Bisher waren der Deutsche Segler-Verband (DSV) und der Deutsche Motoryachtverband (DMYV) vom Bundesverkehrsministerium (BMV) damit beauftragt, Führerscheinprüfungen abzunehmen, Zulassungen zu erteilen und Fahrerlaubnisse auszustellen. Das Ministerium will diese Beleihung von Verbänden nun abschaffen – jedenfalls sieht ein aktueller Referentenentwurf genau das vor. Die Begründung: Das bisherige System sei zu bürokratisch und veraltet.
Deshalb soll nach dem Willen des BMV bald Schluss damit sein. Stattdessen sollen künftig auch andere Wassersportverbände diese Aufgaben übernehmen können. Das wäre das Ende des amtlichen Sportbootführerscheins!
Das sei vertretbar, meint das BMV in seinem Referentenentwurf:
Für die Aufrechterhaltung des Sicherheitsniveaus ist in der Sportschifffahrt kein amtlicher Sportbootführerschein erforderlich, (…).
Das BMV stützt sich dabei auf eine eigens beauftragte Studie. Die Forscher verglichen Regelungen zur Pflicht, einen Sportbootführerschein zu führen, mit tatsächlichen Unfallzahlen. Ergebnis: Ein Zusammenhang lasse sich nicht nachweisen. Stattdessen sieht die Studie in einem hohen Verkehrsaufkommen und fehlenden Revierkenntnisse die Hauptursachen für Unfälle.
Anstelle der amtlichen Sportbootführerscheine sollen ab 2028 Verbandsscheine treten, die als Fahrerlaubnis ausreichen. Voraussetzung: Das BMV muss sie anerkennen, und sie müssen festgelegten Qualitätsstandards entsprechen. Dann sollen sie die Scheine eigenverantwortlich ausstellen dürfen.
Außerdem:
Doch mit diesem Vorschlag erntet das BMV massiven Widerstand. Bis Mitte November lief das Anhörungsverfahren, in dem Länder und Verbände Stellung nehmen konnten. Mehrere üben nun scharfe öffentliche Kritik: Sie befürchten Sicherheitsrisiken und eine Privatisierung staatlicher Aufgaben.
In Schleswig-Holstein melden sich sowohl das Innen- als auch das Verkehrsministerium zu Wort. Während sie die geplante Vereinheitlichung begrüßen, äußern sie bei der Abschaffung des amtlichen Sportbootführerscheins Bedenken.
Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) sagt:
Private Verbandsscheine führen fast zwangsläufig zu unterschiedlichen Prüfungsstandards – selbst, wenn das BMV die Verbände anerkennt. Das gefährdet die Sicherheit auf den Wasserwegen erheblich.”
Außerdem sieht er den Umweltschutz und die staatliche Kontrolle gefährdet. Der Grund: fehlende und uneinheitliche Ausbildung. „Für Schleswig-Holstein mit seiner großen wassersportpolitischen Bedeutung, der hohen maritimen Dichte und sicherheitspolitischen Bedeutung ist dieser Weg zu riskant. Er kann nicht akzeptiert werden“, sagt Madsen.
Auch der Verkehrsminister von Bayern, Christian Bernreiter (CSU), fordert Nachbesserungen. Der Entwurf schaffe zu viele neue Hürden und zu viel Bürokratie.
Wenn die Praxisprüfungen künftig tatsächlich nur noch an Bundeswasserstraßen abgelegt werden dürfen und nicht mehr an bayerischen Seen, dann bekommt unter anderem die Wasserwacht große Probleme.”
Das belaste die vorrangig ehrenamtlich arbeitenden Helfer unnötig, so Bernreiter. Hinzu kommt: Die wohnortnahe Ausbildung, die Vereine und Schulen in Bayern bisher flächendeckend anbieten, würde wegfallen. Dagegen will sich Bernreiter stark machen.
Unter den Verbänden meldet sich vor allem der Deutsche Segler Verband (DSV) zu Wort – für ihn steht viel auf dem Spiel. Die Änderung würde ihm eine wichtige Einnahmequelle entziehen und seine zentrale Rolle bei der Vergabe der Scheine beenden. Der DSV hält die geplante Verordnung für rechtswidrig, unverhältnismäßig und ungeeignet, die Sicherheits- und Entbürokratisierungsziele der Bundesregierung zu erreichen.
