Für viele unserer Nachbarn ist Amsterdam die wichtigste Metropole ihres Landes. Kein Wunder, die Ausstrahlung und Anziehungskraft der Millionenstadt am IJ wirkt sogar weit über die Grenzen der Niederlande hinaus. Besonders als Reiseziel.
Doch in einer Hinsicht muss die im Binnenland gelegene Hauptstadt passen: Wasser gibt es zwar auch dort jede Menge, Strand aber nicht. Wer im Sand liegen oder sich in richtige Wellen stürzen will, muss an die Nordsee. Und wenn man dann noch auf Unterhaltung aus ist, gepaart mit ein wenig Kultur, kommt nur ein Ort infrage: Scheveningen.
Das größte Seebad der Niederlande wird nicht selten auch als die größte Partymeile des Landes bezeichnet. Die Einheimischen sind stolz auf diesen Titel. Was als Fischerdorf begann, mit Katen, die sich in die Dünen duckten und in schöner Regelmäßigkeit von Sturmfluten heimgesucht wurden, machte in den vergangenen zwei Jahrhunderten eine erstaunliche Verwandlung durch. 1818 eröffnete ein findiger Einwohner, der Reeder Jacob Pronk, das erste Badehaus. Besonders bei rheumatischen Leiden wurde den salzigen Fluten eine hohe Heilkraft zugeschrieben.
Pronk konnte sich schon bald im Erfolg sonnen: Sein erster Holzpavillon wurde durch Stein ersetzt, weitere Gebäude kamen hinzu, Nachahmer folgten, Hotels entstanden, verbunden von einer Promenade. Das prachtvolle, 1885 eröffnete Kurhaus lässt sich mit Fug und Recht als früher Wellness-Tempel bezeichnen. Heute beherbergt der nicht zufällig schlossähnliche, dreiflügelige Bau ein Grandhotel.
Noch immer ist das Kurhaus der optische Blickfang entlang des Strandwegs – so heißt die inzwischen rund zweieinhalb Kilometer lange Promenade. Sie reicht vom Oostduinpark im Norden bis zur befestigten Hafeneinfahrt im Süden. Das Kurhaus beeindruckt nicht nur mit seiner schieren Größe. Es hebt sich vor allem wohltuend ab von mancherlei Bausünden, die in den folgenden Jahrzehnten in erster, zweiter und dritter Reihe eine nach der anderen in die Höhe gezogen wurden.
Wer unter dem Sonnenschirm liegt oder unter der gespannten Persenning eines Beach-Clubs einen Mai Tai schlürft, stört sich daran allerdings nicht. Und was die Restaurants, Cafés und Bars betrifft, ist die Auswahl an Strand und Promenade endlos. Kulinarisch reicht sie einmal um den Globus, von Bitterballen met mosterd über Croquetas de bacalao bis hin zu Saté Ayam.
Auch in puncto Ambiente ist für jeden Geschmack etwas dabei: Karibikflair unter Palmen, Hardrock am Zapfhahn und Kerzenschein auf dem Tischtuch – es gibt in der Scheveninger Gastroszene fast nichts, was es nicht gibt.
Hauptattraktion ist aber ohne Frage De Pier, die 381 Meter lange Seebrücke. Auch wenn der Zahn der Zeit durchaus bereits an der einen oder anderen Stelle nagt, ist die Erkundung der beiden durchgehenden Etagen ein Erlebnis. Besonders auf dem Oberdeck bekommt man spektakuläre Eindrücke. Beispielsweise von den Springern, die sich vom Aussichtsturm am seeseitigen Ende der Seebrücke am Gummiseil todesmutig gen Nordsee hinabstürzen. Oder von der Zipline, die ihre „Fahrgäste“ im Sitzgurt mit über 70 Stundenkilometern zu Tal jagen lässt.
Und dann wäre da noch Skyview, das wohl einzige Riesenrad Europas, das gleichzeitig als Seezeichen dienen könnte. Bis in 50 Meter Höhe über dem Meer heben sich die geschlossenen Gondeln in den Himmel.
Hinter der Promenade sorgen das Kasino, einige Museen oder auch das Sea-Life-Aquarium für Kurzweil, sollte das Wetter einmal nicht mitspielen.
Drei gekrönte Heringe zieren das Wappen Scheveningens – bester Hinweis darauf, dass Fisch hier lange Zeit Thema Nummer eins war. Die Trawler, die ihm heute noch nachstellen, liegen im Eerste Haven. Der Tweede Haven gehört der Sportschifffahrt. Gäste kommen in seiner südlichen Hälfte unter, genauer: an der modernen Schwimmsteganlage des Jachtclub Scheveningen (jachtclubscheveningen.com). Hier gibt es vollen Service in modernem Umfeld, mit Restaurants und einem Supermarkt an der Doctor Lelykade.
Bei der Ansteuerung muss man vor den Molenköpfen der Hafeneinfahrt mit Querströmung rechnen. Das Einlaufen erfolgt nach Anmeldung bei der Verkehrszentrale auf UKW-Kanal 21 über den Buitenhaven, den Voorhaven, den Eerste Haven und über einen 200 Meter langen Verbindungskanal zum Tweede Haven.
Der Strand ist von hier aus etwa eineinhalb Kilometer entfernt, bis zur Seebrücke sind es rund drei Kilometer. Scheveningen ist genau genommen übrigens ein Stadtteil von Den Haag. Tatsächlich liegt der Regierungssitz der Niederlande mit seinem altehrwürdigen Parlament, den Ministerien und den modernen Hochhäusern, dem Zentrum mit zahlreichen Bars und Botschaften ebenfalls nur etwa dreieinhalb Kilometer landeinwärts und ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen.
Der Binckhorsthaven schließlich mit den Stegen der Watersportvereniging de Vlietstreek (wsvdevlietstreek.nl) nimmt Gäste auf, die auf den Binnenwasserstraßen Nordhollands unterwegs sind.