Britische InselnShetland - zwischen Nordsee und Atlantik

Christian Tiedt

 · 15.02.2025

Liegeplatz der Seenotretter in Lerwick, dahinter die Victoria Pier.
Foto: Christian Tiedt
Wo Nordsee und Atlantik aufeinandertreffen, liegt der nördlichste Außenposten der Britischen Inseln: Shetland. Wikingererbe, wilde Küsten – und endlos weiter Horizont. Ein außergewöhnliches Törnziel.

Far Haaf – auf Shetland steht dieser Begriff für den Rand der Welt. „Das ferne Meer“, so wird die Grenze der Fischgründe genannt, die von der Küste rund fünfzig Seemeilen weit nach Westen hinaus in den Nordatlantik reichen. Dort, an der Außenkante des Kontinentalschelfs, fällt der Meeresboden plötzlich steil ab. Das letzte Land endet. Für Generationen von Shetländern gehörte das Risiko, in diesen schutzlosen Weiten nach Kabeljau, Leng und Hering zu jagen, zum Leben dazu.

Ihre Ruderboote waren offene Sixerns, schlanke Doppelender, nach nordischen Linien gebaut. Sturmerprobt und seeerfahren mussten die sechs Männer an Bord also sein, aber diese Qualifikation war ihnen in gewisser Weise ohnehin in die Wiege gelegt: Bereits um das Jahr 800 herum übernahmen norwegische Wikinger von den heimischen Pikten die Herrschaft über den felsigen Archipel und nannten ihn Hjaltland.

Von der Wikingerzeit in die Gegenwart

Auch wenn Shetland seit inzwischen fünf Jahrhunderten zu Schottland gehört, ist das Erbe der skandinavischen Siedler noch immer frisch und munter und reicht von hochoffizieller Symbolik wie der Regionalflagge, einem skandinavischen Kreuz in schottischen Farben, und dem aus den Sagas entlehnten Inselmotto Með lögum skal land byggja („Mit dem Gesetz wird das Land erbaut“) bis hin zu „weltlicheren“ Aspekten wie dem Up Helly Aa in Lerwick.

Nach altem Brauchtum werden beim Up Helly Aa am letzten Dienstag im Januar die Wintergeister ausgetrieben. Dazu lodern allerorts echte Flammen, Fackeln und brennende Teerfässer. Tausende Wikinger bevölkern die Straßen, der Ehren-Jarl sorgt mit seiner gerüsteten Leibgarde für „Ordnung“, und als Höhepunkt wird in der Dunkelheit der Nachbau eines Langschiffs angezündet. Danach geht die Feier erst so richtig los, mit Gesang und noch mehr Feuer – in der Kehle. Der folgende Mittwoch ist, ebenfalls traditionell, arbeitsfrei.

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Ziel auf dem Törn rund Schottland

Die Bindung zum Land der Ahnen ist aber auch auf dem Wasser erhalten geblieben. Das überrascht kaum; bis nach Bergen sind es nur rund 200 Seemeilen. Die schottische Hauptstadt Edinburgh ist dagegen mehr als 300 Seemeilen entfernt. Ganz zu schweigen von London, das irgendwo sehr weit im Süden liegen soll …

Von besonderer Bedeutung wurde der Seeweg zwischen Shetland und Norwegen während des Zweiten Weltkriegs, um wagemutige Agenten auf geheimem Weg zurück in ihr von Deutschland besetztes Heimatland zu schmuggeln. Dazu später mehr. Heute ist es zum Glück Fernweh, oft mit einem Schuss Abenteuerlust, das Besucher auf eigenem Kiel anlockt.

Und damit sind nicht nur die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe gemeint, die in den Sommermonaten inzwischen zum gewohnten Bild gehören, sondern auch Segelcrews. Viele kommen aus Norwegen herüber, auf dem spektakulären Törn rund Schottland, zu dessen Programm auch die Orkneys, die Western Isles und der Caledonian Canal quer durch die Highlands gehören.

Shetland: Ein Segelrevier für sich

Dabei ist die Inselgruppe ein Revier für sich, mit rauen und sanften Seiten, einer lebendigen Hauptstadt, spektakulärer Natur und endlosen Möglichkeiten für Landgänge. Selbst das Wetter ist „abwechslungsreich“. Aber nur Sonne ist eh langweilig, oder?

Shetland besteht aus etwa einhundert Inseln, von denen zwanzig bewohnt sind. Die größte im Bund ist Mainland. Ihre Fläche misst annähernd 1.000 Quadratkilometer, was etwa der Ausdehnung Rügens entspricht. Die große Halbinsel Northmavine im Nordwesten ist dabei nur über eine schmale Landbrücke mit dem Rest von Mainland verbunden.

Neben dem Hauptort Lerwick an der Nordseeküste und dem Flughafen bei Sumburgh an der Südspitze liegt mit Scalloway auch der wichtigste Hafen der Atlantikseite auf der Insel. Rund 1.100 Einwohner genügen, um Scalloway den zweiten Platz unter den Orten Shetlands zu sichern. Überragt wird der Hafen mit Frachtterminal, Fischereipier und Marina von den Mauern von Scalloway Castle.

