Wenn man an eine Atlantikrunde denkt, kommen einem karibische Inseln, Strände und Palmen in den Sinn. Es ist wie ein Versprechen, das jährlich Tausende Segler aus Europa über den Atlantik zieht. Die Passatwinde sind sowohl zuverlässiger Helfer als auch treibende Kraft – auf dem Hin- und Rückweg. Es überrascht daher, wenn ein Segler die üblichen Pfade verlässt, so wie es der Jesteburger Marcus Bulgrin getan hat. Er segelte einhand in die Karibik; auf dem Rückweg wählte er jedoch die anspruchsvolle Route über den Nordatlantik – inklusive Stopp in Island.
Marcus Bulgrin startete seine Atlantikrunde im August 2022 in Bremen. Über die Niederlande und Belgien ging es zunächst nach Plymouth in England. Wegen der Orca-Aktivitäten in der Biskaya entschied sich Bulgrin, direkt nach Teneriffa zu segeln. 14 Tage brauchte er für die Überfahrt zur Kanareninsel, wo er zwei Monate verbrachte.
Am 24. November startete Bulgrin von dort aus zur Atlantiküberquerung und erreichte 25 Seetage später Grenada. Vier Monate lang erkundete er, teilweise mit seiner Partnerin, die Inseln der Ostkaribik. Ende April 2023 brach er von den Jungferninseln nach Island auf. Die Überfahrt dauerte 43 Tage. Nach einer 14-tägigen Pause in Island segelte er direkt zurück nach Bremen, wo er im August 2023 ankam.
Ich wollte die Extreme erleben. Nach vier Monaten Sonne in der Karibik wollte ich ins Eis segeln – also erst die Hitze, dann die Kälte. Beide Extreme zu erfahren und noch einmal eine weite Strecke nonstop und einhand zu segeln, war der Gedanke hinter der Reise.
Na ja, nicht ganz. Es war geplant, aber nur unter der Bedingung, dass der Nordatlantik mich auch lässt. Als ich Ende April in der Karibik losfuhr, gab es noch viele Tiefdruckgebiete und Stürme in der Region. Doch je weiter ich gen Norden segelte, desto weniger wurden sie; daher konnte ich meinen Kurs halten. Das Wetter hat schließlich mitgespielt.
Nun, über die klassische Route – den Winden folgend über die Azoren – gibt es inzwischen viele Bücher und Videos. Aber die Rückkehr über Island? Dazu habe ich kaum etwas gefunden. Da dachte ich, ich probiere mal eine andere, anspruchsvollere Route.
Beim Segeln in die Karibik folgt man der Sonne. Je weiter man nach Westen kommt, desto wärmer wird es. Irgendwann riecht man förmlich die Karibik. Jeder Tag war spannend, weil ich dem Ziel immer näher kam. Die Rückfahrt über den hohen Norden war anders. Zum einen markierte sie das Ende meiner Reise. Zum anderen wurde das Wetter unbeständiger und das Segeln herausfordernder.
Es war definitiv eine Herausforderung und nicht gerade förderlich für die Motivation. Manchmal hatte ich wirklich schwere Zeiten, vor allem nachts, wenn es dunkel war. Ich wusste, dass der nächste Mensch über 500 Seemeilen und weiter entfernt war. Im Vergleich zur Hinfahrt, bei der man ständig den Passatwind im Rücken hatte, ging es zurück meist gegenan. Hinzu kommen die Rossbreiten, wo entweder kein Wind weht oder er aus allen Richtungen kommt – nur nicht aus der gewünschten Richtung.
Ich habe versucht, mich so an die Wettersysteme zu hängen, dass sie mich in die gewünschte Richtung brachten. Manchmal musste ich dafür zunächst in eine ganz andere Richtung segeln, um sie optimal zu treffen.
Ja klar, die gab es.
Ich erinnere mich gut an eine Situation, in der ich bereits zwei oder drei Wochen auf See war. Ich befand mich weit draußen, nordöstlich von Bermuda. Der Wind kam aus Nordost, genau aus der Richtung, in die ich wollte. Ich segelte hoch am Wind. Es war nachts und die Wellen waren relativ hoch – etwa fünf bis sechs Meter. Nicht so hoch, dass es für das Boot kritisch geworden wäre, aber der Bug bohrte sich immer wieder in die Wellen.
