FührerscheineRechtswidriger Alleingang des Verkehrsministeriums?

Pascal Schürmann

 · 14.03.2023

Führerscheine: Rechtswidriger Alleingang des Verkehrsministeriums?Foto: BMDV
Umstrittener Führerschein: das Kleinschifferzeugnis

Die Wassersportbranche läuft Sturm gegen die Kleinschifferzeugnis-Verordnung. Die hat das Ministerium offenbar ohne jede Rücksprache und vor allem ohne jede Notwendigkeit erlassen, wie sich jetzt herausgestellt hat. Der Protest ist gewaltig, die Behörden schon jetzt hoffnungslos mit der Umsetzung überfordert

Selten war die Einigkeit innerhalb der hiesigen Wassersportbranche sowie der damit direkt oder indirekt verknüpften Tourismus- und Industrieverbände so groß wie in diesen Tagen. Der Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW), der Deutsche Boots- und Schiffbauerverband, die ADAC-Sportschifffahrt, der Verband deutscher Sportbootschulen, der Deutsche Motoryachtverband, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik, der Verband der Wassersportschulen, der Deutsche Tourismusverband und einige Landestourismusorganisationen sowie die Industrie- und Handelskammern der deutschen Wassertourismusregionen – sie alle laufen Sturm gegen eine vom Bundesverkehrsministerium erlassene Verordnung.

Die besagt, dass künftig jeder, der binnen ein Sportboot zu gewerblichen Zwecken bewegt, nicht mehr nur einen Sportbootführerschein benötigt, sondern zusätzlich ein Kleinschifferzeugnis. Wir hatten Mitte Februar darüber berichtet.

Was harmlos klingt, hat in der Praxis drastische Folgen. Betroffen sind etwa Beschäftigte bei Vercharterern, Werften, Bootshändlern, Segelschulen – oder auch Journalisten, die Boote testen. Sie alle müssen künftig das neue Zeugnis besitzen und dafür eine Prüfung ablegen. Darauf hat kürzlich der BVWW in einer Erklärung nochmals eindrücklich hingewiesen. Ausnahme: Wer schon lange genug im Job ist und den SBF besitzt, kann bis zum Januar 2025 von einer vereinfachten Beantragungsmöglichkeit des Kleinschifferzeugnisses Gebrauch machen, ohne eine Prüfung ablegen zu müssen.

Ministerium räumt erst auf Nachfrage einen Alleingang eines untergeordneten Referats ein

Nachdem zunächst völlig unklar war, wie und warum es überhaupt zu der neuen Verordnung gekommen ist, teilt der BVWW nun mit, dass es sich offenbar um einen mit niemandem abgesprochenen Alleingang des für Bootsführerscheinfragen zuständigen Referats im FDP-geführten Bundesverkehrsministerium gehandelt hat.

BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut berichtet, dass man das Ganze zunächst für einen Behördenirrtum gehalten habe. Auf Nachfrage habe das Ministerium dann aber erklärt, man habe eine neue EU-Richtlinie umzusetzen. Das stellte sich später allerdings als unwahr heraus, und das Ministerium sei von dieser Aussage wieder abgerückt.

Stattdessen habe man dann als Begründung angeführt, eine Regelungslücke erkannt und geschlossen zu haben. Das Pikante daran: Es fehlt offenbar an jeglicher Notwendigkeit, solch eine Lücke, falls sie denn existiert haben sollte, zu schließen. Denn, so Stahlhut: „Das zuständige Referat hat in den folgenden weiteren Gesprächen eingeräumt, dass es keinerlei Hinweise auf Sicherheitsprobleme durch gewerbliche Fahrten mit Sportbooten gibt.“

Karsten Stahlhut, 
Geschäftsführer Bundesverband Wassersportwirtschaft e. V.Foto: BVWW
Karsten Stahlhut, Geschäftsführer Bundesverband Wassersportwirtschaft e. V.

Der neue Schein verschärft den Fachkräftemangel in der Branche weiter

Mit dem zusätzlichen Führerschein werde nun aber die Berufsausübung für den größten Teil der rund 40.000 Beschäftigten der Branche erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Und das, ohne dass es dadurch einen Gewinn an Sicherheit auf dem Wasser gebe, gibt sich der Verbandsgeschäftsführer verärgert. „Dabei brauchen wir in der Branche jede Arbeitskraft. Da bedeutet ein zusätzlicher Führerschein, weiteren Fachkräftemangel auf dem Verordnungswege herbeizuführen!“

Fast alle weiteren Verbände der Bootsbranche haben sich dem Protest angeschlossen und waren an den Gesprächen mit dem Ministerium beteiligt. Sie werden jeweils ihre Abgeordneten ansprechen und auf die unsinnige Verordnung aufmerksam machen, die zudem nach Ansicht der Protestierenden die Grundrechte auf freie Berufsausübung und die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränke.

Selbst bei der Wasserschutzpolizei herrscht ungläubiges Kopfschütteln

Außerdem, so steht es in einer Erklärung des BVWW, sei die Verordnung ohne Beteiligung der Verbände erlassen worden und damit rechtswidrig. Das aber stimmt wohl nur teilweise. Denn: Eine Anhörung der Verbände fand offenbar sehr wohl statt, und das sogar schon Anfang vergangenen Jahres. Da ist die Verordnung bereits erlassen worden. Allerdings fand die vorausgehende Anhörung wohl nur im schriftlichen Verfahren statt. Der Vorgang ist nach YACHT-Informationen vom Ministerium dokumentiert und online einsehbar. Die Verbände haben darauf wohl nicht reagiert, zumindest nicht der Deutsche Segler-Verband.

Zu Recht kritisieren die Verbände jedoch, dass keine vorherigen Gesprächsrunden mit den Betroffenen stattfanden. Das ist ein in der Tat unübliches vorgehen. Fraglich ist aber, ob daraus eine Rechtswidrigkeit des gesamten Vorgangs abgeleitet werden kann, wie der BVWW in seiner Stellungnahme betont. Der sieht auch die Exekutive auf seiner Seite: „Auch aus Kreisen der Wasserschutzpolizei in den Wassertourismus-Regionen gab es für die Verordnung nur ungläubiges Kopfschütteln“, so der Verband.

Erste Erfahrungen mit der Beantragung eines Kleinschifferzeugnisses deuten zudem darauf hin, dass es insbesondere in Westdeutschland zu monatelangen Wartezeiten kommt. Die zuständigen Behörden der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt wurden offenbar selbst von der Verordnung überrascht. Auf der Website heißt es derzeit, dass aufgrund der sehr hohen Anzahl an Anträgen Rückfragen nicht bearbeitet werden könnten und man mit einer „sehr langen Bearbeitungsdauer“ rechnen solle.

Bevor man den Klageweg beschreite, kündigten Stahlhut und weitere Verbandsvertreter an, jetzt verstärkt Politiker auf allen Ebenen anzusprechen und auf diese gänzlich überflüssige Verordnung hinzuweisen.

Karsten Stahlhut:

Herr Minister Wissing, setzen Sie diesem unnötigen Bürokratiemonster bitte ein Ende!”

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