OstschwedenWie ein Sommernachtstraum - Besuch auf Gotland

Nico Krauss

 · 04.03.2025

Gotland wartet mit den meisten Sonnenstunden des Landes auf. Das Kalkstein-Eiland bietet ideale Bedingungen für Segler.
Foto: Nico Krauss
Gotland ist in vielerlei Hinsicht ein Unikat: Mit ihrer reichen Geschichte, einzigartigen Natur und ihrem milden Klima hat die größte Insel der zentralen Ostsee viel zu bieten. Ab in den Sommer!

Der helle Streifen am Horizont wirkt wie ein weißes Band zwischen Himmel und Meer. Ist es eine Wolkenbank, Seenebel oder eine Fata Morgana? Das Wissen des Navigators und der Blick durch das Fernglas belehrt eines Besseren: Land in Sicht! Die Westküste Gotlands zeigt ihre lange kalksandsteinige westliche Flanke – das weiße Sedimentgestein ist das Markenzeichen der Insel.

Rund 50 Seemeilen vom Festland entfernt liegt Schwedens exotische Schönheit, etwa 176 Kilometer lang und 52 Kilometer breit. Mit einer Küstenlinie von 800 Kilometern ist Gotland Schwedens größte Insel und die größte Insel der Ostsee. Im Südosten wird das Follingbo-Luftfahrtfeuer sichtbar. Der Kurs stimmt, und der Hafen von Visby liegt in greifbarer Nähe. Im geräumigen Außenhafen des geschäftigen Fährhafens, geschützt vor Wind und Wellen, ist ausreichend Platz, um die Segel zu bergen und Leinen sowie Fender klarzumachen. Doch hier herrscht ständiges Kabbelwasser – Berufsschiffe und Yachten sorgen für Bewegung und zerren an den Festmachern der Yachten an der Mole.


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„Hej! Fahr einfach hinter mir her – ich zeige dir einen ruhigen Platz und helfe beim Festmachen!“ Die freundliche Stimme gehört einer jungen Frau im Schlauchboot, die im Auftrag des Hafenmeisters ankommende Yachten in die hinteren, ruhigeren Bereiche des Hafenbeckens lotst. Hier warten Heckbojen wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Geschickt manövriert sie das Boot, bringt es in Reih und Glied mit den anderen Yachten und hilft, die Heckleine durch die Öse zu ziehen. „Willkommen in Visby – das wird die beste Zeit deines Törns!“ sagt sie lächelnd. Ganz klar: Das hier ist Gotland!

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»Die Westküste zeigt ihre lange kalksandsteinige westliche Flanke – das weiße Sedimentgestein ist das Markenzeichen von Gotland.«

Die Bewohnerinnen und Bewohner der beliebtesten Insel Schwedens treten selbstbewusst auf. Kein Wunder – die Insel wird als „Sonneninsel“ Schwedens bezeichnet, mit milden Sommern und den meisten Sonnenstunden des Landes. Doch Gotland bietet mehr als nur ein angenehmes Klima. Visby, die Hauptstadt der Insel, ist ein faszinierender Schmelztiegel.

Gotland macht Erdgeschichte erlebbar

Hippe Cafés, Restaurants und kreative Boutiquen treffen hier auf eine Altstadt, die wie ein riesiges Freilichtmuseum wirkt: Kopfsteinpflaster, imposante Stadtmauern, Kirchen und Ruinen zeugen von der reichen Geschichte des Ortes. „Diese Stadt war nie gewöhnlich – weder heute noch zur Blütezeit der Hanse im 14. Jahrhundert,“ erzählt ­Edda Lindström, die Natur- und Kulturspaziergänge anbietet. „Hier gab es immer Geselligkeit, Handel, Kunst und Handwerk. Heute sorgen Stockholmer und internationale Gäste für das besondere Flair. Gotland ist ein Magnet für Kultur- und Naturliebhaber!“

Auch geologisch ist Gotland ein Unikat. Vor über 400 Millionen Jahren war die Insel noch ein Korallenriff in Äquatornähe. Durch die Kontinentaldrift wanderte es an seine heutige Stelle. Der beste Ort, um die Überreste dieses Riffs und in Echtzeit Erdgeschichte zu erleben, ist die im Nordosten Gotlands gelegene Insel Fårö. An der Kalksteinküste stehen die markanten Rauken – freistehende säulenartige Felsformationen. Sie entstehen durch die Erosion von weicherem Gestein, bei der die härteren Kalksteinschichten zurück­­bleiben. Fossile Korallen, Muscheln und andere Meeresbewohner liegen überall an den Stränden verstreut.