Es fühlte sich beängstigend an, wenn die Wellen über das Boot brachen und ins Cockpit liefen. Überall knarzte es. Das wirkte sehr mächtig und gewaltig auf mich. Da fühlte ich mich sehr klein und einsam. Selbst wenn ich beschlossen hätte aufzugeben, hätte es mehr als eine Woche gedauert, bis ich das nordamerikanische Festland erreicht hätte. Für jemanden wie mich, der sonst auf Ostsee oder Elbe segelt, war das schon eine große Herausforderung.
Heutzutage ist es einfach: Man steigt in ein Flugzeug und fliegt all-inclusive in die Karibik oder nach Island. Für mich war es jedoch die Herausforderung, die es besonders machte und das Ziel so wertvoll machte. Mit eigener Kraft und trotz widriger Umstände seine Ziele zu erreichen schafft andere Erlebnisse und hinterlässt bleibende Eindrücke; das habe ich mitgenommen.
Im Jahr 2019 segelte ich über Norwegen zu den Shetlandinseln; diese Reise dauerte vier Tage und umfasste etwa 450 Seemeilen; von dort ging es in einem Stück zurück; das war der erste Test ob ich mich überhaupt wohlfühle allein längere Strecken zu segeln; allerdings kann man das nicht wirklich Erfahrung nennen Die sammelte ich eigentlich erst als ich von Plymouth zu den Kanaren segelte Das dauerte 14 Tage führte über die Biskaya Dabei überprüfte sowohl Leistungsfähigkeit des Bootes als auch meine eigene Ausdauer auf See Erst durch diese Reise hat sich gezeigt dass längere Zeit See durchhalten kann
Ich blieb dort 14 Tage und erkundete das Land und seine Bewohner. Es war eine großartige Erfahrung. Auf dem Rückweg wollte ich eigentlich auf den Färöer-Inseln halten. Doch als ich erfuhr, dass dort jedes Jahr Grindwale abgeschlachtet werden, entschied ich mich, einen Bogen um die Inseln zu machen – und fuhr direkt nach Bremen durch.
“Mit eigener Kraft und trotz widriger Umstände seine Ziele zu erreichen, schafft andere Erlebnisse und hinterlässt bleibende Eindrücke.”
Die Atlantiküberquerung von Ost nach West ist einfacher. Sobald man den Passatwind gefunden hat, schiebt dieser das Boot mit gleichbleibender Stärke und Richtung über den Atlantik. In der Hurrikan-freien Zeit sind Stürme äußerst selten. So hatte ich eine angenehme Überfahrt. Die Passage nach Island geht durch die windarmen Rossbreiten, die unsteten Breiten der variablen Winde und die vielen Tiefdruckgebiete im Nordatlantik. Ich musste lernen, die Wettersysteme richtig für mich zu nutzen. Rückblickend habe ich mir vor Beginn der Reise zu viele Sorgen gemacht. Man lernt vieles, während man es tut – aber das erkennt man erst im Nachhinein.
Nein, rückblickend war das Schwierigste, die Leinen überhaupt loszuwerfen. Ich habe lange vorher darüber nachgedacht: Wie wirkt sich das beruflich aus? Es gab immer Gründe, es nicht zu tun. Heute wünschte ich, ich hätte es früher gemacht.
Ich habe ein Sabbatjahr genommen. Seit Beginn meiner Reise habe ich 75 Prozent meines Gehalts erhalten, was als Vorschuss gewertet wird, den ich nun zurückzahle. In den nächsten drei Jahren arbeite ich voll, erhalte jedoch nur 75 Prozent meines Gehalts. Dadurch musste ich vorher nicht viel sparen. Mein Arbeitgeber hat mich sehr unterstützt.
Schon während der Überfahrt im Sommer 2022 gab es beeindruckende Momente. In der Biskaya habe ich nachts Lichter gesehen, die so aufgereiht waren, dass sie an eine Flugzeuglandebahn erinnerten. Zunächst konnte ich das nicht einordnen, aber es mussten Fischer gewesen sein, die mit Langleinen fischten. Das war wirklich ungewöhnlich, da kein AIS-Signal von ihnen zu erkennen war. Ein weiterer eindrucksvoller Moment ereignete sich zwischen den Kanaren und Grenada.
Es war eine laue Nacht. Der Passatwind trieb das Boot zügig durchs Wasser und das Wasser – beziehungsweise das Plankton – um mich herum fluoreszierte. Gleichzeitig war der Himmel voller Sterne und das Wasser strahlte. Beides verschmolz nahtlos miteinander. Es war ein erhabener und beglückender Augenblick, als ob das Boot durch den Weltraum fliegen würde. Dieses Bild brannte sich in mein Gedächtnis.
