Der Anflug auf das kleine Eiland ist spektakulär. Wegen der Mini-Piste, die an beiden Enden vom Ägäischen Meer begrenzt wird, setzt der Pilot so tief zur Landung an, als wolle er die Verklicker der ein- und auslaufenden Segelyachten rasieren. Es folgt eine ohrenbetäubende Vollbremsung, die den Adrenalinpegel schlagartig in die Höhe treibt. Doch alles ist gut. Im nächsten Moment erklingt von der Stewardess ein beruhigendes „Welcome to Skiathos!“. Mit dem Taxi sind es danach nur wenige Minuten in den Hafen der gleichnamigen Insel, die das touristische Zentrum der Sporaden bildet. Hier befindet sich der Charterstützpunkt in Form eines betagten Schwimmstegs, an dem auch einige Fischerboote liegen.
In der Hochsaison pulsiert ringsum das Nachtleben, was den vielen Bars, Restaurants und Clubs rund um den Hafen geschuldet ist und den Geräuschpegel bis in den Morgen nicht abebben lässt. Viele Crews suchen daher schnell das Weite. In der Nebensaison hingegen ist es ruhig, da hat ein Bummel durch den südlichen Teil der Altstadt mit seinen verwinkelten Gassen durchaus seinen Reiz.
Allgegenwärtig ist „Mamma Mia!“, das Kult-Musical mit Hits der schwedischen Band Abba, ob im ständigen Programm des Freilichtkinos oder als Namensgeber für die örtliche Bäckerei. Der Grund: Das Bühnenstück wurde auf Skiathos und auf der Nachbarinsel Skopelos verfilmt, mit Starensemble in traumhaft schönen Buchten. Letztere wollen auch wir sehen. Anker auf!
Mit Hilfe des Düseneffekts rauscht unsere Bavaria C42 mit acht Knoten über die Steno Skopelou, die tiefe Meeresenge zwischen Skiathos und Skopelos. Die Düse braucht man im Sommer nicht, dann steht hier kräftiger Meltemi. Im Herbst aber lässt der Nordwind deutlich nach und übersteigt nur noch selten 4 Beaufort. Eher ist mit Flautentagen zu rechnen.
Mittags fällt der Anker in der dicht bewaldeten Bucht südlich des Fischerhafens Agnontas auf Skopelos. Zwar gibt es eine rustikale Mole zum Festmachen, doch der Wind aus Nordwest verursacht dort unangenehmen Schwell. Stattdessen wird das Dingi zu Wasser gelassen, um am Strand vor den Tavernen anzulanden. Mit Blick auf Bucht und Boot lässt sich der erste Landfall entspannt bei einem kalten Getränk genießen.
Zum Abend runden wir erst den lieblichen Süden der Insel, um anschließend die westliche Durchfahrt der Steno Alonnisou kreuzend zu passieren. Dort ragen schroffe Felswände fast lotrecht aus dem Meer – eindrucksvoll! Im gut geschützten Hafen von Skopelos-Stadt liegen wir dann inmitten einer lebensfreudigen Flottille rumänischer Chartercrews, deren Mitglieder alle in pinken T-Shirts stecken.
Von ihnen bekommen wir die Info, dass Chipkarten für Landstrom im nahen MiniMarkt „Puesto“ zu haben sind. Direkt daneben liegt unter einer großen Platane die Bar-Lounge „Lethe Bohemian“, die mit einem Klangmix aus fröhlichem Vogelgezwitscher und entspannter Musik die Segler magisch anzuziehen scheint. Kein Wunder, die Drinks sind formidabel, und das Hafenambiente traumhaft. Doch Vorsicht beim Versacken, die Preise haben es in sich!
Zurück an Bord, erwartet uns ein weiteres Sound-Erlebnis: traditionelle Livemusik, Reggae, Pop und Bossa Nova ergeben einen babylonischen Singsang, der aus den verschiedenen Lokalen übers Wasser getragen wird. „Das ist der Talkessel des musikalischen Wahnsinns“, kommentiert Mitsegler Hajø trocken und schenkt noch eine weitere Runde Ouzo aus.
Die herzliche Gastfreundschaft der Griechen ist kaum zu übertreffen – auch nicht am Ende einer langen Saison.”