»Der weiße Strandwall leuchtet schon von Weitem, während der grüne Wacholder Akzente in der Landschaft setzt.«

Insel ist heller Streifen am Horizont

Der beste Hafen, um diese Naturwunder hautnah zu erleben, ist Lauters gästhamn. Der weiße Strandwall leuchtet schon von Weitem, während der grüne Wacholder Akzente in der Landschaft setzt. Von dort ist es nur einen Kilometer entlang der Küste bis zu den beeindruckenden Rauken von Digerhuvud. Die Vielfalt der großen Insel ist mit dem eigenen Boot zu entdecken, doch die 120 Seemeilen rund um die Insel sind nicht nur einfache Küstenfahrt. „Je nach Wind kann sich eine steile Welle aufbauen, in Küstennähe auch mit Grundseen, da es dort sehr flach sein kann,“ erzählt Lasse Peterson aus Södertalje. Gut geschützte Ankerbuchten gibt es nur wenige, Wind und Welle laufen um die Insel herum. Lasse ist in der Cruisingabteilung des Svenska Kryssarklubben und seit Jahrzehnten ein erfahrener Gotlandfahrer. „Speziell die Häfen und Einfahrten an der Ostküste sind sehr flach, und die Winterstürme verschieben Sandbänke und damit die Tiefenlinien.“

Andererseits sind die Häfen dort sehr abgelegen, und wer die Einsamkeit und Einfachheit liebt und den Kiel nicht zu tief hängen hat, ist hier genau richtig.

Ein krasser Kontrast zu der sonstigen Idylle sind die Industrie- und Hafenanlagen, die für den Abbau von Kalkstein für die Zementindustrie errichtet wurden. Fast überall auf der Insel sind die Spuren als Narben in der Natur sichtbar, in den Häfen Klintehamn oder Slite ist das wirtschaftliche Gesicht Gotlands dominant. „Einige Häfen sind wahrlich keine Schönheit, bieten aber jeden Service, den Wassersportler brauchen,“ erläutert Lasse. Doch Lasse hat auch romantische Tipps: „Sysne ist mein Lieblingshafen. Dort gibt es das beste ­Fischgeschäft der Welt und ansonsten nur weiß leuchtende einsame Strände.“ Genau das ist Gotland: ein heller Streifen am Horizont – wie ein weißes Band zwischen Himmel und Meer.

Wissenswert: Fakten und Tipps zu Gotland

Die größte Insel Schwedens hat einen völlig anderen Charakter als der Rest des Landes. Besonders die reiche Geschichte macht Gotland einzigartig: Im Mittelalter war sie ein bedeutender Knotenpunkt der Hanse. Die mittelalterliche Altstadt von Visby mit ihren gut erhaltenen Stadtmauern, Kirchenruinen und malerischen Gassen wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Seltene Orchideenarten und eine reiche Vogelwelt machen die Insel zu einem besonderen Ort für Naturliebhaber. Fårö, die kleine Schwesterinsel, ist weltberühmt als Heimat des Regisseurs Ingmar Bergman, dessen Filme die karge Schönheit der Region einfangen.

Regatta-Spektakel

Die Gotland Runt ist ein Highlight für Offshore-Regattasegler und führt von Sandhamn im Stockholmer Schärengarten rund um die Insel und wieder zurück. Jährlich im Juni/Juli kommen einige Hundert Segler aus ganz Europa, um die 350 Seemeilen- Strecke zu bewältigen. Mehr lesen Sie unter www.ksss.se/en/gotlandrunt/

Klima

Das gemäßigte Klima ist vor allem durch die Ostsee geprägt, die für eine kühlende Brise im Sommer und eine moderate Wärme im Winter sorgt. Im Mai und Juni ist die Anzahl an Sonnenstunden am höchsten. Im Winter fallen die Temperaturen selten weit unter den Gefrierpunkt, während im Sommer Durchschnittstemperaturen von etwa 18 °C vorherrschen. Die Niederschlagsmengen sind mäßig, im Spätsommer ist die feuchteste Zeit.