Shetland Bus - Geschichte in Scalloway

Im Schatten der Ruine befindet sich das Museum, das unter anderem die spannendste Geschichte in der jüngeren Vergangenheit erzählt: Von 1941 bis Kriegsende war Scalloway Ausgangspunkt des Shetland Bus: Mit unauffälligen Kuttern und schnellen Motorcruisern unterhielt die norwegische Marine einen geheimen, hochgefährlichen Pendelverkehr zur Fjordküste ihres besetzten Landes.

Von Shetland brachten sie Waffen und Ausrüstung für den Untergrund, Agenten und Kommandotruppen, auf dem Rückweg füllten Flüchtlinge und untergetauchte alliierte Soldaten die Boote. Eine Geschichte voller Mut und Entbehrung. Bekanntester Skipper war der Norweger Leif Larsen, bekannt als „Shetland Larsen“, der selbst 52 Fahrten durchführte. Viele Besatzungen jedoch gingen verloren, als Opfer der Deutschen oder der gnadenlosen See selbst. Gezeigt wird die Geschichte im Scalloway Museum.

Lerwick ist das Zentrum von Shetland

Erster Anlaufpunkt für Freizeitskipper wird jedoch das 7.000 Einwohner große Lerwick sein, mit seinen Shops, Pubs und Restaurants (sogar ein französisches ist darunter) fraglos Shetlands „Metropole“. Hier hat man schon mit vielem Geld verdient, mit Grönlandwal, gesalzenem Hering oder geschmuggeltem Gin. Heute sind es Touristen – unter anderem.

Lerwick eignet sich aufgrund seiner zentralen Lage perfekt für Erkundungen, am bequemsten per Mietwagen. Büros von Avis und Europcar befinden sich in Hafennähe. Weitere Highlights sind das moderne Shetland Museum und ein Ausflug auf dem Wasser zu den Brutkolonien der Zugvögel an der steilen Ostflanke der Isle of Noss, die der Insel Bressay vorgelagert ist, entweder auf eigenem Kiel oder mit dem Ausflugsboot.

Wilder Norden: die Northern Isles

Die beiden Inseln Yell und Unst bilden den nördlichen Teil des Archipels, die Northern Isles. Über Fähren sind sie miteinander und mit Mainland verbunden. In den schmalen Sunden zwischen den Inseln herrschen starke Gezeitenströme. Je weiter man nach Norden kommt, desto rauer wird die Landschaft und desto dünner die Besiedlung. Dennoch finden sich hier die meisten Fundstätten aus der Wikingerzeit, alleine auf Unst wurden bislang Überreste von mehr als sechzig Langhäusern freigelegt.

Der spektakulärste Rundwanderweg Shetlands führt über die Halbinsel Hermaness im äußersten Norden. Vom grasbewachsenen Plateau oberhalb der Steilküste bieten sich fantastische Ausblicke auf Kolonien von Seevögeln und die Insel Muckle Flugga – ihr Leuchtturm, 1855 von den Gebrüdern Stevenson an fast unmöglicher Stelle errichtet, war bis zu seiner Automatisierung 1995 der nördlichste bewohnte Ort der Britischen Inseln. Was für ein Job am Rand der Welt!

Revier-Informationen: Shetland

Das Revier

Schon die Lage macht Shetland zu einem sehr anspruchsvollen Revier. Routenplanung, Navigation, Gezeitenberechnung und Wetterbeobachtung fordern große seemännische Erfahrung und die Eignung von Crew, Yacht und Ausrüstung für Törns im betreffenden Seegebiet. Obwohl Sommermonate im Schnitt nur drei Nebeltage und einen Sturmtag aufweisen, sind schwierige Wettersituationen jederzeit möglich. Yachten aus dem Ausland melden sich bei der Ansteuerung von Lerwick auf UKW-Kanal 12 und nach dem Anlegen bei der Port Authority im Albert Building zum Einklarieren bei der UK Border Force.

Die Häfen

Gemessen an der Abgeschiedenheit Shetlands bietet der Archipel überraschend viele Liegemöglichkeiten für Gastlieger. Insgesamt 22 Orte stehen über das Revier verteilt zur Verfügung, auch an abgelegenen Orten (siehe Karte). Entscheidend ist, dass die meisten dieser Häfen guten Schutz bieten und mehrheitlich zumindest mit einem gezeitenunabhängigen Schwimmsteg ausgestattet sind. Umfangreichen Service findet man dagegen nur in Lerwick und Scalloway. Eine vollständige Übersicht mit Kontaktinfos findet sich im Internet.

Die Literatur

Revierhandbuch „Orkney and Shetland Islands. Including North and Northeast Scotland“. Imray, 150 S.; Format A4, Softcover, ISBN 978-1-78679-161. 48,50 €. • diverse amtliche Seekarten (Admiralty). Bezug aller Artikel zum Beispiel über nvcharts.com

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