Steinhuder MeerVerschlammung bedroht Segelsport

Jill Grigoleit

 · 21.08.2025

Die Verlandung am Steinhuder Meer schreitet immer weiter voran.
Foto: VESM, Verein zum Erhalt des Steinhuder Meeres
Das Steinhuder Meer, Niedersachsens größtes Binnengewässer, steht vor existenziellen Herausforderungen. Sinkende Wasserstände und zunehmende Verschlammung bedrohen den Wassersport. Für die 5.000 registrierten Boote und 24 Segelvereine wird die Situation immer kritischer. Ein Verein kämpft für den Erhalt des traditionellen Segelreviers.

Nur wenige Tage Sommerhitze reichen inzwischen aus, um den Wasserstand des flachen Sees auf kritische Werte sinken zu lassen und das eigentliche Problem zutage treten zu lassen: den Schlamm. Und das nicht mehr nur rund um die Stege und in den Uferzonen. Auch mitten im See entstehen Schlamminseln. “Erst vor drei Wochen ist ein Segler bei einer Regatta auf einer Schlamminsel aufgesetzt”, berichtet Ernst Greten, Vorsitzender des Vereins zum Erhalt des Steinhuder Meers (VESM). “Wenn das so weiter geht, können wir hier keine fairen Regatten mehr abhalten. Eine Katastrophe für den Segelsport in der Region.”

Die Wettfahrtvereinigung Steinhuder Meer organisiert jährlich rund 40 Regatten, darunter regelmäßig deutsche und europäische Meisterschaften. Die Bedeutung des Reviers für die regionale Identität und Wirtschaft ist kaum zu überschätzen. Der Verein setzt sich deshalb dafür ein, die alten Strömungsverhältnisse, wie sie noch in den 1960er Jahren herrschten, wieder herzustellen und der Verschlechterung Einhalt zu gebieten. Dafür müsste die Sandbarriere in den Deipen entfernt werden und die verschlammten tieferen Bereiche müssten zeitnah vom Schlamm befreit werden, so die Forderung des Vereins.

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Ursachenforschung: Was haben die Deipen damit zu tun?

Einst verlief die Leine durch das Steinhuder Meer, wodurch Tiefenrinnen - die sogenannten "Deipen" - entstanden sind. Der vorherrschende Westwind trieb den aufgewirbelten Schlamm nach Osten, der dann in den drei Meter tiefen Deipen durch die Unterströmung wieder nach Westen transportiert wurde. Dadurch verlagerte sich das Steinhuder Meer in den letzten 10.000 Jahren von West nach Ost. Doch nun deutet alles darauf hin, dass eine menschengemachte Sandbank entstanden ist. “Schlamm gab es immer schon,” erzählt Greten, “doch nur westlich von Wilhelmstein. Als wir in den 1960er/70er Jahren hier gesegelt sind, gab es im Osten noch Wellen. Irgendwann wurden diese immer weniger. Eine Tiefenmessung im Jahr 2019 hat gezeigt, dass die Deipen versandet sind und das Wasser nicht mehr abfließen kann.”

Die durch die Sandbank weggefallene Strömung in den Deipen kann organische Substanz nicht mehr ausreichend abbauen. Deshalb gibt es eine deutlich höhere Schlammbildung als früher. Als mögliche Ursache der Sandbank werden Umpumpmaßnahmen innerhalb des Meeres vermutet. Auch die Uferströmung wird behindert, sodass sich dort mehr Ablagerungen bilden. Kurz gesagt: die fehlende Strömung führt zu mehr Schlamm.

Eine andere Vermutung für den zunehmenden Schlamm waren Algen aufgrund von Einträgen aus der Landwirtschaft. Ernst Greten dazu: “Anders als zum Beispiel beim Dümmer, gibt es beim Steinhuder Meer keine nennenswerten Einträge aus der Landwirtschaft weil es kaum angrenzende Landwirtschaft und keinen Zufluss gibt. Abgesehen davon sind die Algen für den Wassersport auf dem Steinhuder Meer auch von Vorteil, denn sie halten das Wasser trüb und in trübem Wasser wachsen weniger Wasserpflanzen.” Um die Jahrtausendwende habe es einige Jahre weniger Algen gegeben und das Wasser sei plötzlich ganz klar geworden - zunächst zur Freude aller. Doch dann kam die Schmalblättrige Wasserpest. Sie vermehrte sich explosionsartig. Der halbe See war mit einem nahezu geschlossenen grünen Teppich bedeckt, der das Segeln unmöglich machte.

