Andreas Fritsch
· 06.02.2020
Das Herz des Ägäis besteht aus den Inseln südlich von Athen bis zum abgelegenen Santorin. Sehr abwechslungsreiche Inseln, die seglerisch anspruchsvoll sind
CHARTER Start in der Regel ab Athen oder Lavrion. Das Angebot an Charterflotten dort ist riesig. Vielfach kleine Übergabe-Basen auf weiteren Inseln wie Paros, Mykonos oder Syros, doch meist ist die Anreise dorthin kompliziert. Direktflüge gibt es praktisch nicht, man muss in Athen umsteigen oder mit der Fähre fahren, was lange dauert oder sogar erst am nächsten Tag möglich ist. Oneways sind machbar, etwa nach Kos (Dodekanes) oder Paros, aber relativ teuer (ca. 500 bis 750 Euro Aufpreis). Bei Zwei-Wochen-Törns sind die Flottenbetreiber aber oft in der Lage, eine Lösung zu finden, besonders wenn das Schiff nicht weit im Süden zurückgegeben wird. Solche Rücktörns sind oft günstiger zu bekommen – doch die gehen von Süd nach Nord gegen den vorherrschenden Wind.
ANREISE Flüge nach Athen ab vielen deutschen Flughäfen, Preise ab ca. 300 Euro. Transfer nach Athen oder Lavrion ca. 30-40 Minuten Taxifahrt. Viele der Inseln nur mit Umstieg in Athen erreichbar, nicht immer geht der Flug am selben Tag!
WIND & WETTER Ab Juni baut sich der Meltemi auf, im Juli und August erreicht er seine größte Stärke und lässt dann bis Ende September wieder nach. Er weht zu ca. 80 Prozent aus Nordost in den nördlichen Kykladen und dem Südwesten, in der Mitte eher aus Nord. Da er sich aus dem dem großen, stabilen Hitzetief über dem türkischen Festland und einem Hoch westlichen Mittelmeer speist, ist er sehr stabil von Juni bis September. Meist weht Meltemi mit 5 bis 6 Beaufort, mitunter fällt er aber auch deutlich heftiger aus und kann tagelang durchhalten, auch mit 8 bis 9 Windstärken. Alte Daumenregel: Wer in der Meltemi-Zeit gen Süden segelt, sollte zwei Drittel der Törnzeit für den Rückweg einplanen! Also erst große Schläge nach Süd, dann kürzere zurück, da es öfter Am-Wind-Kurse werden.
Vorsicht vor Düsen- und Kapeffekten: Zwischen den Inseln verstärkt sich der Wind teils um ein bis zwei Windstärken, es gibt auch Fallböen in Lee, da eine ganze Reihe Kykladeninseln relativ bergig sind. Solche Effekte bringen auch deutliche Winddreher. In der Karte sind einige wichtige Meltemi-Düsen verzeichnet. Kluges, vorausschaundes Reffen ist dort wichtig. In Vor- und Nachsaison weht entweder eine leichtere Nordwind-Variante oder eine südliche Seebrise. Als Sturm kann der Scirocco aus Süd besonders in Vor- und Nachsaison stark wehen.
Gute Wetter- und Seegangs-Vorhersagen gibt es auf der Seite des griechischen Wetterdienstes Poseidon (www.poseidon.hcmr.gr) und den üblichen Quellen wie Windy (www.windy.com) oder Windfinder (www.windfinder.de) sowie deren iOS- und Android-Apps.
HÄFEN & ANKERN Meist einfache Kommunalhäfen mit Piers, an denen man vor Buganker festmacht, in der Nebensaison auch mal längsseits. Strom und Wasser gibt es häufig, Letzteres teils per Tankwagen, genau wie Diesel. Oft keine oder nur einfache Sanitäranlagen. Hilfe von Marineros beim Anlegen ist nicht selbstverständlich. Festgemacht wird entweder mit Buganker und Heck zur Pier oder teils Muringleinen. Mal wird Hafengeld kassiert, mal nicht, doch Griechenland ist sehr günstig, für ein 43-Fuß-Boot werden zirka 15 bis 30 Euro fällig. Eine Vielzahl sehr schöner, gut geschützter Ankerbuchten, mal einsam, mal mit Bar und Taverne am Strand. Die Auswahl ist riesig, und es gibt bis auf einige Hot-Spots auch fast immer genug Platz und oft genug sogar einsame Plätze! Landleinen werden eher selten ausgelegt, da niedrige Wassertiefen und gut haltender Grund keine Seltenheit sind. Keine kostenpflichtigen Bojenfelder.
NAVIGATION & SEEMANNSCHAFT Meltemi und Fallböen können Hafenmanöver und Ankern anspruchsvoll
machen. Gute Planung ist dann das Erfolgsrezept. Immer viel Kette stecken und den Anker gründlich einfahren und im Hafen kräftig durchsetzen, damit mögliche auftretende Meltemi-Phasen oder nächtliche Fallböen sicher abgewettert werden können. In manchen Häfen gefährden Steine kurz vor der Mole die Ruder bei Schwell.
