ExtremwettertörnsMit Kleinstbooten in die arktischen Gewässer

Morten Strauch

 · 21.10.2023

Faible für die hohen Breiten: der 38-jährige Stropnik auf einem seiner Törns in frostigen Gefilden
Foto: Stropnik
Beruflich skippert Igor Stropnik große Fahrtenkatamarane über die Meere. Privat treibt es den Slowenen auf Kleinstbooten in die arktischen Gewässer Nordnorwegens. Eine persönliche Geschichte über Extremwettertörns

Ein offenes Segelboot kämpft sich seinen Weg durch die eisigen winterlichen Gewässer Norwegens. „Wie bin ich hier bloß gelandet?“ An der Pinne sitzt Igor Stropnik, dick eingepackt und mit konzentriertem, angestrengtem Gesichtsausdruck. „Zu kleines Boot, zu starker Wind, zu kaltes Wasser – ist das jetzt cool oder einfach nur verrückt?“ Das fragt er nicht nur sich selbst, sondern auch seine knapp 30.000 Fans, die via Youtube an seinem Abenteuer teilhaben.

Um kein falsches Bild aufkommen zu lassen: Stropnik gehört gewiss nicht zur großen Schar jener Social-Media-Influencer, die mit aller Macht in Form von Klicks und Likes um die Gunst ihrer Follower buhlen. Er ist ein bescheidener Mensch, der weder dramatisiert noch ständig den Daumen in die Kamera hält oder sich gar künstlich in Szene setzt. Igor Stropnik ist die Ruhe selbst, die Gelassenheit in Person.

Eine Art maritimer Tausendsassa

Das kommt nicht von ungefähr. Der 38-jährige Slowene ist ein gestandener Skipper und eine Art maritimer Tausendsassa. Er überführt Neuboote von Europa in die Karibik, arbeitet als Schwimm- und Segellehrer, taucht apnoe, und er ist im Besitz des RYA Yachtmaster Ocean – der höchsten internationalen Qualifizierung für professionelle Yachtskipper.

Aufgewachsen ist Stropnik in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Das elterliche Haus steht in unmittelbarer Nähe der bewaldeten Hügellandschaft und des idyllischen Flusses Sava. Von klein auf zieht es ihn bei jedem Wetter nach draußen, der Wald wird sein erster Abenteuerspielplatz. Mit zunehmendem Alter interessiert er sich für immer mehr Outdoor-Aktivitäten. Ob Mountainbiking, Hiking, Klettern oder Wildwasser-Kajakfahren – jeder neuen Herausforderung stellt er sich mit Hingabe. Segeln kann er da bereits.

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Die Großmutter besitzt ein Sommerhaus bei Rijeka an der kroatischen Adriaküste. Dort liegt eine familieneigene Elan Express. Schon mit drei Jahren erhält Stropnik seine erste Segelstunde vom Vater. Fortan ist während der Sommerferien an nichts anderes mehr zu denken, und der Junge findet sich bald auf Regattabahnen verschiedenster Bootsklassen wieder. „Dabei ging es mir nie wirklich darum, besser als die anderen zu sein. Ich wollte vielmehr mich selbst stetig verbessern und dazulernen“, erinnert sich Stropnik an seine Jugendzeit.

Einstieg in ein neues Leben

Nach der Schule studiert er Sportwissenschaften und kauft sich sein erstes Boot, einen Laser. Zwei Jahre lang erkundet er damit die Küsten Kroatiens. Segeln, kochen, schlafen – alles auf dem kleinen Sportgerät. Sein nächstes Schiff ist ein Katamaran vom Typ Tiki 21. Fortan macht Stropnik die Adria auf zwei Rümpfen unsicher. „In dieser Zeit träumte ich davon, meine Passion zum Beruf zu machen“, berichtet er. Geträumt, getan, heuert er 2009 nach dem Hochschulabschluss als Deckshand auf einer 174-Fuß-Luxuscharteryacht an und kommt auf diese Weise bis in den Pazifik.

Stropnik: „Danach war klar, dass ich in meinem Berufsleben nichts anderes mehr machen möchte, als zu segeln.“ Als ein Freund ihm anbietet, einen Katamaran für Chartergäste in Kroatien zu skippern, ist das für ihn der Einstieg in ein neues Leben: Er ist nun Profi-Charterskipper. Es folgen Überführungen weiterer Kats von Frankreich nach Kroatien, sodass auch außerhalb der Hochsaison die Kasse klingelt.

