World Ocean Review 2025Meeresschutz kann wirken – wenn er richtig umgesetzt wird

Ursula Meer

 · 18.11.2025

World Ocean Review 2025: Meeresschutz kann wirken – wenn er richtig umgesetzt wirdFoto: maribus gGmbH
Der World Ocean Review wird seit 2010 herausgegeben. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der Artenvielfalt im Meer
​Der gerade erschienene, neunte World Ocean Review (WOR) beschreibt unter dem Schwerpunkt der Biodiversität eine schillernde, teils skurrile Welt unter Wasser - und wie sich das Leben in den Weltmeeren verändert, mit teils besorgniserregenden Ergebnissen. Der Bericht hinterfragt aber auch kritisch gängige Maßnahmen wie die Einrichtung von Meeresschutzgebieten, von denen auch Sportbootfahrer betroffen sind.

Meeresschutz wirkt – wenn er richtig gemacht wird

„Viele Meeresarten und -lebensräume, die einst vom Menschen nahezu ausgerottet wurden, erholen sich im Zuge von Schutzmaßnahmen wieder", berichtet der WOR hoffnungsvoll. Die Resilienz mariner Ökosysteme sei sogar so hoch, dass bis zum Jahr 2050 eine weitgehende Wiederherstellung möglich wäre – vorausgesetzt, es werde jetzt gehandelt.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Erfolge der bisherigen Schutzmaßnahmen sich durchaus sehen lassen können, aber in der Summe nicht ausreichen. Zwar spielen Meeresschutzgebiete, deren Zahl in den letzten Jahren stark zugenommen hat, eine wichtige Rolle. Sie adressieren aber nur lokale Probleme; Faktoren wie der Erwärmung der Meere oder dem sich immer mehr verbreitenden Mikroplastik können sie nicht entgegenwirken. Sie können daher nur ein Baustein sein im globalen Meeresschutz.

Für Wassersportler bedeuten sie indes zunehmend Einschränkungen, etwa bei temporären Sperrungen bestimmter Gebiete zu Brutzeiten. Der Bericht verweist auf die wissenschaftliche Datenlage, die zeigt, dass diese Maßnahmen zum Erhalt mariner Ökosysteme beitragen können. Er betont aber auch: Erfolgreiche Schutzgebiete entstehen durch transparente Planung unter Einbeziehung aller Interessengruppen. Wo alle Betroffenen in den Planungsprozess eingebunden werden, steigt auch die Akzeptanz für temporäre Einschränkungen.

Was ist der World Ocean Review?

Der World Ocean Review wird seit 2010 von der maribus gGmbH herausgegeben, einer gemeinnützigen Organisation, die 2008 vom Hamburger mareverlag gegründet wurde, um das öffentliche Bewusstsein für die Meereswissenschaften zu schärfen.

Der WOR widmet sich wissenschaftlich fundiert, aber in einer auch für Laien gut verständlichen Sprache verschiedenen Fragestellungen wie der Gewinnung von Rohstoffen aus dem Meer oder den Küsten als gefährdeten Lebensräumen.,

Er ist gedacht für alle, die das Meer verstehen wollen, kann aber auch Wassersportlern und Verbänden helfen, die kompetent mitdiskutieren möchten, wenn es beispielsweise um die Ausweisung neuer Schutzgebiete geht.

Ein Kosmos unter der Wasseroberfläche

Der aktuelle WOR hat den Schwerpunkt Biodiversität. Was sich unterhalb des Bootsrumpfes regt, kann schillernd wie ein Kaleidoskop erscheinen. Doch zunehmend sehen Freunde warmer Gewässer die einst von zahllosen Arten bewohnten Korallenriffe verbleichen, plagen sich Küstenschipper mit invasiven Arten wie dem australischen Kalkröhrenwurm, der sich am Unterwasserschiff festsetzt und Borddurchlässe verstopft.

