RevierGibraltar - Etappenziel mit Geschichte zwischen Mittelmeer und Atlantik

Christian Tiedt

 · 24.11.2024

Bei wenig Wind umrundet eine Segelyacht Europa Point im Süden Gibraltars. Der Leuchtturm ist markante Landmarke
Foto: Christian Tiedt
Lange stand Gibraltar für den Übergang vom Bekannten zum Unbekannten. Seine Ausnahmestellung hat „der Felsen“ behalten – als Etappenziel für Segler.

Die Säulen des Herakles: Ihren Ursprung haben sie tief in den Mythen des antiken Griechenlands. Herakles, Sohn des Zeus, soll sie laut Legende am Eingang zur Straße von Gibraltar erschaffen haben, um die Grenze zwischen der bekannten Welt und der unbekannten zu markieren. Der Legende nach soll der berühmte Held an den Säulen Schilder mit einer Inschrift befestigt haben: „Non plus ultra“ – hiernach kommt nichts mehr. Eine deutliche Warnung an die Seefahrer, sich nicht in die unerforschten Weiten des Atlantiks zu wagen, mit seiner langen Dünung und seinem düsteren Horizont.

Gibraltar ist das Tor zum Atlantik

Heute wenig überraschend, hat diese Tafeln niemals jemand zu Gesicht bekommen. Da jedoch selbst von den tatsächlichen Säulen nie auch nur ein Stein entdeckt wurde, identifizierten die Gelehrten bald zwei unübersehbare, hoch aufragende geografische Merkmale mit ihnen: Zum einen den markanten Felsen von Gibraltar auf der europäischen Seite und zum anderen das Bergmassiv Jbel Musa auf der afrikanischen Seite, die heute zu Marokko gehört.

Im Laufe der Geschichte wurden so die Berge selbst zu einem Symbol für Entdeckung und Abenteuer. Seefahrer der Antike und der Renaissance betrachteten die Straße von Gibraltar als Tor. Nicht als das Ende einer Reise, sondern als Anfang. Für ihre robusten Karavellen und Karacken symbolisierte sie den Abschied vom Bekannten: letzte Ausfahrt Europa.

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Der Name des südlichsten Ausläufers der Halbinsel von Gibraltar passt also: Europa Point. Sein markanter Leuchtturm, strahlend weiß mit rotem Band, erhebt sich auf hohen Klippen gleich zu Füßen des Felsen. Er ist wichtige Landmarke und Seezeichen für alle Skipper, die zwischen den Meeren unterwegs sind und die Reise in der weitläufigen Bucht von Algeciras und den Häfen Gibraltars unterbrechen wollen. Errichtet wurde der Turm zu Zeiten Queen Victorias und wird noch immer von Trinity House betrieben, der Leuchtfeuerverwaltung in London.

Für die Briten hatte Gibraltar eine Schlüsselstellung

Denn Gibraltar ist britisches Überseegebiet mit begrenzter innerer Autonomie, das eine starke Bindung zum Vereinigten Königreich unterhält. 1704 erobert und 1713 mit dem Frieden von Utrecht offiziell von Spanien an Großbritannien übergeben, ist das kaum sieben Quadratkilometer große Territorium (was in etwa der Fläche des Hamburger Elbvorortes Blankenese entspricht) das mit Abstand kleinste seiner Art.

Die strategische Bedeutung Gibraltars als Wächterin über die Straße von Gibraltar, einer wichtigen Seeroute zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer, war jedoch umso größer: Die Kriegsbeute wurde zu einer Schlüsselstellung von unschätzbarem Wert für die maritime Macht der Royal Navy und später für die sicheren Handelswege des Empires. Um diese Rolle zu unterstreichen, findet sich dieser Schlüssel seit 1982 sogar auf der offiziellen Flagge Gibraltars.

Der eigentliche Übergang zum Atlantik liegt weiter westlich

Seine militärische Unnahbarkeit hat der weit über das Umland aufragende Kalksteinfelsen allerdings längst aufgegeben und wird stattdessen täglich von Touristenscharen erobert. Besucher können mit dem Gibraltar Cable Car, einer Seilbahn, zum Gipfel in 426 Meter Höhe fahren. Die Kolonie von etwa 200 wilden

Berberaffen, die auf dem Felsen leben, ist eine weitere Attraktion. Aber Vorsicht: Rucksäcke und Taschen vorn tragen, die „Hausherren“ bedienen sich gerne selbst. Von der Aussichtsplattform und verschiedenen weiteren Aussichtspunkten ist die Rundumsicht atemberaubend. Bei klarem Wetter ist die rund elf Seemeilen entfernte Küste Marokkos gut zu erkennen. Der südlichste Punkt des europäischen Festlandes und der eigentliche Übergang zum Atlantik, das spanische Tarifa, liegt westlich. Dort erreicht die Straße von Gibraltar auch mit acht Seemeilen Breite ihre schmalste Stelle.

