Ein Jahr Zeit nimmt er sich und fährt im Winter binnen durch Frankreich ans Mittelmeer. Dann macht er sich auf, die Länder und Inseln dort zu erkunden. Nach Stationen auf Korsika, in Italien und Sizilien hat er mittlerweile Zakynthos in Griechenland erreicht. Im Interview erzählt er von seinem bisherigen Törn des Lebens und vom Wohnen und Reisen auf kleinem Fuß.
YACHT: Luca, du segelst mit deinem Sechseinhalb-Meter-Boot durchs Mittelmeer – wie sind die Reaktionen, wenn du irgendwo ankommst?
Ich bin hier tatsächlich eine absolute Ausnahmeerscheinung. Wenn ich andere Kleinbootsegler treffe, sind die meistens von hier. Sonst geht es hier eher ab 30 Fuß los. Ein Hafenmeister konnte es neulich nicht glauben und hat mich tatsächlich gebeten, die Bootsdokumente zu holen. Als er gesehen hat, dass ich wirklich auf 21 Fuß unterwegs bin, wusste er gar nicht, was er nehmen soll, und fragte, was ich denn woanders zahlen würde. Nun sind es 3,60 Euro pro Nacht.
Wie vertragen sich die teils happigen Liegegelder im Mittelmeer mit deinem Reisebudget?
Es ist eine der größten Herausforderungen der Reise, mit den 500 bis 600 Euro, die mir monatlich zur Verfügung stehen, auszukommen. Ich kann meinen Minijob aus dem Studium nebenher online weiterführen. Mehr möchte ich aber bewusst nicht arbeiten, damit ich die Zeit hier auch genießen kann.
Das heißt, du verdienst dein Reisebudget komplett unterwegs?
Mittlerweile ja. Fast alles, was ich vorab gespart hatte, ist ins Boot und in die Vorbereitung geflossen. Dann bin ich mit einem Puffer von 1.000 bis 2.000 Euro losgefahren.
Das Mittelmeer gilt als recht teuer. Mit welchen Kosten musst du monatlich für Leben und Reisen auf 21 Fuß rechnen?
Das ist wahnsinnig unterschiedlich. Wenn ich allein bin, versuche ich, nur einmal pro Woche einen Hafen anzulaufen. So lange komme ich ohne Strom, neues Wasser und manchmal auch Internet aus. In den Häfen sind die Preise regional stark unterschiedlich.
Wo war es denn bisher am teuersten?
In der Bucht von Neapel, mit Abstand. 150 Euro pro Nacht sind einfach viel zu viel. Der Kontrast ist schon enorm.
Schmälert das das Reiseerlebnis?
Die Bucht von Neapel habe ich tatsächlich als seglerisches Ödland empfunden. Darüber hinaus sind die Ziele aber alle wunderschön.
Wo hat es dir bisher am besten gefallen?
Schwierig! Die Côte d’Azur, Monaco, Korsika – das war eine recht schöne Ecke. Da habe ich spannende Leute kennengelernt und bin deshalb ein bisschen länger geblieben, gut zwei Wochen. Die Äolischen Inseln mit den Vulkanen waren natürlich auch toll. Und Malta!
Folgst du einer bestimmten Route oder lässt du dich treiben?
Als ich losgefahren bin, war mein Ziel, bis Korsika zu kommen und vielleicht dort zu überwintern. Ich wollte gar nicht so viel vorab planen, weil ich selbst noch nicht ganz einschätzen konnte, wie ich vorankomme. Auf meiner bisherigen Route war dann tatsächlich alles dabei, was ich einmal sehen wollte.
Bist du ausschließlich allein unterwegs?
Nein, ich hatte bisher schon fünf Leute zu Besuch an Bord, die jeweils für zehn bis 14 Tage geblieben sind. Hin und wieder habe ich sie sogar erst unterwegs kennengelernt.
Funktioniert das auf dem kleinen Boot?