Navigatorisch ist das Revier relativ einfach, auch wenn es Flachs gibt, die nicht so gut betonnt sind wie im westlichen Mittelmeer. In den Häfen manchmal beim Auslaufen Ankersalat, wenn Crews die Ketten übereinander gelegt haben. Gezeiten sind vernachlässigbar, meist nicht mehr als 20 bis 40 Zentimeter, Ausnahme sind viel Winddruck und sehr flache Buchten.
Die Distanzen zwischen den Inseln sind oft größer, um die 20 bis 25 Seemeilen; weht der Meltemi länger, kann der Seegang dort entsprechend hoch sein. In der Regel ist er aber wegen der hohen Wassertiefen relativ lang gezogen, nicht so kurz und steil wie etwa in der Adria oder Ostsee und dadurch außer bei Sturmstärken gut händelbar.
SEEKARTEN & LITERATUR
Die besten Seekarten sind die von dem griechischen Sportbootkarten-Produzenten Eagle Ray und dem britischen Pendant Imray. Erstere haben sehr gute Hafeninfos und auch Fotos, Letztere sind wegen ihres übersichtlichen und bewährten Kartenbildes beliebt. Revierführer auf Deutsch: Rod Heikell: Griechische Küsten, Edition Maritim. Auf Charteryachten liegt meist die englische Version aus.
Kaum anderswo im Mittelmeer sind benachbarte Inseln derart unterschiedlich und zugleich derart reizvoll. Einige ragen schroff und steil aus dem Meer empor. An ihren Hängen oder oben auf den Bergkämmen thronen teils uralte Dörfer aus typisch weiß gekalkten Häusern mit den blauen Türen und Fenstern. Andere sind flache Eilande und locken mit idyllischen Buchten und hübschen Fischerdörfern. Dann gibt es die hippen Tourismus-Hot-Spots wie Mykonos oder Ios, berühmt-berüchtigt für ihr ausgelassenes Party- und Nachtleben. Nicht minder beliebt ist Santorini mit seiner spektakulären Altstadt am Hang eines alten, halbmondförmigen Vulkankraters. Gemein ist fast allen Inseln, dass sie karg und felsig sind, der trockene, beständige Sommerwind Meltemi dörrt die Inseln seit Jahrhunderten regelrecht aus.
Daneben gibt es viele kleinere und meist weniger bekannte Inseln, deren malerische Hafenorte gleichfalls sehenswert sind: Naoussa auf Paros, Ermoupolis auf Syros oder Kamares auf Sifnos. Ganz zu schweigen von den vielen ruhigen Buchten, an deren Ufern sich meist ein paar kleine Tavernen oder ein kleines Dorf findet und wo das Leben so herrlich entspannt und einfach abläuft. Das gilt besonders für die kleinen Inseln ohne Flughafen, wie Sifnos oder Kythnos. Nirgendwo lässt sich so gut Entschleunigung praktizieren wie hier.
Richtig ist, dass die Distanzen zwischen den Inseln größer sind als im benachbarten Dodekanes oder gar dem Ionischen Meer. Um die 20 bis 25 Seemeilen sind des Öfteren zurückzulegen. Das aber ist kein Problem, weht doch fast immer ein guter Wind zum Segeln. In der Vor- und Nebensaison, wenn es meist moderat mit drei bis vier Windstärken weht oder gar Thermik vorherrscht, sind die Kykladen ein Traumrevier auch für Crews, denen nicht der Sinn nach einem Starkwind-Törn steht. Und für den Hochsommer mit seinem Meltemi gilt die Faustregel, zwei Drittel der Charterzeit für den Rückweg einzuplanen. Wer das beherzigt, wird selbst dann nicht in Zeitnot geraten, wenn der ein oder andere Hafentag eingelegt werden muss.
Generell sollten Crews, die von Mitte Juli bis Ende August auf Törn gehen, aber Lust auf sportliches Segeln haben, und auch eine nasse Kreuz nicht scheuen. Immerhin, auf tiefblauem Wasser und in langer Welle kann das jede Menge Segelspaß bereiten. Nicht zuletzt spricht noch etwas für die Kykladen: Die Liegegelder liegen weit unter dem Preisniveau Kroatiens, Italiens oder Mallorcas. Buchten mit teuren Ankerbojen gibt es nicht. Und auch Restaurantbesuche schlagen oftmals mit nur 15 bis 20 Euro pro Kopf zu Buche. Kurz, das Revier ist mit Abstand das günstigste im ganzen Mittelmeerraum.
AUSFÜHRLICHE YACHT-REVIERGESCHICHTEN KYKLADEN IM DOWNLOAD