Achtung, Saison!

Die Insel ist wie ein Vorort von Stockholm: An Wochenenden und in der Ferienzeit Mitte Juni bis August wird es rappelvoll im Hafen und an Land. Wer es einrichten kann, sollte einen alternativen Zeitraum für den Törn wählen. Im September ist es meist noch warm, und die Plätze im Restaurant sind dann auch ohne Reservierung zu bekommen.

Navigation und Häfen

Visby ist das maritime Herz der Insel, hier gibt es den meisten Platz und die beste Versorgung. Allerdings kann es hier auch voll und laut werden. Alternativen: Viele Häfen sind ehemalige Industrie­standorte und nicht gerade idyllisch. Doch es gibt verwunschene Plätze für Yachten mit Tiefgang bis zwei Meter in den kleinen alten Fischereianlegern, besonders an der Ostseite. Der Preis für Naturerlebnis und Abgeschiedenheit sind niedrigere Standards in Sachen Sanitär und Service. Bei starken auflandigen Winden ist das Anlaufen der kleinen Häfen allerdings nicht ratsam.

Mobilität und Landgang

Von Stockholm und Oskarshamn aus verbinden große Schnellfähren die Insel mit dem Festland. Gotland ist sehr weitläufig, und viele Orte lassen sich am besten mit dem Fahrrad, Bus oder Mietwagen entdecken. Fahrradverleih und Mietwagen sind am Hafen oder Flughafen möglich. Mit Regionalbussen wird die komplette Insel erschlossen, alle starten von Visby aus.

Literatur

  • Svenska Kryssarklubben Gotlandkust, auf Schwedisch;
  • Törnführer Schweden 2, Delius Klasing Verlag, ISBN: 3-667-11660; 39,90 Euro
  • Hamnguiden 7 Landsort – Skanör. ISBN: 9788292284360; 82,90 Euro

Seekarten

  • Sjöfartsverket, Schwedische Serie Ostküste Karten Nr.: S;
  • Ostküste Schweden 2, Sportbootkarten Satz 12 von Delius Klasing
Die Insel Gotland.Foto: YACHTDie Insel Gotland.

1 Visby – Logenplatz in der Ostsee

Die größte Stadt auf Gotland ist bekannt für ihre gut erhaltene mittelalterliche Altstadt. Im Mittelalter war sie ­eine bedeutende Handelsmetropole der Hanse, seit 1995 gehört Visby zum UNESCO-Weltkulturerbe.

  • Landgang: malerische Altstadt und eine eindrucksvolle Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert. Beachclub, Cafés, Res­taurants, Kunsthandwerk. Besonders bekannt ist die Stadt für die „Mittelalterwoche“ (3.–10.8.2025), Europas größtes Mittelalterspektakel.
  • Nautisch: Im Innenhafen befinden sich der beliebteste Gasthafen Gotlands und der Fischereihafen. Reger Fährverkehr und Kreuzfahrtschiffe. Wassertiefe: zwei bis sechs Meter.

Der Hafen ist – außer bei starkem Südwestwind – gut geschützt. Ein Schlauchboot vom Hafenmeister weist freie Plätze zu oder vorher anmelden unter Tel. 07 36/00 63 00 oder mit der Dockspot-App. Gute Serviceeinrichtung, sehr zentral.

2 Lickershamn – im Norden ist Stille

Hafen in Lickershamn.Foto: Nico KraussHafen in Lickershamn.

Kleiner, gemütlicher Fischerhafen an der markanten Steilküste mit der bekannten Felsformation Jungfrun.

  • Landgang: Wanderung durch die Wald- und Heidelandschaft oberhalb der Klippen oder zum Kieselstrand. Sauna und Restaurant am Hafen.
  • Nautisch: 20 Liegeplätze an der nördlichen Mole, die – außer bei nordwestlichen Winden – guten Schutz bietet. Wassertiefe: zwei bis drei Meter (driftender Sand kann zu Veränderungen führen!).