Geplant hatte ich es nicht, aber es hat sich ergeben. Auf Elba habe ich jemanden kennengelernt, der dort gerade seinen SKS-Schein gemacht hatte und gar nicht zurück nach Hause wollte. Wir haben uns gut verstanden – dann ist er tatsächlich für drei Wochen mit mir mitgekommen. Wir sind zusammen von Rom bis nach Catania auf Sizilien gesegelt. Das hat funktioniert! Einmal sind wir sogar zu dritt gesegelt, aber da war das Boot echt voll. Ein bis zwei Personen sind ein akzeptabler Rahmen. Alles andere geht nur ein paar Tage.
Und ja sicher auch nur bei gutem Wetter. Warum hast du dich für das Mittelmeer für diese Segelauszeit entschieden?
Das Mittelmeer ist ein Schatz mit seiner naturräumlichen und kulturellen Vielfalt. Man fährt ein paar Meilen und sieht gefühlt immer wieder etwas Neues. Das merke ich jetzt erst so richtig, während ich hier unterwegs bin. Im Endeffekt habe ich mich aber recht spontan entschieden. Vor dem Start habe ich in Heidelberg gewohnt. Ich fand die Idee schön, von dort auf eigenem Kiel auf dem Neckar loszufahren, und mich dann nach Norden oder Süden durchzuschlagen.
… und dann ist es der Süden geworden! Wie war der Auftakt, die Binnenfahrt über Flüsse und Kanäle durch Frankreich ans Mittelmeer?
Leider bin ich erst Anfang Oktober 2023 losgekommen. Eigentlich sollte es früher losgehen, aber ich musste noch einiges erledigen, um beruhigt losfahren zu können. Mit der letzten Schleusung Ende Oktober bin ich in die Saône rüber. Mein Boot hat keine richtige Dieselheizung. Die Idee war, mit dem Klima in den Süden zu fahren, sodass es immer halbwegs warm im Boot ist.
Ist der Plan aufgegangen?
Die Fahrt auf den Kanälen hat sich sehr gezogen. Auf der Strecke hat mich eine Freundin begleitet – wir haben etwa 120 Schleusen passiert. Das ersetzt jedes Fitnessstudio! In den kleinen Schleusen muss man selbst mit anpacken. Irgendwann hat der Winter uns eingeholt, und morgens war Frost auf dem Boot. Feuchtigkeit wird dann schnell ein Problem. Unter Deck saßen wir mit Wärmflasche, Tee in der Hand und hatten den Herd noch ein bisschen an. Draußen habe ich uns in Winterjacke durch die Schleusen manövriert. Und das alles mit gelegtem Mast an Deck, um unter den Brücken her zu passen.
Das klingt nach einem echten Winterabenteuer. Würdest du es noch einmal machen?
Das war ein super Erlebnis. Es ist machbar und war schön, aber noch einmal würde ich es nicht machen. Vielleicht war der Zeitpunkt einfach falsch gewählt.
Dafür wurdest du mit der Ankunft am Mittelmeer belohnt, als in Deutschland kalter Winter war.
Das stimmt. Ich bin genau am 24. Dezember in Port Napoleon angekommen. Das war mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst – es war aber Zufall!
Hast du dir dann eine Verschnaufpause gegönnt, oder ging es gleich weiter?
Tatsache, gleich weiter! Ich habe mir natürlich ein paar Tage genommen zum Mast stellen, Segel anschlagen und so weiter. Dann ging es los Richtung Marseille und die Côte d’Azur entlang. Im Golf de Lion hat es mich gleich ordentlich erwischt, der kann im Winter sehr ungemütlich sein.
Was ist passiert?
Eigentlich war es nur eine Küstenfahrt. Es war zwar starker Wind angekündigt, aber der hat sich dann doch heftiger entwickelt als erwartet. Es war kalt, und ich schätze die Wellen auf zwei Meter. Scheinbar war das zu viel für mein Bötchen, und der Lümmelbeschlag ist gebrochen. Ich hatte also erst mal kein Großsegel mehr, bis alles repariert war. Das war ärgerlich.
