Revier-InfoYachtcharter Karibik: die British Virgin Islands

Andreas Fritsch

 · 15.01.2020

Revier-Info: Yachtcharter Karibik: die British Virgin IslandsFoto: YACHT/A. Fritsch
Yachtcharter Karibik: die British Virgin Islands

Der Archipel im Norden ist das beliebteste Revier der Karibik: geschützt, kurze Distanzen, perfekte Infrastruktur und einfache Navigation. Der perfekte Mix

ANREISE

Foto: YACHT

Die Hauptinsel Tortola ist ab Deutschland nicht mit Direktflügen zu erreichen, Crews haben daher drei Umstiegs-Varianten: Entweder nach St. Martin, meist via Paris (ohne Flughafenwechsel!) mit Air France oder alternativ mit KLM über Amsterdam. Danach geht es mit dem Inselhopper weiter nach Tortola. Die dritte Möglichkeit ist, nach Puerto Rico zu fliegen und dann dort umzusteigen. Der Vorteil ist, dass dies von Deutschland aus möglich ist. Allerdings hat die Strecke auch einen großen Nachteil: Puerto Rico gehört zu den USA, man muss also ein E-Visum beantragen, und da Puerto Rico kein internationales Transfer-Terminal hat, bleibt nichts anders übrig, als einzureisen, inklusive zeitraubenden US-Grenzformalitäten und Abholen des eigenen Gepäcks. Dann muss die Crew das Terminal wechseln, das Gepäck erneut aufgeben und durch die US-Sicherheitschecks. Ein zeitraubendes Prozedere. Das Ziel St. Martin geht deutlich fixer.

CHARTER

Sämtliche Charterstationen befinden sich auf Tortola: Road Harbour, Hodges Creek, Sopers Hole, Maya Cove – alle liegen nur ein paar Kilometer auseinander, mit dem Taxi ist man in etwa 30 Minuten dort. Das Angebot ist groß. Wie fast immer in der Karibik sind die Kats mittlerweile deutlich in der Überzahl, aber auch die Auswahl an Monohulls ist gut. Das Preisniveau in den BVI ist etwas höher als in den südlicheren Revieren der Karibik, da das überschaubare und gut geschützte Revier das liebste Ziel aller Crews ist.

Nicht mehr empfehlenswert ist ein Herübersegeln ins Revier von St. Martin (knapp 80 Meilen), was bis vor wenigen Jahren Crews mit Lust auf lange Schläge praktizierten, wenn ihr Lieblingsschiff im Revier ausgebucht war. Da die BVI 2017 eine hohe Steuer für Charteryachten aus anderen Regionen eingeführt haben (16 US-Dollar pro Tag und Person), lohnt sich der Aufwand fast nie.

  Wetterstatistik BVIFoto: YACHT
Wetterstatistik BVI

WIND & WETTER

Beste Reisezeit ist vom Ende der Hurrikan-Saison Ende November bis April. In dieser Zeit weht ein recht konstanter Passat aus Ost bis Nordost, meist mit 12 bis 25 Knoten, er bläst den Sir Francis Drake Channel entlang. Bis Mitte Dezember ist die Wetterlage etwas instabiler als während der restlichen Segelsaison. Von April bis Juni tendenziell weniger Wind. Im Dezember und Januar können die sogenannten Christmas Winds auftreten, die etwas stärker und dann auch aus nördlichen Richtungen kommen können. Sie sind verbunden mit dem Durchzug von dichten Wolken und starken Schauern aus dieser Richtung und kündigen sich durch einen kräftigen Abfall des Luftdrucks an.

Immer rechnen müssen Crews in tropischen Revieren mit plötzlichen Schauern oder Gewittern mit entsprechend Böen, die aber nicht von langer Dauer sind.

Wetterberichte holen sich die meisten Crews über die üblichen Apps wie Windy oder Windfinder Pro. In den französischen Revieren ist man im EU-Roaming. Vor anderen Inseln kann es teurer werden, viele Crews nutzen dann WiFi-Netze in Bars oder Restaurants.

Schöne Ankerplätze vor Palmenstränden, wie hier etwas östlich von The Bath, gibt es überall
Foto: YACHT/A. Fritsch

Die Hurrikan-Saison geht offiziell vom 1. Juni bis 30. November.

NAVIGATION & SEEMANNSCHAFT

Die BVI gelten zu Recht als das einfachste Karibikrevier. Die Gewässer im Sir Francis Drake Channel zwischen Tortola und den vorgelagerten kleineren Inseln bieten Schutz vor dem Schwell des Atlantiks und zu viel Wind. Die Entfernungen sind sehr kurz, in ein, zwei Stunden ist immer der nächste gute Platz erreicht.