Auch am helllichten Tage wird die Stadt ihrem Ruf als Perle der Sporaden gerecht. Je weiter man sich in den steil ansteigenden Gassen hocharbeitet, desto ruhiger wird es. Da viele Wege für Autos unpassierbar sind, werden einige Dienste wie die Müllabfuhr heute noch mit dem Esel erledigt. Die weiß getünchten Häuser werden von Orangenbäumen, Wein oder Oleander verziert und von schnurrenden Katzen flankiert. Von der Kirche Panagitsa von Pyrgos, die seit 1660 auf einem Felsen thront, ergibt sich ein schönes Panorama über den Hafen und den steinigen Stadtstrand.
Für einen Ausflug zu den weitaus schöneren Stränden oder zum Wallfahrtsort aller „Mamma Mia!“-Fans, der Agios-Ioannis-Kapelle im Norden der Insel, lohnt es, ein Moped oder Auto zu mieten. Wir bleiben jedoch in der Stadt und besuchen die einzigartige Modellschiff-Ausstellung der Familie Bountalas (siehe links).
Am nächsten Morgen weht der Wind aus Nordost, was nicht ungewöhnlich ist, angesichts unserer geplanten Route aber Wind gegenan bedeuten würde. Da dies laut Wetterprognose zudem der letzte Tag mit segelbarem Wind sein soll, beschließen wir, einen Umweg zu der im Osten liegenden Insel Skantzoura zu machen. Die liegt wie einige der anderen Inseln im Nationalpark. Über Nacht zu ankern ist verboten. Als Zwischenstopp für den nächsten Schlag nach Norden ist Skantzoura aber prima gelegen.
»Zwischen den grünen, dicht bewaldeten Inseln riecht es auf dem Meer angenehm nach Pinien, Zypressen und Kiefern«
Nach entspannten 18 Seemeilen auf Steuerbordbug erreichen wir das Eiland und entdecken ganz im Süden eine schmale Bucht. Da wir nur kurz ins Wasser springen wollen, fällt lediglich der Anker, und die ansonsten obligatorische Landleine bleibt in der Backskiste. Die wahre Schönheit dieser Bucht offenbart sich erst aus der Drohnenperspektive: Wie ein Stachel dringt das türkisblaue und kristallklare Wasser in die grüne, dicht bewachsene Felslandschaft ein.
Nach der zweiten Tagesetappe von knapp 20 Seemeilen und dem letzten Wind läuft unsere „Silver VII“ schließlich in die Südwestbucht der sogenannten Ziegeninsel Kyra Panagia ein. „Das wird ja immer besser“, begeistert sich die Crew einstimmig nach dem ausgiebigen Segeltag. Die weiträumige Bucht hat mehrere gute Ankerplätze, die jedoch bei Winden aus den westlichen Quadranten anfällig für Schwell sind. Wir entscheiden uns für einen Platz im Norden, der zusätzlich von einem vorgelagerten Inselchen geschützt ist. Auch hier klarstes Wasser in den schönsten Blautönen – und mehr noch: Wir haben den Platz ganz für uns allein!
Einzig Mitsegler Olli guckt ein wenig betrübt, wohl wissend, dass die verbleibenden Tage nur noch motort werden kann. „Dann schonen wir wenigstens die Segel“, entfährt es ihm, bevor er mit einem lauten Schrei ins Wasser springt. Beim Schnorcheln gibt es Fische unterschiedlichster Couleur zu entdecken. Doch Vorsicht : Neben stacheligen Seeigeln trifft man mitunter auch auf Bart-Feuerborstenwürmer, deren Borsten giftig sind und mehrere Tage lang Schmerzen verursachen können.
Pelagonisi, wie die ursprüngliche Insel auch genannt wird, darf von Touristen nicht mehr betreten werden. Eine Ausnahme bildet der Besuch des hochgelegenen Klosters, zu dem eine teils steile Treppe aus der kleinen Monastiri-Bucht hinaufführt. Auch wenn der Mönch seine Pforten nicht öffnen sollte, der Aufstieg vorbei an Olivenbäumen und Macchia wird mit einer herrlichen Aussicht belohnt.
Den besten Schutz vor Wind und Welle bietet die fast vollständig geschlossene Bucht Planitis im Norden, die über eine schlauchförmige Einfahrt angesteuert wird. Schnorchler kommen hier nicht auf ihre Kosten; der gute Ankergrund scheint seinen Tribut gezollt zu haben und macht leider einen abgestorbenen Eindruck. Immerhin können wir auch hier ungestört den klaren Sternenhimmel beobachten und die Ruhe genießen. Die Einzigen, die noch etwas zu meckern haben, sind die wilden Ziegen.