Hat dich das Mittelmeerwetter noch häufiger überrascht?
Bis auf diese Situation eigentlich nicht. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, neben dem Wetterbericht vor allem die lokalen Windsysteme zu berücksichtigen. So wie der Düseneffekt zwischen Sardinien und Korsika. Oder das Landwind-Seewind-System. Oder eben lokale Winde wie Mistral oder Fallwinde.
War der Bruch des Lümmelbeschlags der einzige Materialschaden und Rückschlag auf der Reise?
Auf dem Weg durch Frankreich habe ich einen Baumstamm erwischt, der mir ein Ruderblatt weggerissen hat. Das ist einer der Nachteile meiner Etap: Die Doppelruderanlage ist recht exponiert.
Bist du dennoch zufrieden mit deiner Bootswahl? Du hast dir die Etap 21i ja aus einem ganz besonderen Grund ausgesucht.
Das stimmt. Bei der Überlegung, was es werden soll, bin ich an einem meiner Lieblingsbücher übers Segeln hängen geblieben, „Mal seh’n, wie weit wir kommen“. Familie Habeck beschreibt darin, wie sie es auf diesem Boot, das faktisch unsinkbar ist, zu dritt auf einer Weltumsegelung ausgehalten hat. Die offenbar guten Segel- und Wohneigenschaften haben mich einfach überzeugt. Bewährt hat sich das sogar schon vor der Abfahrt, als ich während des letzten Studienjahres aus meiner WG ausgezogen bin und auf dem Neckar in Heidelberg an Bord gewohnt habe. Das war günstig und hat einen finanziellen Puffer für den Trip gegeben.
Hast du überhaupt einen anderen Bootstyp in Erwägung gezogen?
Nein, ich wollte diese super Kombi – ein sportliches Segelboot mit tollem Schnitt und innen wohnlichen Elementen: Schlafplatz, Tisch, Küche –, ich habe sogar eine Seetoilette! Also alles, was für so einen Trip relevant ist. Es war das Boot oder keins!
Wie hast du es auf deine große Reise vorbereitet? Gab es viel zu tun?
Nein, das hat sich in Grenzen gehalten. Ich musste zwar das alte Hartantifouling abschleifen, dann neu grundieren und neues auftragen. Darüber hinaus habe ich die Polster gereinigt und gefärbt, ein paar Holzarbeiten erledigt, neue Antirutschfarbe aufgetragen, das laufende Gut geprüft und solche Sachen eben.
Die Etap ist schon dein viertes Boot. Welche Segelerfahrung hattest du vor dieser Reise?
Meine größte Tour zuvor war an der Nordseeküste. Ich hatte mir nach meinem Abi ein halbes Jahr Zeit genommen, um segeln zu gehen. Ich bin bei Wilhelmshaven gestartet und in Amsterdam rausgekommen. Das war schön, und ich habe einiges gelernt. Das war meine Belohnung an mich selbst dafür, dass ich während der Abizeit zusätzlich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht habe, inklusive Nachtschichten und Klinikpraktikum am Wochenende.
Mit welchem Boot hast du diesen Nordseetörn unternommen?
Das war auf einer Sailart 18. Das war einfach so eine schöne Zeit! Nun, nach dem Bachelor, hatte ich den Luxus, dass der Masterstudiengang erst gut ein Jahr später beginnt und ich es finanziell einplanen konnte. Also habe ich mir gesagt: Ich nutze die Zeit wieder zum Segeln – auch wenn die Bachelorarbeit noch nicht ganz fertig war.
Das heißt, du hast sie unterwegs abgeschlossen?
Genau, vor Anker in Korsika habe ich sie zum Drucken geschickt.