Ausgleich für den Profi-Charterskipper

Als Ausgleich zu den anstrengenden Chartermonaten in der Hochsaison und den eher langweiligen Überführungstörns denkt sich der Slowene immer längere Touren in Mini-Booten aus. So segelt er mal mit einem Laser nach Albanien, mal mit einem Sportkat bis nach Griechenland. Was aber verschlägt den sonnenverwöhn­ten Adriasegler schließlich in die kalten Gewässer Nord-Skandinaviens?

„Mir fiel vor vielen Jahren das Buch ‚Sailing Alone Around the World‘ von Joshua Slocum in die Hände, der Ende des 19. Jahrhunderts allein um die Welt gesegelt ist. Ich war fasziniert von dem Gedanken, ohne Zuhilfenahme eines Motors weit entfernte Länder anzusteuern. Pures Segeln, nah am Wasser und an der Grenze der Belastbarkeit, genau das war es, was ich wollte!“

Mit seinen Eltern war Stropnik einst mit dem Campingwagen bis hoch zum Nordkap gereist. Das Gefühl der Freiheit in der nordischen Natur prägte sich ebenso tief ein wie der Wunsch, eines Tages dorthin zurückzukehren. „Ich hatte erst einmal genug vom Mittelmeer und suchte ein neues Abenteuer. Also stöberte ich auf einem Globus nach neuen Ideen. Als mein Finger auf Norwegen landete, war klar, dass ich dort segeln wollte. Endlose Natur, kaum Menschen, und die wenigen, die man trifft, sind immer sehr freundlich und lassen einen in Ruhe. Und dass man fast überall campen darf, war für mich mit meinem schmalen Geldbeutel natürlich perfekt.“

Rückkehr zum Nordkap

Für seinen ersten Nordtörn im Jahr 2012 sucht Stropnik gleich die ganz große Herausforderung: Er kehrt zum Nordkap zurück. Von hier aus möchte er mit einem aufblasbaren Mini-Katamaran nach Stockholm segeln. Ohne GPS und bei einer Durchschnittstemperatur von null Grad Celsius macht er sich auf den Weg. Sein wertvollster Ausrüstungsgegenstand ist ein Trockenanzug, den er von einer slowenischen Firma gesponsert bekommt. Vorteil seines ungewöhnlichen Expeditionsgefährts ist, dass es sich leicht an Land ziehen lässt. Und es passt im Wortsinn zusammengefaltet in wenige Transporttaschen.

Die ersten zwei Wochen sind so kalt, dass Stropnik immer wieder anlanden muss, um sich für eine Stunde in den wärmenden Schlafsack zu verkriechen. Aufgrund der Helligkeit in den nordischen Breiten segelt er täglich bis zu 20 Stunden. Trotz der Sorge, aufs offene Meer abzutreiben oder ins eiskalte Wasser zu fallen, segelt er immer weiter, berauscht von der Natur und seinem unbändigen Abenteuerdrang.

Unterwegs fischt er mit einer primitiven Angelschnur und gart seinen Fang am Lagerfeuer. Dazu eine Dose norwegisches Dosenbier. Zum Waschen legt er sich kurzerhand flach in den nächsten Bach. Seine Reise dokumentiert der Abenteurer sachlich und mit einer Prise Sarkasmus in Tagebuch und Videoclips. So erfährt man beispielsweise von seinem wasserdichten Zelt, das Wasser reinlässt, um es dann für immer drin zu lassen. Zudem finden sich Berichte, wie er einmal zwei Tage vergeblich auf Wind wartet oder eine Woche weder Mensch noch andere Boote zu Gesicht bekommt. Dafür so viel Regen, dass sein klammer Schlafsack nicht trocknen kann.

Richtung Stockholm

Nach einem Zwischenstopp in Narvik verholt Stropnik sein Boot über den 410 Kilometer langen Fluss Torne paddelnderweise bis ins schwedische Haparanda am Bottnischen Meerbusen. Dabei kommt ihm seine Erfahrung vom Wildwasser-Kajaken zugute. Nur besonders gefährliche Stromschnellen umgeht er, indem er das Boot über Land zieht.

Der größte Feind sind die Millionen von Mücken, die sich auf jeden Quadratzentimeter freie Haut stürzen. Endlich wieder segelnd, nutzt er für die Navigation selbst erstellte Karten, die bestenfalls Anhaltspunkte darüber geben können, wo er sich befindet. Aber die Zivilisation hat ihn wieder, und andere Segler kennen glücklicherweise ihren Aufenthaltsort und weisen ihm den Weg nach Stockholm. Dort kommt er nach 45 Tagen und 1.400 zurückgelegten Seemeilen erschöpft, aber glücklich an.