Zurück in der Zivilisation, steuern wir den kleinen Fischerhafen von Steni Vala auf Alonnisos an. Da Liegeplätze rar sind und die Restaurants einen guten Ruf genießen, lohnt es, frühzeitig anzukommen. Beim Anlegen mit dem Heck an der Pier ist Achtsamkeit geboten, da es Steine gibt und der Grund rasch ansteigt. Hilfe bekommen wir vom Mini-Markt-Besitzer Kostas Mavrikis, der auch Taucher und ausgewiesener Wrackexperte der Sporaden ist.
Tausende Schiffe aus allen Epochen sollen im Archipel auf Grund liegen. Das berühmteste davon ist das Wrack von Pethamenos, das in einem Bett aus unzähligen Amphoren ruht und zu dem Mavrikis seit seiner Jugend tauchen geht. Seine auch in Englisch erschienenen Fachbücher gibt es in seinem Laden zu kaufen.
Die familiengeführte Taverne „Cassia’s Cooking“ bleibt dank herzlichster Bedienung und ausgezeichnetem Essen gleichfalls in Erinnerung. Für den gegrillten Oktopus, das geschmorte Lammfleisch mit Pflaumen und ein herrliches Vorspeisen-Ensemble zahlt am Ende jede Person 24 Euro, Getränke inklusive – das ist essen wie Gott in Griechenland!
Weiter südlich im Hafen von Patitiri steht trotz anhaltender Flaute gehörig Schwell. Die an der Pier liegenden Boote tanzen auf und ab. Beim Festmachen in der letzten Lücke achten wir darauf, dass die Masten versetzt zueinander stehen. An Backbord liegt der Berliner Arne Korf, der seit vielen Jahren Kojenchartertörns in Griechenland anbietet. Sein Tipp bezüglich der oftmals vollen Häfen: „Es gibt einige versteckte einsame Buchten und kleine Häfen, die man nur findet, wenn man lange sucht und die Seekarte genau studiert.“ Am Morgen bietet sich von der östlichen Anhöhe ein traumhafter Blick über den Hafen. Das laute Rasseln einer Ankerkette verrät den ersten Fühaufsteher, bevor dieser die enge Hafeneinfahrt passiert, um Kurs auf die noch tiefstehende Sonne und die weitestgehend unbewohnte Insel Peristera zu nehmen.
Gegen Ende des Törns reiht sich unsere Bavaria in die Perlenkette der zurückkehrenden Charteryachten ein. Kurz vor dem Chartersteg in Skiathos entert ein Mitarbeiter der Basis von einem kleinen Motorboot auf, um das Anlegemanöver zu fahren. Auch ums Tanken müssen sich die Crews vorab nicht kümmern. Ein Tankwagen steht im Hafen bereit. Bezahlt wird bar oder mit Karte.
Am Abend soll es zum Abschluss noch mal ein gastronomisches Highlight geben. Die Wahl fällt auf die direkt am Wasser gelegene Taverne „Akrogiali“. Eine sehr gute Entscheidung, wie sich schnell herausstellt. Mit Blick auf die tief anfliegenden Flugzeuge, einen schwarzen Schwan und eine griechische Hochzeitsgesellschaft fällt das Resümee einhellig aus: „Mamma Mia, was für ein großartiges Revier!“
Einziger offizieller Anlandepunkt auf der unter Naturschutz stehenden Insel. Von der kleinen Bucht im Osten führen 194 Stufen zum Kloster, das von 15 bis 18 Uhr geschlossen ist. Ob der Mönch seine Pforten zu den anderen Zeiten öffnet, ist aber nie ganz sicher.
Nordöstlich von Steni Vala liegt auf der Westseite der Insel das rostige Überbleibsel, an dem sogar festgemacht werden kann. Nicht nur für Wrackliebhaber spannend, sondern auch für Schnorchler und Fotografen auf der Suche nach einem Motiv.
In der schönen und sehr grünen Hafenstadt befindet sich das Dokumentationszentrum für den Meeresnationalpark. Hier können sich Besucher beispielsweise über Maßnahmen zum Schutz der selten gewordenen Mittelmeer-Mönchsrobben informieren.
Im Süden der etwas abgelegenen Sporadeninsel lohnt es, den Anker in der dornförmigen Bucht fallen zu lassen. Da hier aber nicht übernachtet werden darf, sollte die Bucht möglichst früh am Tag angelaufen werden. Ein Paradies für Schnorchler.
