Andreas Fritsch
· 11.12.2023
In der Charterbranche gibt es nur wenige regelmäßig erhobene, konkrete Zahlen über den Markt. Die Branchenverbände der Agenturen geben anlässlich der Messen manchmal einige Zahlen bekannt, doch regelmäßige und tiefer gehende Analysen über die Buchungsentwicklungen sind selten. Zwar veröffentlichen einige Destinationen, wie etwa Kroatien, jährlich Eckdaten über die nautischen Besucher, Zahl der stationierten Charteryachten etc., doch da nur wenige andere Länder dies ebenso tun, sind die europäischen Märkte nicht sehr transparent. Zahlen von Agenturen sind da schon ein ganz guter Anhaltspunkt. Vor diesem Hintergrund ist eine Analyse der Online-Buchungsplattform Globesailor für das Jahr 2023 sehr interessant.
Die französische Firma mit mehreren europäischen Ablegern, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hat dafür Trends aus den 6.200 Buchungen abgeleitet, die über sie abgewickelt wurden. Dafür wurden die anonymisierten Kundendaten betrachtet. Allerdings sind nur knapp zwölf Prozent davon Daten von deutschen, österreichischen oder Schweizer Kunden, es ist also eher eine europäische Sicht auf den Chartermarkt. Federn lassen musste nach vielen Jahren des Wachstums offensichtlich Kroatien, das zwar immer noch Platz eins in der Kundengunst belegt, aber etwas schwächer geworden ist. Das mag an dem dort im Zuge der Euro-Umstellung für Dienstleistungen und Restaurantbesuche sehr ungleich gestiegenen Preisniveau liegen, vielleicht aber auch daran, dass viele Crews dort in den Pandemie-Jahren unterwegs waren und jetzt Abwechslung suchen. Griechenland hält seine starke Position auf Platz zwei, die es sich seit einigen Jahren langsam, aber stetig erobert hat. Auffällig ist auch, dass nach Jahren der schwachen Buchungen die Übersee-Reviere wieder zurückkommen. Die waren wegen komplizierter Regeln für die Anreise und teils lückenhafter Flugverbindungen 2021/22 etwas unter die Räder gekommen.
Auch das Verhältnis zwischen Kat- und Monohull-Buchungen scheint sich etwas zu bewegen.
Seit Jahren ging die Entwicklung da eigentlich nur in eine Richtung: nach oben. Es gab immer mehr Kats in den Flotten und Revieren, und die Kunden machten das auch durchaus mit, da die Raumwunder als ideal für viele Crews galten: Platz ohne Ende, ideal zum Ankern, keine Lage beim Segeln. Allerdings sind die Boote teurer als Monohulls, und gerade die Charterpreise für Kats sind zuletzt spürbar gestiegen. Auch die in manchen Revieren sehr hohen Liegegelder für Kats in Marinas mögen ein Kriterium sein. Vielleicht wollen die Chartercrews zur Abwechslung aber einfach mal wieder Monohull segeln, was ja doch für viele die ursprüngliche, sportlichere Art ist, über die sie zum Segeln gekommen sind.
Doch sind durchaus auch positive Trends für Kunden festzustellen: “Durch die gesunkene Nachfrage gibt es wieder mehr Last-Minute-Angebote mit teils stärkeren Rabatten”, so Kirsten Richarz, Country Managerin für die Gebiete Deutschland, Österreich und Schweiz von Globesailor. “In der Nach-Corona-Zeit war die Nachfrage so groß, dass die Flottenbetreiber das kaum nötig hatten, nun hat sich das wieder geändert.” Trotzdem ist das Fazit nicht negativ, die Charterbranche hat mittlerweile das Niveau der Vor-Corona-Zeit von 2019 wieder erreicht. Das kann im Tourismus längst nicht jeder Markt von sich behaupten.
2024 scheint mit solchen Vorzeichen für die Charterbranche also ein spannendes, vielleicht sogar herausforderndes Jahr zu werden. Die Zeit der einfach zu erzielenden zweistelligen Zuwächse nach den Corona-Jahren ist jedenfalls erst einmal vorbei. Die boot in Düsseldorf, traditionell die wichtigste Chartermesse in Deutschland, wird Ende Januar dann zeigen, wie 2024 wird. Nach der Messe ist für Agenturen und Flottenbetreiber meist schon ziemlich klar zu erkennen, ob es ein gutes oder schlechtes Jahr wird.