Freiheitsgefühl beim Tauchen

An seinen freien Tagen während der kroatischen Chartersaison geht Stropnik einem weiteren Hobby nach, dem Tauchen. Auch wenn er brevetierter Gerätetaucher ist, die größte Freude bereitet ihm das Apnoetauchen ohne technische Hilfsmittel. Nur mit der Atemluft in der Lunge geht er auf Tiefe. „Ich genieße die damit verbundene besondere Form der Beweglichkeit und das enorme Gefühl von Freiheit. Ohne den ständigen Luftblasenschwall wie beim Tauchen mit Pressluftflasche kommt man der Tierwelt unter Wasser viel näher.“ Laut Stropnik soll die Technik mit etwas Übung schnell erlernbar sein; sein persönlicher Rekord liege bei 33 Meter Tiefe.

Die nächste Tour in arktische Gewässer folgt drei Jahre später. Dieses Mal 700 Seemeilen von Kirkenes nahe der norwegisch-russischen Grenze bis nach Bodø. Dafür trailert Stropnik eine alte Fam 18, einen 5,50 Meter langen Jollenkreuzer einer deutschen Werft, in den hohen Norden. Groß genug für ein aufblasbares Dingi und um in der Schlupfkabine schlafen zu können. Des Weiteren ausgerüstet mit einem kleinen Außenborder. Damit wagt er sich auf die berüchtigte Barentssee, um das Nordkap zu runden. Ein mehr als mutiges Unterfangen, auch wenn die Nussschale so modifiziert wurde, dass sie unsinkbar sein soll.

Mental für Extremwettertörns vorbereiten und Strategien erarbeiten

Auf moderne Sicherheitsausrüstung und Notfallalarme verzichtet Stropnik aus Kostengründen. Als Nachteil möchte er das nicht sehen. „Hätte ich alle möglichen Geräte, um mich vermeintlich sicherer zu fühlen, könnte das meine Konzentration schwächen. Da ich hingegen weiß, dass ich zu hundert Prozent auf mich allein gestellt bin, bereite ich mich mental sehr penibel auf meine Törns vor.“

Er gehe sämtliche Worst-Case-Szenarien durch, die ihm einfielen, und erarbeite Strategien, wie er da wieder herauskomme. „Ich frage mich zum Beispiel, was passiert, wenn das Ruder bricht. Wie kann ich einen provisorischen Ersatz herstellen? Oder wie repariere ich ein gebrochenes Fall auf dem Wasser? Was mache ich bei Wassereinbruch? Was für Not- und Reparaturausrüstung brauche ich?“ Wenn dann tatsächlich eines dieser Szenarien eintreffe, wisse er, was zu tun ist. „Das half jedes Mal, nicht in Panik zu geraten. Ich war ja vorbereitet.“

Abenteuer als Herausforderung sehen

In der Tat war ihm schon während seiner ersten Norwegentour bei ordentlich Druck im Segel und Strömung das Ruder gebrochen. In Windeseile habe er sich aus einem Paddel eine Ersatzsteuerung gebaut. Beim Törn mit der Fam wird ihm irgendwann klar, dass ein Boot mit Kajüte und Motor sich nicht mit seiner Vorstellung von Abenteuer vereinbaren lässt. Zu viel Luxus. Zu bequem. Die nächsten Reisen sollen unbedingt wieder dichter an den Elementen umgesetzt werden.

Da während der langen Überführungen auf den großen Katamaranen wenig zu tun ist, verbringt Stropnik viel Zeit mit der Produktion von Videos, die sein Leben an Bord oder technische Aspekte aufgreifen, von denen er glaubt, dass sie andere Segler inte­ressieren könnten. „Meine Freundin kommt auch manchmal mit, aber da sie einen geregelten Job hat, ist das selten der Fall. Außerdem findet sie die langen Passagen eher langweilig.“

Doch manchmal passiert dann doch etwas, wie etwa ein gebrochenes Großfall mitten auf dem Atlantik, im Zuge dessen das Segel auf dem Deck landete. „Ich musste dann in den Mast und habe mir als Kopfschutz ein Handtuch um den Kopf gewickelt, da das Boot heftig schaukelte. Das war absolute Schwerstarbeit!“

Laut eigener Statistik muss Stropnik zudem alle 1.000 Seemeilen tauchen gehen, um die Propeller von Beifang zu befreien. „Die Katamarane ziehen das buchstäblich an. Gemäß Murphys Gesetz geschieht das dann natürlich gern ausgerechnet in der stark frequentierten Biskaya, mitten in der Nacht. Dann muss ich mit Neoprenanzug, Stirnlampe, Messer und einem Sicherungsseil unters Boot – egal wie die Konditionen sind.“ Doch das seien letztlich Kleinigkeiten, die immer mal vorkommen könnten.

