ÄgäisBrisanter Streit via Navtex

YACHT Online

 · 21.08.2017

Ägäis: Brisanter Streit via NavtexFoto: YACHT
Brisanter Streit via Navtex

Türkische Propaganda kommt jetzt auch über den Warndienst Navtex auf Yachten. Beide Länder streiten sich seit knapp einem Jahr verstärkt um Grenzansprüche

Mit einiger Verwunderung registrierte YACHT-Leser und Ägäis-Segler Andreas S., was sein Navtex-Gerät an Bord für eine Meldung von den griechischen Stationen vor einigen Wochen ausspuckte:

  Die griechische Navtex-MeldungFoto: A. Stephaniski
Die griechische Navtex-Meldung

"Nachricht an alle Seefahrer: Die Ägäis war immer sicher und geschützt. Die Türkei hat wiederholt das Navtex-System benutzt, um ihre revisionistische, nationalistische Agenda zu verbreiten. Sie bezieht sich auf den Status der Ägäis und der Sicherheit für Seefahrer. Die griechische Coastguard weist solche Vorwürfe von sich und betont, dass sie das Leben der Seefahrer in ihrem Gewässern und die Freiheit der Navigation schützt, ganz nach den Richtlinien der internationalen Seeabkommen. Die einzigen offiziell autorisierten Navtex-Stationen im Ionischen Meer, der Ägäis und dem östlichen Mittelmeer sind Kerkyera, Limnos und Iraklion."

Was im ersten Moment wie ein schlechter Scherz für die Crews wirken dürfte, die nicht mit den türkisch-griechischen Verhältnissen vertraut sind, hat allerdings einen ernsten Hintergrund. Seit diesem Jahr hat sich der lange schwelende Grenzstreit zwischen den Ländern enorm verschärft. Im Vorfeld des Verfassungs-Referendums von Präsident Erdogan hatte dieser schärfere Töne angeschlagen. Mehrfach bezeichnete er den Vertrag von Lausanne, der, 1923 geschlossen, den Grenzverlauf zwischen den beiden Ländern regelt, als "nicht heilig".

Seit Jahren gibt es im Grenzbereich immer wieder Auseinandersetzungen, weil die Türkei nicht dem internationalen Seerechtsabkommen beigetreten ist, das auch die Hoheitsgebiete in der Ägäis regeln sollte. Immer wieder gab es Streit, weil die Türkei einzelne Inseln für sich beanspruchte. 1996 eskalierte das Ganze so weit, dass Kriegsschiffe und Luftwaffe der Türken und Griechen auf engstem Raum operierten, was zu einem Hubschrauber-Absturz mit drei Toten führte. Eine Vermittlung der USA konnte den Konflikt letztlich entschärfen. Seitdem war über die Jahre immer mehr Ruhe eingekehrt, die Länder näherten sich an, und wohl alle Beobachter gingen davon aus, dass der Konflikt sich überlebt hätte.

Doch dem scheint nicht so zu sein, seit Beginn diesen Jahres häufen sich die Konflikte. Im Frühjahr hielt ein türkisches Kriegsschiff in griechischen Gewässern eine Übung mit scharfer Munition ab, direkt vor einer griechischen Militärbasis. Dagegen protestierte die griechische Regierung energisch und drohte für den Fall der Wiederholung an, Stärke demonstrieren zu wollen. Im Frühsommer stoppte die griechische Coastguard einen türkischen Frachter, der laut Pressemeldungen angeblich Sprengstoff geladen hatte. Das Schiff wurde im Hafen festgesetzt.

In der Zwischenzeit überflogen türkische Kampfjets immer wieder griechisches Territorium, weil die Türkei den Luftraum bis etwa zur Mitte der Ägäis als international betrachtet – natürlich ganz anders, als die griechische Seite es sieht.

Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen war im Juli ein weiterer Versuch der griechischen Coastguard, einen türkischen Frachter etwa drei Meilen vor Rhodos zu stoppen, in einen Hafen zu geleiten und zu durchsuchen. Angeblich hatte die Coastguard Informationen, dass das Schiff Drogen geladen hatte. Der Kapitän weigerte sich und steuerte direkt auf das türkische Festland zu. Daraufhin feuerte die griechische Coastguard Warnschüsse ab. Als die Frachter-Crew nicht reagierte, wurde das Schiff beschossen. Die verstärkten Kontrollen der Griechen sind Teil der neuen EU-Strategie gegen Schlepper und Waffenschmuggel an der EU-Außengrenze.

Seitdem wurde die Auseinandersetzung der beiden Länder auch auf dem Wege der Navtex-Nachrichten ausgetragen: Die Türkei sendete über die Stationen Antalya Meldungen, dass es in der Ägäis keine speziellen Navtex-Sendegebiete gebe, die von IMO und IHO abgesegnet seien, demnach seien die Navtex-Nachrichten der griechischen Stationen "null und nichtig". Für die Sicherheit der Seefahrt wolle man deshalb weiter Nachrichten senden. Allen Kapitänen wurden angeboten, im Falle von Kontrollversuchen griechischer Behörden die türkische Coastguard zu Hilfe zu rufen.

So eskaliert seit diesem Jahr ein Konflikt zwischen zwei Nato-Mitgliedsstaaten in einer Art und Weise, die wohl niemand mehr für möglich gehalten hätte. Das Navtex-Scharmützel zwischen beiden Seiten, das manche Crews beobachten, erscheint vor diesem Hintergrund in einem ganz anderen Licht.