In einer Pressemitteilung sagt DSV-Generalsekretär Germar Brockmeyer:
Wenn Prüfungen künftig ohne staatliche Aufsicht durchgeführt werden, ist das ein gefährlicher Rückschritt. Der Staat darf sich nicht aus seiner Verantwortung für die Sicherheit auf unseren Wasserstraßen zurückziehen.“
Mehr dazu: DSV warnt vor Qualitätsverlust
Die Studie, die der Bund als Argumentationsgrundlage liefert, kritisiert der DSV scharf: Sie habe ausschließlich den Binnenbereich untersucht, Seeschifffahrtsstraßen seien bewusst ausgeklammert worden. Zudem zeige das Gutachten keinerlei Notwendigkeit den Sportbootführerschein in seiner bisherigen Form abzuschaffen.
Weitere Kritikpunkte des DSV:
Der DSV fordert, dass die Beleihung nicht abgeschafft wird. Stattdessen soll sie geöffnet und gezielt angepasst werden.
Das fordert auch der Deutsch Olympische Sportbund (DOSB). Er und weitere Verbände stärken dem DSV den Rücken. So sei der Verbandsschein kein gleichwertiger Ersatz für den etablierten Sportbootführerschein, heißt es vom DOSB. Ohne die nötigen Sanktionsmöglichkeiten drohe Qualitätsverlust – und der gefährde die Sicherheit vieler Wassersportler.
Der Deutsche Motoryachtverband (DMYV) setzt in seiner Kritik einen anderen Schwerpunkt: Die Neuregelung des BMV verstoße gegen Gesetze und Verfassung. Die Prüfung zum Sportbootführerschein sei eine staatliche Aufgabe – und die dürfe nicht privatisiert werden. In seiner Stellungnahme führt der Verband konkret auf, an welchen Stellen die Verordnung mit bestehenden Gesetzen kollidiert.
Der ADAC und Verband Maritime Wirtschaft Deutschland (VMWD) äußern sich gemeinsam zum Entwurf – und stehen dem Vorhaben des BMV grundsätzlich offener gegenüber. Beide Organisationen setzen sich schon länger für eine Öffnung ein. Die erweiterten Wettbewerbsmöglichkeiten begrüßen sie. Doch auch sie lehnen die Abschaffung des amtlichen Sportbootführerscheins ab.
Ihre Sorge: Die Relevanz des Scheins könnte leiden. „Der Verbraucher könnte darin beispielsweise das Signal sehen, dass eine fundierte Ausbildung zur Führung eines Sportbootes nicht so wichtig ist", sagen VMWD und ADAC. Um das zu verhindern, fordern sie klare Vorgaben – zur Anerkennung, zur Fach- und Rechtsaufsicht. Vor allem bei der Ausgestaltung der Prüfungen.
Der Referentenentwurf ist gerade mal wenige Wochen alt, doch er löst heftige Kontroversen aus – das zeigen die Reaktionen der Länder und Verbände. Wann Sportbootfahrer konkrete Folgen spüren, hängt davon ab, wie das Bundesverkehrsministerium mit den zahlreichen kritischen Anmerkungen umgeht.
Zeitlich gesehen folgt dem Referentenentwurf und der anschließenden Anhörung nur noch die Ausfertigung der Verordnung durch den Bundesverkehrsminister. Vom Entwurf bis zur fertigen Verordnung kann, je nach Komplexität des Thema, grundsätzlich noch einige Zeit vergehen.
Das BMV kündigte bei Veröffentlichung des Entwurfs jedoch an, das Verfahren noch in diesem Jahr abschließen zu wollen, damit die neuen Regeln zum Saisonstart 2026 in Kraft treten können.
Das Ministerium plant bisher mit einer Übergangsfrist: Die grundlegenden Änderungen, vor allem die Einführung der Verbandsscheine, sollen erst ab dem 1. Januar 2028 wirksam werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Länder die bisherigen Pläne nicht kritiklos hinnehmen werden.
Wie das BMV auf die Kritik reagiert und wie es weitergeht, lesen Sie bei YACHT online.