Auswirkungen der Pandemie

Unvorbereitet fühlt er sich hingegen, wie die meisten anderen Menschen auf der Welt wohl auch, als das Jahr 2020 an- und die Covid-Pandemie ausbricht. Es beginnt mit seiner ersten Atlantiküberquerung als verantwortlicher Schiffsführer. Einen brandneuen Lagoon 50 soll er 2019 von Kroatien über die Kanaren zu den British Virgin Islands überführen, dort vier Monate lang als Charterskipper arbeiten und anschließend das Boot wieder zurück an die Adria bringen. Um die Kosten zu reduzieren, werden auf Wunsch des Eigners die Kabinen während der Überführung vermietet.

„Das war keine besonders gute Idee. Leute, die noch nie so lange auf dem Ozean waren, haben entweder gar keine oder aber eine romantisch verklärte Vorstellung davon, was auf sie zukommt“, erzählt er. Die erste Woche sei noch alles schön und spannend, in der zweiten Woche werde es dann schon langweilig, und in der dritten Woche würden alle nach Hause wollen. „Wenn da irgendetwas schiefgeht und es zu einer brenzligen Situation kommt, kann das schnell eskalieren. Aber auch bei zu großer Langeweile können sich die Leute gegenseitig an die Gurgel gehen.“ Und tatsächlich treten unterwegs Spannungen auf, doch schafft er es, die wild zusammengewürfelte Crew unversehrt in die Karibik zu segeln.

Am Ende der Saison macht ihm dann das Corona-Virus einen Strich durch die ursprünglichen Pläne. Stropnik sitzt im Paradies fest und weiß lange nicht, wie er oder das Boot zurück nach Europa kommen sollen. Kurz vor dem Lockdown auf den BVIs segelt er zu den Amerikanischen Jungfern­inseln, um von dort den Kat per Containerschiff auf die Reise zu schicken. Während alle Welt in Schockstarre verfällt, harrt Stropnik 20 weitere Tage aus, bis eine Crew für den Frachter eingeflogen werden kann. Mit viel Glück ergattert er anschließend ein Flugticket, das auch ihn nach Hause bringt.

Zurück in die Heimat nach Ljubljana

„Am meisten habe ich in dieser ungewissen Zeit den Geruch des Waldes in meiner Heimat und die Ruhe dort vermisst, insbesondere im Herbst, wenn es kühler wird und die Farben explodieren.“ Wieder zu Hause in Ljubljana, zieht es den Naturliebhaber dann auch gleich in die vertraute Umgebung, um Energie aufzutanken.

Im Winter 2023 bestreitet Stropnik bereits seine fünfte Skandinavien-Expedition. Dieses Mal mit einer RS Quba, einer kleinen Segeljolle mit aufholbarem Kielschwert, die primär für Ausbildungszwecke genutzt wird. Die Ausrüstung wird in wasserdichten Säcken am Boot festgelascht. Zur Ortsbestimmung in den zerklüfteten Fahrwassern mit ihren unzähligen Inseln hat er dieses Mal ein altes Smartphone samt Apps für die Navigation und Wettervorhersagen dabei.

Ein kleiner Windgenerator zum Aufladen der Batterie findet sich ebenfalls im Gepäck, wie auch ein kleiner PLB-Notsender. Für den Fall einer Kenterung hat sich Stropnik die wichtigsten Utensilien wie Geldbörse, PLB und Telefon unter seinem übergroßen Trockenanzug in kleinen Beuteln an den Leib gebunden. „Das hat den schönen Nebeneffekt, dass infolge meiner Körperwärme die Batterien vor der Kälte geschützt werden und länger durchhalten“, berichtet er schmunzelnd. Allerdings: „Es ist nicht immer leicht, gleich alles wiederzufinden, wenn du dich erst durch sieben Schichten Kleidung wühlen musst.“

Ansonsten macht Stropnik ernst mit seinem Plan vom simplen Segeln. Ein paar Crocs sind seine einzigen Schuhe. Auf den ersten Blick nicht unbedingt seemännisch oder expeditionsgerecht, aber mit dem Anzug, dicken Socken und wasserdichten Goretex-Überziehern passen die extragroßen Plastikslipper optimal auf die Füße und isolieren sogar. „Außerdem trocknen sie rasch, schwimmen und bieten Grip beim Landgang“, zählt er auf.

