Der Osten des IJsselmeers liegt Friesland. Im Süden schließt dann die Provinz Flevoland an. Die Küste gehört nun zum Nordoostpolder, der zwischen 1936 und 1942 trockengelegt wurde. Das führte dazu, dass zwei Inseln plötzlich Festland wurden: zum einen das unbewohnte Schokland, dessen Umrisse, von Feldern vollständig umschlossen, noch heute auf Luftaufnahmen eindeutig zu erkennen sind. Inzwischen ist es Unesco- Welterbe. Zum anderen Urk. Sein geschäftiger Gemeindehafen blieb jedoch erhalten und ist heute beliebtes Ziel bei Seglern. Und wenn der Blick vom roten Leuchtturm aus über das IJsselmeer. schweift, kann man sich leicht vorstellen, noch immer auf einer Insel zu sein.
Apropos: Für die zwei verlorenen Eilande wurden zwei andere neu geschaffen – als Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen, aber auch als Erholungsgebiete Menschen, besonders Sportskipper: De Kreupel im IJsselmeer und die Marker Wadden im Markermeer. Letztere sogar komplett mit Dünen, Strand und Beach Bar. Ein kleines Paradies, das beweist, dass der Mensch Natur auch mitgestalten kann.
Über die Mündung des Ketelmeers, dem ersten der Randmeere, hinüber geht es zum Flevopolder. Von der Fläche her ist die größte künstliche Insel der Welt mit jener Berlins vergleichbar. Erst 1968 war die Trockenlegung abgeschlossen, alles ist also mehr oder weniger neu. Das gilt ganz besonders für den Hauptort Lelystad mit seinen knapp 80.000 Einwohner.
Um dennoch etwas Historie hineinzubringen, siedelte man die Bataviawerf hier an – komplett mit Museum und Shopping-Center, auf die Konstruktion von Schiffen des 17. Jahrhunderts spezialisiert , das „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande. Erstes Projekt war ein Nachbau des Ostindienfahrers „Batavia“ von 1628, das im Museumshafen liegt.
Der nächstgelegene Gasthafen zum Museum Batavialand ist die Deko Marina Lelystad, gleich nördlich der großen Houtribsluizen. Denn in Lelystad liegt das östliche Ende des Houtribdijk, der von hier nach Enkhuizen hinüberführt und das IJssel- vom Markermeer trennt.
An Backbord im Südwesten liegt nun das IJmeer, der letzte Zipfel der alten Zuiderzee, und die Zufahrt nach Amsterdam. Gut 20 Seemeilen wären es von den Houtrib- zu den Oranjesluizen, die die Einfahrt in den Hafen der Metropole markieren. Auf dem Markermeer ist aber nun Marken, die letzte historische bewohnte Insel der ehemaligen Zuiderzee.
Ansteuerungspunkt ist allerdings nicht der berühmte Leuchtturm Paard van Marken, sondern gleich die nördliche Spitze des langen Bukdijk, der in der Gouwzee, einer Bucht zwischen Insel und Festland, für ruhige Verhältnisse sorgt. Der kleine Hafen ist ebenso beschaulich wie das gesamte Eiland. Da ein Straßendamm Marken mit dem Rest der Provinz Noord-Holland verbindet, kann es im Sommer recht voll werden. Ursprüngliche Pläne, die Gouwzee ebenfalls in Land zu verwandeln, wurden zum Glück aber nicht weiterverfolgt.
Hätte man sie realisiert, hätten auch zwei weitere Häfen an der Bucht, die seit Jahrhunderten am Meer und vom Meer leben, viel von ihrem Charakter verloren: Monnickendam und Volendam mit dem benachbarten Edam, dessen Kaasmarkt im Juli und August ein Ereignis mit jahrhundertelanger Tradition ist – sehr zur Freude der Touristen.
Die nächsten beiden Orte an der Westküste verbindet eine lange Rivalität – Hoorn und Enkhuizen –, auch wenn sie heute durch das westliche Ende des Houtribdijk getrennt sind. Beide stehen sinnbildlich für das Gouden Eeuw, das goldene Zeitalter, in dem die Niederlande zur wirtschaftlichen Weltmacht aufstiegen.
Hoorn erwarb besondere Bedeutung, als die Vereinigte Ostindien- Kompanie in der Stadt einen Geschäftssitz errichtete und man damit in einer Linie mit Batavia, Nagasaki oder Kapstadt stand. Dazu trägt das berühmteste und berüchtigtste Kap der Welt Hoorns Namen.
Prächtige, vom Wasser weithin sichtbare Bauwerke, zeugen noch heute von dieser wohlhabenden Zeit, etwa das Hoofdtoren in Hoorn und das Drommedaris am Hafen von Enkhuizen. Von den zahlreichen Hoorner Häfen am Markermeer sind es knapp elf Seemeilen zum Naviduct Krabbersgat mit seiner Schleuse im Houtribdijk. Einmal zurück im IJsselmeer liegt Enkhuizen, wo sich auch das Zuiderzeemuseum befindet, nun gleich an Backbord.
Unsere Runde könnte im Middenhaven von Medemblik enden, der letzten Stadt vor dem Afsluitdijk, längsseits im ruhigen Schatten hoher Bäume. Jetzt warten nur noch die Stevinsluizen bei Den Oever – und die Nordsee dahinter. Wie immer schon. Als es die Zuiderzee noch gab und ihre Zähmung nicht mehr war als ein kühner Traum.