3 Bläse – Kalksteinbruch und Industriedenkmal

Der kleine Anleger am Industriedenkmal von Bläse Kalkbruk ist erst auf den zweiten Blick ein spannender Spot. Hier wird die einst wirtschaftliche Bedeutung der Insel und die auf Kalk gegründete Landschaft sichtbar.

  • Landgang: Das Kalkstein-Museum, die historische Eisenbahn zum Steinbruch und ein Café sowie der breite Steinstrand und der nahe gelegene Opalsee.
  • Nautisch: Einige Plätze (längsseits oder mit Heckanker) an der alten Mole, oft im Päckchen. Versorgung mit Wasser und Strom begrenzt. Buchung und Zahlung über psidan.se. Unruhig bei Wind aus West und Nord. Ankern bei ruhigem Wetter südlich des Anlegers möglich auf drei bis sechs Meter.

4 Fårö – geologisches Erbe

Das Naturschutzgebiet Digerhuvud erstreckt sich entlang der Nordwestküste von Fårö, von Lauterhorn im Südwesten bis zum Fischerdorf Helgumannens im Nordosten.Foto: Nico KraussDas Naturschutzgebiet Digerhuvud erstreckt sich entlang der Nordwestküste von Fårö, von Lauterhorn im Südwesten bis zum Fischerdorf Helgumannens im Nordosten.

Auf der kleinen Insel nordwestlich von Gotland prägen die Rauken das Strandbild. Die über zehn Meter hohen Kalksteinsäulen sind Zeugnis eines großen Korallenriffs, das hier vor rund 490 Millionen Jahren lag.

  • Landgang: Mit dem Fahrrad, Bus oder Leihwagen lässt sich die Insel erkunden, eine Fähre fährt im Pendelverkehr nach Gotland. Highlight sind die mehr als hundert bizarren Kalksteinsäulen, die über Jahrtausende von Meer und Wind geformt wurden.
  • Nautisch: Kleiner Fischereihafen Lauterhorn mit etwa 25 Plätzen für Segelyachten bis 14 Meter, Wassertiefe: drei Meter. Serviceeinrichtung: einfach, kleines Restaurant und Café, Bushaltestelle fußläufig.

5 Sysne – Frischer Fang aus dem Ofen

Kleiner Fischereihafen und Räucherei in Sysne an der Ostküste.Foto: Nico KraussKleiner Fischereihafen und Räucherei in Sysne an der Ostküste.

Als Hafen kein Highlight, aber die Fischräucherei ist einen Besuch wert!

  • Landgang: Frischer Fisch aus der Fiskbutiken und das Fischereimuseum.
  • Nautisch: Sehr kleiner Hafen für etwa acht Yachten im Päckchen. Längsseits an der Pier vor dem Fischerboot auf etwa vier Meter Wassertiefe. Strom an Land, Trockentoilette und Wasser.

6 Stora Karlsö – geologische Trauminsel

Stora Karlsö ist eines der ältesten Naturschutzgebiete der Welt und berühmt für seine reiche Vogelwelt. Geologisch ist es ein Eldorado. Fossilien oder Steine dürfen nicht mitgenommen werden! Das prächtige Haus des Leuchtturmwärters aus den 1930er- Jahren ist nach französischem Vorbild erbaut und als Baudenkmal klassifiziert.

  • Landgang: Auf einem Rundwanderweg lässt sich die Insel am besten erkunden – Felsformationen, Steilküste und Grotten. Danach zum Lunch ins Restaurant oder ins Museum. Wer nicht auf eigenem Kiel zur Insel fährt, nimmt die Fähre von Klintehamn.
  • Nautisch: Im Norden der kleinen Insel ist eine Betonpier, an der die Fähre anlegt, es bleibt Platz für etwa drei Yachten bei einer Wassertiefe von anderthalb bis zweieinhalb Meter. Ein Riff nördlich der Insel schützt das Gebiet vor Wellengang, dennoch kann die Insel nur bei ruhigem Wetter angelaufen werden. Wasser, WC und Duschen in der Jugendherberge.

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