Die Bedingungen für Extremwettertörns

Von Bergen aus will er so lange nordwärts segeln, wie es das Boot und die Wetterbedingungen zulassen. Vor allem nachts ist es dermaßen kalt, dass das Trinkwasser in den Kanistern gefriert und auch die Festmacherleinen der Jolle. Kochen, das gelingt ihm laut eigener Aussage mehr schlecht als recht. Das belegen auch seine Videos: Zu Nudeln gibt es einen Schluck Ketchup und etwas Oliven­öl. Zur Feier des Tages wird mal eine Dose Thunfisch mit in den Topf gekippt, der von einem Trangia-Kocher befeuert wird. Hauptsache, heiß!

Da auch die Zutaten meist gefroren sind, müssen die Flaschen allerdings zunächst unter den Kleidungsschichten angewärmt werden. Dort finden sich auch die Gasflasche, Powerbank und weitere Sachen, die besser mit höherer Temperatur funktionieren. „Ich komme mir manchmal vor wie ein Zauberer, der immer mehr Sachen aus seinem Hut zieht“, witzelt er.

Eine besondere Herausforderung ist das tägliche Auffinden eines geeigneten Anker- oder Anladeplatzes, bevor es schon nachmittgas dunkel wird. Sein Boot sichert er mit mehreren Leinen, die mit Hilfe von eingeknoteten Steinen in den Felsritzen verkantet werden. Zusätzlich legt er bei aufkommenden Winden eine Sicherungsleine vom Boot zu seinem Schlafplatz, um im Fall eines Losreißens schnell reagieren zu können. „Auf diese Weise schläft man einfach besser“, versichert der Outdoor-Experte.

Eines Morgens nach einer stürmischen Nacht sieht nicht nur sein Zelt aus wie ein Iglu. Auch seine Jolle liegt inmitten einer dünnen Eisschicht, die das Wasser überzieht, und ist mit einer gut 20 Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt. Der Tag wird dafür umso schöner, mit einem leisen Windhauch treibt sein Boot bei strahlendem Sonnenschein langsam nordwärts. Ein Moment der Leichtigkeit.

Tags darauf wettert Stropnik einen Schneesturm auf dem Wasser ab, wobei die Baumhalterung aus Plastik bricht, was ein Weitersegeln vorerst verhindert. In einem Dorf, das er am Ufer ausmacht, kommt er einige Tage bei einer Familie unter und kann sich Ersatzteile bestellen. Die reparierte Jolle surft kurze Zeit später trotz eingeholter Fock und zweitem Reff im Groß bei achterlichem Wind mit sieben Knoten über den Sognefjord. Der Wind frischt immer weiter auf, bei 30 Knoten in der Spitze übermannt Stropnik dann doch die Sorge um das Boot und seine eigene Sicherheit. Schweren Herzens entscheidet er sich für einen vorzeitigen Abbruch.

Winterliche Schönheit Norwegens

Seine Videos zeigen neben geradezu lebensfeindlichen Bedingungen auch die prächtigen Fjord- und Berglandschaften Norwegens in grandioser winterlicher Schönheit. Die allermeisten Menschen würden es wohl vorziehen, diese Ausblicke von einem Schiff der Hurtigruten zu genießen, gut geschützt mit allen Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt. Doch so eine Luxus­reise kann sich der umtriebige Stropnik beim besten Willen nicht vorstellen. Er arbeitet schon an neuen Projekten.

Weitere Extremwettertörns auf dem Plan

„Ich habe mir dieses Jahr einen Hoby Cat FX1 gekauft und teste damit bereits meine Möglichkeiten aus. Gerade bin ich von einem 14-tägigen Testschlag vom italienischen Monfalcone nach Dubrovnik in Kroatien zurückgekommen. Nicht die größte Herausforderung, aber ein gutes Training.“

Künftig will er also seine Abenteuer-Törns mit schnellen Katamaranen in Angriff nehmen. Der nächste soll ihn in die Ägäis führen. Und dann steht auch bereits ein weiteres Nordprojekt in den Startlöchern: „Von Kirkenes möchte ich dieses Mal die gesamte norwegische Küste hinabsegeln, vielleicht sogar bis nach Oslo.“ Das stehe aber erst im Sommer an. „Denn dann“, freut sich Igor Stropnik, „sind die Bedingungen einfach ideal für einen schnellen Katamaran – und die Tage noch dazu wieder unendlich lang.“


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