Der kleine Fischerhafen mit großem Charme punktet mit sehr guten und zudem günstigen Restaurants in unmittelbarer Nähe zum Boot.
Auch ein Mini-Markt, ein Café mit leckerem Frühstücksangebot sowie einen Schiffswrackexperten gibt es vor Ort.
Ein Besuch bei der herzlichen Familie Bountalas und ihren Kunstwerken ist ein ganz besonderes Highlight auf Skopelos. Die Schiffe sind alle in den Original-Bootsbaumaterialien und der traditionellen Bootsbaukunst gefertigt. Sie könnten sogar segeln.
Seit über zwei Jahrhunderten bauen die Bountalas Schiffe. Erst in groß, jetzt in klein
Regina Bountalas: Unsere Familie bestand sieben Generationen lang aus Bootsbauern. Als in den 70er Jahren die Werften auf Skopelos dem Tourismus zum Opfer fielen, begann mein Großvater, kleine Replikas aus Walnussholz zu fertigen. Das Knowhow gab er an meine Eltern Yannis und Nina weiter. Mittlerweile baue auch ich schon erste Schiffe.
Alle Details bestehen aus den Materialien, mit denen auch die großen Seeschiffe gebaut wurden, und sind von Hand gefertigt. Die Boote könnten sogar segeln, wenn die Riggs einfacher zu bedienen wären.
An der „HMS Victory“ habe ich ein Jahr lang an jedem einzelnen Tag gearbeitet. Sie ist so schwer und solide, dass sie förmlich unkaputtbar ist. (Zum Beweis stößt er mit voller Wucht lachend gegen den Rumpf.)
Regina Bountalas: Theoretisch schon, aber es ist tatsächlich fast unmöglich, einen Käufer dafür zu finden. Deshalb bauen wir jetzt auch kleinere und einfachere Boote, die wir besser verkaufen können.
Yannis Bountalas: Mein Vater und ich haben aber ein Modell der „USS Constitution“ an einen griechischen Reeder verkaufen können. Der hat es dann dem ehemaligen US-Präsidenten George Bush senior vermacht.
Griechenland ist ein Land der Fähren. Insbesondere auf die Tragflügelboote sollte geachtet werden, da diese auch bei der Ein- und Ausfahrt aus den Häfen sehr schnell sind und viel Schwell verursachen. Ansonsten ist das Revier navigatorisch unkompliziert, lediglich in Landnähe vermehrt auf Untiefen achten.
Meist Stadthäfen oder kleine Anleger, in denen mit Buganker angelegt wird. Kaum Infrastruktur, dafür oft auch kein Liegegeld. Wasser und Diesel per Tankwagen auf Anfrage. Viele gute Ankerbuchten im ganzen Revier.
In den Sporaden ist der vorherrschende Wind der Meltemi, der aus den nördlichen Quadranten weht. Im Gegensatz zu den südlicheren Ägäisrevieren wie den Kykladen jedoch weitaus gemäßigter. Zwischen den Inseln muss mit auffrischenden Winden wegen des Düseneffekts gerechnet werden. In der Vor- und Nachsaison setzt ab und zu der Scirocco ein, der aus Süd kommt.
Das größte Schutzgebiet des Mittelmeeres umfasst insgesamt sechs Inseln und 22 weitere Felseilande. Während Gioura und Piperi aufgrund der dortigen Mönchsrobben-Populationen für Besucher gesperrt sind, können die anderen Inseln unter verschiedenen Auflagen angelaufen werden. Für Kyra Panagia muss vorab ein Ticket online erworben werden, das bei einer Kontrolle durch Parkranger vorzeigbar sein muss. Rechtzeitig planen, da es im Norden keinen Handyempfang gibt.
Revierführer „Griechische Küsten“ von Rod & Lucinda Heikell, 69,90 Euro, Edition Maritim (Neuauflage 2019). Übersichts-Seekarte Imray G25, „Northern Sporades and North Evvoia“ (Maßstab 1:190.000), 31,90 Euro, Bezug über den Fachhandel.
Wir waren mit einer gut ausgestatteten Bavaria C42 von Kiriacoulis unterwegs. Das Schiff kostet je nach Saisonabschnitt von 1.964 Euro bis 5.511 Euro pro Woche (zzgl. Endreinigung, Bettwäsche und Handtücher). Infos und Buchung: +30 210 988 61 87.