100.000 Transits jährlich machen die Meerenge von Gibraltar zu einem der meistbefahrenen Schifffahrtswege weltweit
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Britisches Flair im Mittelmeer

Britisches Flair ist in Gibraltar noch immer allgegenwärtig. Ein Ort, an dem Besucher besonders stark Einflüsse der Heimatinsel erleben können, ist Grand Casemates Square. Dieser lebendige Platz in der Altstadt von Gibraltar gleich zu Füßen des Felsens ist gesäumt von Pubs, Cafés und Restaurants, in denen fish and chips, ein pint of bitter oder eine cuppa tea auf dem Tresen oder am Tisch serviert werden.

Zu den bekanntesten Pubs in der anschließenden Main Street gehört neben dem Angry Friar natürlich der Lord Nelson. Benannt ist er nach jenem Seehelden, der 1805 bei dem nur unweit entfernten Kap Trafalgar gegen Napoleons vereinigte Flotte französischer und spanischer Linienschiffen seinen größten Sieg errang – an Deck seines Flaggschiffes „Victory“ jedoch gleichzeitig das Leben verlor.

In der Altstadt von Gibraltar wie hier auf der Main Street mischen sich britische und mediterrane StilelementeFoto: Christian TiedtIn der Altstadt von Gibraltar wie hier auf der Main Street mischen sich britische und mediterrane Stilelemente

Very british sind auch die roten Telefonzellen und Briefkästen. Darüber hinaus erinnern Baustil und Namen wie Queensway Road und Winston Churchill Avenue an das entfernte Mutterland. Zu den weiteren Punkten auf der Bucketlist für einen Besuch in „Gib“, wie die Kurzform lautet, gehören der Große Belagerungstunnel aus dem 18. Jahrhundert, die St. Michael’s Cave, eine Tropfsteinhöhle, die auch für Konzerte genutzt wird, das Gibraltar National Museum in der Bomb House Lane und das Naturschutzgebiet an den oberen Hängen des Felsens mit seiner vielfältigen mediterranen Pflanzen- und Tierwelt.

Revier-Infos Gibraltar

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Bürger der Europäischen Union können übrigens mit gültigem Reisepass oder nach Gibraltar einreisen, müssen jedoch die Zoll- und Einreisebestimmungen beachten, da Gibraltar nicht Teil des Schengen-Raums ist und eigene Kontrollen durchführt. Für Gäste auf eigenem Kiel erfolgt das Einklarieren bei Ankunft in einer der Marinas. Im Hafenbüro (pier master) steht Skippern dafür ein elektronisches Anmeldesystem des Zolls zur Verfügung.

Yachthäfen in Gibraltar

Yachthäfen gibt es nur auf der Westseite der Halbinsel, also innerhalb der Bucht von Algeciras (englisch: Bay of Gibraltar). Zwei Anlaufstellen stehen hier zur Wahl: zum einen Ocean Village/Marina Bay gleich südlich der Landebahn des internationalen Flughafens (Anmeldung und Liegeplatzzuweisung über UKW-Kanal 71, in der Marina voller Service inklusive Tankstelle, oceanvillage.gi). Achtung: Bei Flugbetrieb und Warnleuchten ist kein Ein- und Auslaufen gestattet. Auch das Ankern ist aufgrund der Höhenbeschränkung verboten (Seekarte beachten).

Die andere Option ist die zentral gelegene, exklusive Queensway Quay Marina, ebenfalls mit vollem Serviceangebot (Anmeldung ebenfalls über UKW-71, queenswayquay.com). Beide Häfen sind auch für Megas ausgelegt, Yachten regulärer Größe machen – wie im Mittelmeer üblich – in der Regel mit Muringleine am Bug und dem Heck zum Steg fest.

Marina-Alternative auf der spanischen Seite

Als Alternative kann auch die Alcaidesa Marina angelaufen werden. Ihr großes Becken liegt unmittelbar nördlich der Landebahn auf der spanischen Seite der Grenze im Nachbarort La Línea de la Concepción (alcaidesamarina.com). Von hier aus kann man auch zu Fuß nach Gibraltar einreisen. Eine Bushaltestelle befindet sich unmittelbar hinter dem Grenzübergang. Das spanische Tarifa ist etwa 14 Seemeilen entfernt. Der nächstgelegene Sportboothafen auf östlicher Seite ist das etwa elf Seemeilen entfernte Sotogrande. Bis nach Marbella sind es auf direktem Nordostkurs von Europa Point rund 32 Seemeilen, nach Málaga etwa 60 Seemeilen.

Nautische Informationen zur Straße von Gibraltar

Bei der Passage der Straße von Gibraltar sollte neben den Gezeitenströmen auch die Oberflächenströmung bedacht werden, die ständig mit ein bis zwei Knoten von West nach Ost setzt. Gleiches gilt gegebenenfalls für das knapp 22 Seemeilen lange Verkehrstrennungsgebiet, das den Seeverkehr zwischen Mittelmeer und Atlantik in geordnete Bahnen lenkt – auch wenn Sportskipper in den meisten Fällen in der nördlichen Küstenverkehrszone auf spanischer Seite unterwegs sein werden. 100.000 Transits jährlich von der Yacht bis zum Supertanker machen die Meerenge zu einem der meistbefahrenen Schifffahrtswege weltweit. „Non plus ultra“ – das war einmal.


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