein Flickenteppich, der die Branche ausbremst und das Wachstum des Wassersporttourismus insgesamt hemmt, so die Studie. Die Folgen treffen Sportbootfahrer, Charterunternehmen so wie Yachthäfen und Ausbildungseinrichtungen gleichermaßen.
Was also tun? Die Studienautoren empfehlen, konsequenter auf bereits bestehende Strukturen zu setzen. Konkret: das International Certificate of Competence (ICC), ein weltweit anerkanntes Befähigungszertifikat. Eine verbindliche Umsetzung könnte den grenzüberschreitenden Bootsverkehr vereinfachen, die Sicherheit erhöhen und den Verwaltungsaufwand senken, so die Studie.
Bei dem ICC handelt es sich um ein Zertifikat, dass die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) schon vor vielen Jahren ins Leben gerufen hat. Es stellt Mindeststandards für Sicherheit, Navigation und Manöverfähigkeit sicher und soll die gegenseitige Anerkennung nationaler Führerscheine innerhalb der UNECE-Staaten erleichtern.
Die Resolution 40 der UNECE verankert dieses Zertifikat – allerdings nur als Empfehlung. Jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst über die Umsetzung. 18 von 27 EU-Staaten erkennen die Resolution bereits an, darunter Deutschland: Hier gilt der Sportbootführerschein seit der Reform 2017/2018 explizit als ICC nach Resolution 40. Frankreich, Italien und Polen erkennen die Resolution offiziell nicht an.
Das soll sich ändern. Die Studienautoren empfehlen konkrete Schritte: Dazu gehören Aufklärungskampagnen sowie eine zentralisierte EU-Datenband. Die EBI drängt die EU-Kommission, weitere Schritte zur gegenseitigen Anerkennung zu unternehmen. Marina Palumbo Cardella, Projekt- und Politikreferentin der EBI, sagt:
Die Einführung der gegenseitigen Anerkennung der ICC ist der praktischste und am ehesten realisierbare Weg nach vorne.