Es war fast ein bisschen kitschig. Der Strand, die Palmen und die Sonne erinnerten an Bilderbuch-Szenen. Es waren Postkartenmotive, die Glücksgefühle auslösten. Mein Traum war es gewesen, aus eigener Kraft in die Karibik zu segeln. Als das dann schließlich Realität wurde, fühlte ich mich fast beschämt, weil es so schön war.
Das war mir bekannt. Aber ich kann sagen, dass meine Erwartungen übertroffen wurden. Ich habe einsame Buchten gefunden, in denen ich tagelang allein war. Das Wasser war so blau wie in den Büchern der Segelhelden meiner Kindheit. Ja, es gibt volle Buchten. Doch ich fand das nicht unbedingt negativ. Es war auch wunderbar, sich mit anderen auszutauschen. Zudem traf man immer wieder auf Crews, die in dieselbe Richtung segelten. Zusammengefasst wurden meine Erwartungen übertroffen.
Man sagt ja, dass man nicht das Boot findet, sondern das Boot einen findet. Ich schätze klassische Linien sehr und bin ein großer Befürworter von Langkielern. Mit ihren v-förmigen Rümpfen gleiten sie sanft durch die Wellen. Ich vertraue diesem traditionellen Design. Natürlich sind sie in engen Häfen schwer zu manövrieren und rückwärts fahren ist fast unmöglich.
Aber es war das erste Boot, das ich besichtigt habe, und ich war sofort begeistert. Wie gesagt, das Boot hat mich gefunden. Ein weiterer Grund war, dass vor zehn Jahren eine Monsun die Nordwestpassage durchquerte, als ich nach einem Boot suchte. Das hat mich beeindruckt. Da dachte ich mir: Wenn dieses Boot das schafft, dann bringt es mich überallhin.
Schon vor der Reise wollte ich allein segeln, wofür eine Windsteueranlage unerlässlich ist. Ich bin ein großer Freund dieser Technik. Während der gesamten Atlantiküberquerung habe ich kein einziges Mal die Pinne berührt. Ich stellte die Windfahne ein, korrigierte sie gelegentlich und übernahm erst am Ziel wieder. Ein weiterer Punkt war die Auswahl der Segel. Auf der Ostsee reicht vielleicht ein Satz, doch für den Atlantik hatte ich mehr Auswahl dabei – kleinere Vorsegel, ein neues Groß und ein drittes Reff. Zudem erneuerte ich das stehende und laufende Gut.
Durch iPad, GPS und andere Geräte ist die Stromversorgung an Bord von großer Bedeutung. Daher installierte ich Solarpanels, was gut funktionierte, obwohl der Platz begrenzt war. Zusätzlich entschied ich mich für einen Windgenerator. Intensiv beschäftigte ich mich auch mit dem Energiemanagement, um anderthalb Monate auf See zu sein, ohne Ladestrom nutzen zu müssen. Das erwies sich als sinnvoll, auch wenn mein Stromverbrauch insgesamt eher gering war.
Zunächst muss ich das Sabbatjahr nacharbeiten und auch privat gibt es viele Dinge, die aufgearbeitet werden müssen. Doch meine Lust am Segeln ist weiterhin ungebrochen. Ich würde sagen, dass sich meine Träume durch die Reise sogar erweitert haben. Ich habe mehr Zuversicht und Vertrauen gewonnen als zuvor. Die Sehnsucht nach dem Segeln, der Freiheit und dem Gefühl, das ich hatte, als ich mit der Monsun durch das vermeintliche Weltall segelte, bleiben unvergessen.
Beides. Die Sehnsucht und der Traum bestehen darin, die Welt zu umsegeln. Dabei könnte es sich auch um eine klassische Route handeln, die sowohl äquatoriale, warme Gebiete als auch kühlere, windigere Regionen umfasst. Und das möchte ich nicht erst mit 65 Jahren tun.
Es hätte seinen Reiz. Ich bin sicher, dass sie dazu in der Lage wäre, wie andere Segler bereits bewiesen haben.
Die Monsun war nicht nur das erste Modell der 1972 im schwedischen Ellös auf Orust von Christoph Rassy gegründeten Werft Hallberg-Rassy, sondern ist auch bis heute das erfolgreichste. Der GFK-Klassiker ist für seine Langlebigkeit bekannt und daher noch immer ein sehr beliebtes Gebrauchtboot. Mehrere Weltumsegelungen wurden mit der Monsun bereits erfolgreich absolviert.
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