Hast du schon immer von so schönen Törns und vom Fahrtensegeln auf eigenem Kiel geträumt?
Ich hatte lange überhaupt keinen Bezug zum Segeln, ich komme aus Ulm. Dort fließt zwar die Donau, aber es ist seglerisches Ödland. Doch das Prinzip des Segelns hat mir immer schon gut gefallen, weil mich allein die Idee fasziniert, dass man nur mit dem Wind mehr oder weniger überall hinkommen kann. Also habe ich einen Segelkurs am Bodensee gemacht, eine Woche lang. Seitdem bin ich drangeblieben, habe meine Segelscheine bis zum SKS gemacht. Ich habe schnell gemerkt, dass ich mit der Seekarte und dem Funk umgehen können möchte, und dass mir Fahrtensegeln viel mehr liegt, als sportlich vorm Hafen hin und her zu segeln.
Dann war der Schritt zum eigenen Boot nicht mehr weit?
Genau, es ging mit einer Jolle los, aber mit der bin ich gar nicht alt geworden. Das nächste Boot war die Sailart 18, die ich aufwändiger restauriert habe. Und dann ist da noch mein Kajak. Mit dem bin ich mal in Heidelberg gestartet und bis in die Niederlande gepaddelt. Auf der Mittelmeerreise nutze ich es als Dingi. Das geht super! Auch, wenn es nur ein Einsitzer ist und einer an Land schwimmen muss, wenn wir zu zweit sind. Dann wird eine Münze geworfen (lacht).
Vermisst du etwas? Hast du nach fast einem Jahr auf dem kleinen Boot vielleicht das Bedürfnis nach etwas mehr Komfort?
An Bord vermisse ich tatsächlich einen Autopiloten oder eine Windsteueranlage. Das würde mir vieles abnehmen. Aber das war in meinem Budget nicht mehr drin. Ich freue mich auch ein wenig auf ein neues WG-Zimmer, wenn ich zurückkomme. Mal wieder ein Bild an die Wand hängen, aufrecht stehen und sich im Kreis drehen können, das wird gut!
Noch bist du unterwegs – wann und wo soll diese Reise enden?
Ich habe noch bis zum Herbst Zeit. Es geht nun durch die Straße von Korinth und dann vermutlich über einige griechische Inseln – Mykonos, Delas, Naxos, Santorini – bis nach Kreta, dann über Kithera nach Peloponnes. Von dort fliege ich zurück, um den Trailer zu holen und das Boot damit zurückzubringen.
Wie sind deine weiteren Segelpläne? Etwa auch eine Weltumsegelung in der Etap?
Nein, das nicht (lacht). Aber das Boot werde ich auf jeden Fall behalten. Ich habe nun schon viele tolle Reviere in Europa gesehen. Einige davon werde ich mir bestimmt noch einmal anschauen.
Luca Jehle ist 26 Jahre alt und hat in Heidelberg ein Bachelorstudium in Geowissenschaften absolviert. Die Zeit bis zum Beginn seines Masterstudiengangs nutzt er für einen Kleinkreuzer-Törn durchs Mittelmeer.
Luca Jehle segelt auf einer Etap 21i aus dem Baujahr 2000. Sie ist 6,56 Meter lang, 2,49 Meter breit, hat einen Festkiel mit 0,70 Meter Tiefgang und eine Doppelruderanlage. Die Besegelung für den Törn besteht aus Großsegel, Fock und einem Code Zero als Leichtwindsegel. Angetrieben wird der Kleinkreuzer von einem Yamaha-Außenborder mit 10 PS. 50 Liter Wasser im Tank machen den Skipper für etwa eine Woche autark.
In seinem Reisebericht „Mal seh’n, wie weit wir kommen“ berichtet Familienvater Hans Habeck von der Weltumsegelung seiner Familie auf einer Etap 21i. Das Buch ist 2012 bei Delius Klasing erschienen und noch als E-Book erhältlich.