Die Auswirkungen des Schlamms

Wegen der fehlenden Unterströmung verlandet das Meer von der Mitte her und viel schneller als früher. Bei den im Sommer herrschenden niedrigen Wasserständen wie jetzt, wird der Schlamm sichtbar. “Kurz- bis mittelfristig geht uns das Steinhuder Meer als Kulturgut und Wirtschaftsfaktor für Tourismus, Freizeit, Sport, Naturschutz, Fischerei und als ökologisches Biotop verloren”, so der Verein auf seiner Homepage. Betroffen sind nicht nur die Freizeitsegler, sondern auch die kommerziellen Anbieter von Ausflugsfahrten, die einen wichtigen Teil der touristischen Infrastruktur darstellen. In der Bucht südöstlich der Badeinsel sind bereits mehrere Stege aufgrund der Verschlammung verlandet und unbenutzbar geworden. Hinzu kommt der seit Jahren sinkende Wasserstand in Hitzeperioden. Im Juli 2025 wurde am Pegel Wilhelmstein ein Stand von nur 93 Zentimetern gemessen – rund 30 Zentimeter unter dem Sollwert. Noch dramatischer war die Situation im Jahr 2018, als der Wasserstand sogar um fast 50 Zentimeter absank. Kapitäne von Ausflugsschiffen, Skipper und Stegeigner verzweifeln angesichts der Situation, die die gesamte Saison gefährdet – und das kurz vor dem traditionellen Höhepunkt "Steinhuder Meer in Flammen", welches an diesem Wochenende (22. bis 24.08.2025) ansteht.

Lösungsvorschläge

​Zwar werde jedes Jahr abgepumpt, doch mit rund 40 Tausend Kubikmetern viel zu wenig, so Greten. Eigentlich würden damit gerade so die jährlichen Auswirkungen beseitigt und das auch nur punktuell um die Stege herum. Das koste unnötig viel Geld auf viele Jahre und wäre ein Kampf gegen Windmühlen. “Um das Steinhuder Meer nachhaltig zu retten, müssten rund fünf bis acht Millionen Kubikmeter abgepumpt werden und zwar auch aus den tieferen Bereichen.” Aber wohin mit all dem Schlamm?

Als Lagerfläche schlägt der VESM eine an das Steinhuder Meer angrenzende Moorfläche vor. “Natürlich würden wir nie vorschlagen, ein intaktes Moor als Lagerfläche zu nutzen”, so Greten. “Aber hier wird immer noch Toorf abgebaut. Das Moor ist kaputt. Man könnte den Schlamm in den abgetorften Moorpolder, in die entstandenen Löcher, pumpen. Versuche haben gezeigt, dass die Moorpflanzen auf dem Schlamm gut gedeihen.” Man könne den Bereich renaturieren und hätte sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Fläche des Moores beträgt rund 20 Quadratkilometer, benötigt würden nur etwa 0,5 bis ein Quadratkilometer Fläche. Es müssten keine Bäume gefällt werden, es falle kein Flächenverbrauch an, was die Entschlammungskosten drücken werde. Der gefüllte Polder könne sehr schnell wachsen, erzeuge Sauerstoff und sei gut für das Klima. Das abgetorfte Gebiet sei von Dämmen umgeben, mögliches Schwermetall werde auch nicht ausgewaschen. Gefördert werden könnte die Rettung des Meeres auch mit einer EU-Förderung, schlägt der Verein weiter vor. Am 9. Oktober ist eine große Podiumsdiskussion mit allen Akteuren auf der Bühne geplant. Dann könnte sich entscheiden, ob der Segelsport auf dem Steinhuder Meer eine Zukunft hat.


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