Das Revier ist relativ gut betonnt und navigatorisch nicht zu anspruchsvoll, es gibt nur wenige schwierige Anfahrten, etwa das zur Versandung neigende Fahrwasser nach Anegada, die Savanna Bay auf Virgin Gorda o. ä. Bei der Anfahrt an solche Ankerplätze müssen sich Crews wegen der Riff-Köpfe auf die sogenannte "Eyeball-Navigation", also die Ansteuerung nach Sicht verlassen. Die funktioniert nach der Wasserfarbe. Tiefes Wasser ist blau, grünes oder türkises Wasser etwa fünf bis acht Meter tief, braunes und graues Wasser deutet auf Steine oder Korallenköpfe hin. Wichtig ist außerdem, dass dies nicht gegen die, womöglich sogar noch tief stehende Sonne möglich ist. Entsprechend muss die Anfahrt nach Tageszeiten geplant werden.

Bei der Ansteuerung von Häfen und Fahrwassern ist zu beachten, dass in der Karibik das Lateralsystem zur Kennzeichnung umgekehrt zum europäischen ist (IALA-B): Von See ins Fahrwasser einlaufend finden sich an der Steuerbordseite rote Tonnen statt grüner.

Die meisten Charterfirmen verbieten das Segeln im Dunklen. Man sollte also zusehen, dass man bis etwa fünf oder auch schon vier Uhr Hafen oder Ankerplatz erreicht hat. Ausnahmen sind auf Anfrage möglich. Teils müssen aber auch große Abstände zu den Uferbereichen eingehalten werden.

HÄFEN & ANKERPLÄTZE

Die meiste Zeit werden Crews an Bojen festmachen, denn viele Buchten sind mit Bojenfeldern versehen, das Ankern dazwischen ist fast immer verboten. Die Nacht an den Tonnen kostet um die 30 US-Dollar, dem gängigen Zahlungsmittel im Revier. Der Obolus wird entweder von Angestellten in Booten kassiert, manchmal muss der Skipper ihn auch am Strand in einer Bar oder einem Restaurant entrichten. Oft befinden sich dort auch Landestege für die Dingis.

LITERATUR & SEEKARTEN

"Cruising Guide to the Virgin Islands" von N. und S. Scott, ca. 40 Euro, erhältlich im Fachhandel (z. B. Hansenautic). Sehr gut sind die Seekarten und der Cruising Guide des NV-Verlags, Satz 12.1. "Virgin Islands" und "Cruising Guide Virgin Islands", 89 bzw. 29,80 Euro.

REVIERCHARAKTERISTIK

Das nördlichste Charter-Karibik-Revier vereint viele Superlative: Es bietet traumhaft schöne Strände in Buchten mit Palmen und urigen Beach-Bars, glasklares türkises Wasser, eine perfekte Infrastruktur und geschütztes Segeln. Kein Wunder, dass die Virgin Islands das beliebteste Ziel der deutschen Chartercrews sind. Wer keine Lust auf lange Schläge von 20 oder 30 Meilen zur nächsten Insel im Passat samt Schwell hat und den Aufwand des Ein- und Ausklarierens scheut, ist hier genau richtig, denn man bleibt immer in den Gewässern der BVI. Den aufwändigen Wechsel in die US Virgin Islands vollzieht kaum eine Crew. Selten segelt man mehr als ein paar Stunden, der Schwerpunkt vieler Crews liegt auf Relaxen, Baden und Schnorcheln und dann dem Abend am Strand in Restaurants oder Bars.

Es gibt keine aufdringlichen Boatboys wie etwa in den Grenadinen und praktisch keine Kriminalität. Die Inseln sind für ihre urigen Bars und Partys berühmt, zum Beispiel "Foxy's" auf Jost van Dyke oder der Full Moon Party in der Trellis Bay. Wer es etwas derber mag, für den ist "Bombas Shack" und das Party-Schiff "Willy T" vor Norman Island das Richtige. Die BVI stehen für den unbeschwerten Karibik-Spaß vor traumhaft schöner Kulisse, ideal auch für Karibik-Einsteiger. Die Crews treffen sich zur Happy Hour an den Bars am Strand, man kommt sofort mit Seglern aus aller Welt ins Gespräch und danach geht es in eins der schönen Restaurants am Strand zum Essen oder zum Barbecue. Das Revier ist nautisch einfach, fast immer wird auf Sicht gesegelt, es gibt nur wenige heikle Riff-Durchfahrten.

Das führt allerdings auch dazu, dass die Virgin Islands entsprechend gut besucht sind. In der Hochsaison sind die Bojenfelder und Ankerplätze rasch besetzt, man ist nie allein, und wer an beliebten Spots wie etwa Cooper Island oder The Baths nach 13 Uhr ankommt, hat kaum noch eine Chance auf einen Liegeplatz. Auch die Preise für Yachten liegen hier etwas über dem Niveau der anderen Ziele. Generell ist das Preisniveau in der Karibik deutlich höher als in Europa, und kulinarisch wird weiter südlich auf den französischen Inseln oft mehr geboten.

Wer 10 bis 14 Tage hier segelt, kann problemlos das ganze Revier schaffen, inklusive des einzigen langen Schlags raus zur flachen Koralleninsel Anegada. Es kommen aber auch Crews für nur eine Woche – die BVI sind das einzige Revier, in denen das wirklich noch sinnvoll möglich ist. Wer es sportlich mag, kann zur BVI-Spring-Regatta kommen, allerdings sind die Kult-Karibik-Regatten weiter im Süden des Reviers zu finden.