Teil 2 der Reportage mit La Gomera und La Palma lesen Sie hier.
Es ist Mitte Januar, der Frühling noch nirgends in Sicht und das Absegeln schon eine Weile her. Soll heißen, erste Entzugserscheinungen machen sich breit. Was tun? Die Möglichkeiten, jetzt in Europa segeln zu gehen, sind stark begrenzt bis gar nicht vorhanden. Mit einer Ausnahme: den Kanarischen Inseln. Diesem beliebten Außenposten für Winterflüchtlinge aller Art.
Kein einfaches Revier, schon klar. Sicher nichts für harmonische Familienausflüge oder Einsteiger. Da darf man sich von durchschnittlicher Sonnenscheindauer und badetauglichen Temperaturen nicht täuschen lassen. Die Inseln liegen im Atlantik und im Nordostpassat, der durch die Topografie der Inseln und die Passagen zwischen ihnen wie im Windkanal um bis zu drei Windstärken verstärkt wird. In den sogenannten Windbeschleunigungszonen, die vorausschauendes Segeln erforderlich machen.
Weil man sich sonst – Spoilerwarnung – so ungerefft wie unversehens von der Kaffeefahrtgemütlichkeit im Starkwindgeknüppel wiederfindet (noch ehe man austrinken kann). Das muss man wissen. Und mögen. Außerdem sollte man vor atlantischer Dünung, sprich meterhohen Wellen, keine Scheu haben. Wem all das nichts ausmacht, der wird mit feinstem Hochseesegeln belohnt, stets die nächste Insel vor Augen. Selbst wenn sie mal einen längeren Tag auf See entfernt ist.
Ausgangshafen für unseren Törn zu den westlichen Kanaren ist San Miguel auf Teneriffa, im Lee des mächtigen Vulkans Teide. Unser Schiff ist eine etwas betagtere Sun Odyssey 469. Das Teakdeck sieht aus wie gesandstrahlt. Als hätte die Calima, eine Ostwindlage auf den Kanaren, die jede Menge Saharastaub bringt, ganze Arbeit geleistet.
Die Schiffe werden auf den Kanaren härter beansprucht als etwa im Mittelmeer. So erfahren wir bei der Einweisung, dass der Sand den Rollreffanlagen zu schaffen macht. Soll heißen: Beim Setzen also sachte. Und beim Groß unbedingt drauf achten, dass keine Falten beim Einrollen entstehen.
Schon klar, denkt man, schließlich macht man das alles nicht zum ersten Mal. Doch der Hinweis ist berechtigt: Bei achterlichen Winden verlassen wir die Marina. Schreck, lass nach! Das Groß knarzt beim Ausfahren so stark, dass man zehnmal guckt, ob die Reffleine auch wirklich frei läuft. Und das Vorsegel ist auch alles andere als ein Selbstgänger. Trotz achterlicher Brise.
Nicht gut, denkt man besorgt. Wie soll das erst beim Einholen mit viel Wind werden, wenn ein Crewmitglied aufs Vorschiff muß, um an der Rolle mitzuziehen und auf den letzten Metern regelrecht zu würgen?
Egal, erst mal geschafft. Das Schiff nimmt in böiger Backstagsbrise Fahrt auf. Die Segel stehen einigermaßen. An Steuerbord der karge Süden Teneriffas, eine Mondlandschaft mit Leuchtturm. Krater und Lava bis ans Kap Faro de la Rasca. Etwas angeluvt, bei Halbwind, dann Los Cristianos an Steuerbord. Viel kaum schmeichelhafter Beton dort. Die Blüten von zu viel Tourimus, der inzwischen auch auf den Kanaren bei den Einheimischen für Unmut sorgt. Wie gut, dass man sich als Segler nicht ganz so schuldig fühlt!
Für die erste Nacht suchen wir uns eine Naturbucht weiter nördlich an der Westküste. Ohne Betonpanorama und Kunstlicht. Nicht zuletzt um nachts dem Vollmond die Ehre zu geben und ein paar feuertanzenden Hippies am Strand zuzuschauen. Den letzten ihrer Art, deren entferntes Getrommel immer wieder vom Takt der Brandung überrollt wird. Das Gleiche gilt leider auch für unseren Schlaf. Es ist die erste von mehreren schaukeligen Nächten.
Der Tag beginnt, wie er besser nicht beginnen kann, mit einem Sprung von der Badeplattform. Danach Müsli im Cockpit – als Stärkung fürs Segelsetzen, scherzt ein Crewmitglied. Falls es im Lee des Teides fürs Segeln reicht. Anker auf und entlang Teneriffas Westküste mit Kurs auf Los Gigantes. Uns interessiert weniger der gleichnamige Ort als die sich anschließende Steilküste, die vom Wasser aus einen spektakulären Anblick bietet. Die Felsen fallen bis zu 450 Meter senkrecht ins Meer ab.
Besonders eindrücklich ist die Bucht , ein steinernes Amphitheater. Obwohl wir gar nicht so früh dran sind, liegt die Bucht teilweise noch im Schatten. Für einen längeren Aufenthalt ist sie leider zu unruhig. Selbst Landgänge mittels Dingi sind nicht ohne: Wer an den Strand will, macht das ohne Außenborder und am besten in Badehose.
Spätestens jetzt muß jedem an Bord klar sein, dass der Atlantik nicht das Mittelmeer ist. Ein Thema, das uns auf diesem Törn praktisch durchgängig begleiten wird. Ein Crewmitglied muss selbst nachts Tabletten gegen Seekrankheit nehmen.
Gegen Mittag nehmen wir Kurs auf Gomera. Die Crew geht in den Ausguck. Zwischen Teneriffa und Gomera leben etwa 500 bis 600 Grind- oder Pilotwale. Delfinsichtungen sind jederzeit möglich. Und zur entsprechenden Jahreszeit kann man zwischen den Inseln auch Blau-, Finn-, Pott- und Buckelwalen begegnen. Buckelwellen dagegen gibt es das ganze Jahr.
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