Selbst dort, wo Menschen es lange für unmöglich hielten, existiert Leben, etwa unter den Schelfeisen der Antarktis oder im Meeresboden hypersalziger Tiefseebecken des Mittelmeers. „ Alles ist dabei: Angefangen vom Fransenteppichhai, der tatsächlich wie ein schwimmender Bettvorleger aussieht, über Meerspinnen mit Beinen so lang wie ein ausgewachsener Mensch bis hin zu Quallen, die wie Diskokugeln schimmern, und Würmern in der Gestalt eines Weihnachtsbaums in Miniaturausgabe“, beschreibt der WOR die schillernde Vielfalt in den Weltmeeren und -ozeanen.

Von allen Seiten unter Druck

Diese Vielfalt steht unter Druck. Der WOR sieht viele direkte und indirekte Bedrohungen. So hat die direkte Entnahme von Meeresorganismen, allen voran durch Überfischung, bereits dazu geführt, dass viele Bestände auf weniger als die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft sind. Parallel dazu hat sich die Nutzung der Küsten und Meere fundamental verändert – eine Industrialisierung mariner Ressourcen, die seit den 1950er-Jahren dramatisch zugenommen hat und viele ursprüngliche Ökosysteme entweder geschädigt, zerstört oder zum Verschwinden gebracht hat.

Meereserwärmung, Versauerung und Sauerstoffmangel zwingen Abertausende Arten zur Flucht, zerreißen etablierte Nahrungsnetze und bringen biologische Prozesse zum Erliegen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die allgegenwärtige Verschmutzung der Meere mit Müll, Mikroplastik und Schadstoffen. Selbst in den entlegensten Winkeln der Arktis finden sich heute Quecksilberkonzentrationen, die 20- bis 30-mal höher liegen als vor der Industrialisierung.

Hinzu kommt die Bedrohung durch gebietsfremde Arten, die durch Schifffahrt, Kanalbau oder gezielte Aussetzung in neue Lebensräume gelangen und dort das ökologische Gleichgewicht stören können. Auch die wachsende Nachfrage nach Energiegewinnung auf dem Meer, die Intensivierung des Schiffsverkehrs und der Ausbau von Aquakulturen machen den marinen Ökosystemen zu schaffen.

Warum der Artenreichtum wichtig ist

Weniger Artenreichtum bedeutet auch weniger Widerstandskraft, denn artenreiche Ökosysteme sind robuster. Sinkt die Biodiversität, nimmt auch die Produktivität der betroffenen Lebensgemeinschaften ab. In vielen Meeresregionen lässt sich laut dem Bericht eine Leistungsabnahme infolge drastischer Biodiversitätsverluste bereits beobachten.

Wie ein kleiner Stein eine ganze Lawine ins Rollen bringen kann, beschreibt der Bericht am Beispiel eine Kelpwaldes in der Bucht von Monterey. Kelpwälder beherbergen Fische, reduzieren als natürliche Wellenbrecher die Küstenerosion und schützen Küstenregionen vor Sturmschäden. Gleichzeitig binden sie erhebliche Mengen Kohlenstoff, wirken der Ozeanversauerung entgegen und filtern überschüssige Nährstoffe aus dem Wasser – ein komplettes Servicepaket für Klima, Küste und Fischerei.

Gleichzeitig sind die eines jener empfindlichen Ökosysteme, in denen eine kleine Veränderung schwerwiegende Folgen haben kann. In Kelpwäldern fressen Seeigel normalerweise nur totes Pflanzenmaterial. In der Bucht von Monterey wurde 2014 dieses Gleichgewicht gestört: Eine Hitzewelle und in deren Folge eine Seestern-Epidemie eliminierten die wichtigen Fressfeinde der Seeigel. Die Stachelhäuter vermehrten sich explosionsartig und zerstörten große Teile des Kelpwalds. Überraschenderweise half selbst die wachsende Seeotter-Population nicht wie erwartet – die Meeressäuger fraßen nur in den verbliebenen intakten Waldgebieten die Seeigel und verschmähten die Stacheltiere in den kahlen Zonen. Diese unerwartete Reaktion verhinderte die Walderholung und zeigt, wie komplex marine Ökosysteme funktionieren.

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Wie sich solche maritimen Wanderungsbewegungen auswirken, lässt sich im Vorfeld immer nur erahnen; nicht alle Arten müssen lästig sein wie der Kalkröhrenwurm, der sich an den Küsten von Nord- und Ostsee besonders im Brackwasser immer mehr ausbreitet.

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