BretagneGegen Strom und Wind - von Les Sables D’Olonne bis Pornichet

Jill Grigoleit

 · 31.10.2025

Traumhafte Ankerbuchten wie hier auf  Île d’Houat locken zahlreiche Segler an  die Atlantikküste Frankreichs
Foto: Jill Grigoleit
Tidengewässer: Ab Les Sables d’Olonne nordwärts nimmt der Tidenhub deutlich zu, was Einfluss auf Strömungen, Hafenzeiten und Ansteuerungen hat. Verlangt gutes Seemannshandwerk, macht das Revier aber auch spannend.

Die südliche Bretagne ist eines der Topreviere Europas für Segler. Traumhafte Ankerbuchten, charmante Fischerdörfer mit bretonischem Flair und kulinarische Highlights. Seglerisch ist das Tidenrevier anspruchsvoll und bietet eine einzigartige Mischung aus Küsten- und Hochseesegeln. Wir waren unterwegs mit dem Cruising Club der Schweiz (CCS) im vielleicht schönsten Segelrevier Frankreichs.



​Eine letzte kleine Welle, ein sanfter Ruck und wir sitzen mit dem Heck auf. Nur der vom Strand abgewendete Bug bewegt sich noch leicht in der zurückfließenden Brandung. Ich schaue von der Badeplattform in das kristallklare Wasser unter mir und schätze die Wassertiefe auf Hüfthöhe. Ein paar Zentimeter wird das Wasser noch abfließen, Niedrigwasser ist erst in einer Stunde. Ganz trockenen Fußes werden wir wohl trotzdem nicht an Land kommen. Aber das Dinghi müssen wir heute nicht zu Wasser lassen. Mit einer 45-Fuß-Yacht direkt bis an den Strand. Was für eine Erfahrung.

Die Perle der Bretagne

Vor uns liegt der – jetzt am Morgen noch menschenleere - zwei Kilometer lange feine Sandstrand. Doch wenn ich mich umdrehe, sehe ich weiße Masten, soweit das Auge reicht. Rund hundert weitere Ankerlieger haben die Nacht mit uns in der Bucht verbracht. Es ist Anfang August und Hochsaison in der Bretagne. Der Plage du Gouret auf der Île d‘Houat, auch bekannt unter seinem unaussprechlichen, bretonischen Namen Treac'h er Goured ist die Perle der Bretagne: türkis leuchtendes klares Wasser, weißer Sand und ein freier Blick auf die unbebaute Dünenlandschaft dahinter. Ein Ankertraum wie in der Südsee – nur mit niedrigerer Wassertemperatur, wie ich feststelle als wir mit unseren Rucksäcken auf dem Kopf durch das hüfthohe Wasser zum Strand waten.

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Eine Woche bin ich unterwegs mit einer bunt zusammengewürfelten Crew des CCS, dem Cruising Club der Schweiz. Der in Bern ansässige Segelclub gehört mit rund 5.500 Mitgliedern zu den größten Wassersportvereinen der Schweiz und nimmt bei der Hochseeausbildung eine Führungsposition in der Sportschifffahrt des Landes ein. Piero segelt seit über 35 Jahren und seit gut 20 Jahren als Skipper für den Club und hat auch schon einige Törns in diesem Revier hinter sich. Die Bretagne ist sein absolutes Lieblingsrevier. „Es ist einfach wunderschön hier. Und noch dazu ist es seglerisch spannend, weil wir nicht nur den Wind, sondern auch die Gezeiten haben, die wir bei der Navigationsplanung einberechnen müssen. Wir wissen zwar vorher, wo wir das Boot bekommen und wo wir es abgeben. Aber dazwischen liegt eine Woche, in der vieles passieren kann und wir uns auf Ebbe, Flut und Windverhältnisse einstellen müssen.“

Berühmte Taufpatin und Segelmekka

Gestartet sind wir vor vier Tagen in Les Sables d’Olonne, dem Geburtsort des jüngsten Neuzugangs in der Flotte des Clubs, einer werftneuen OVNI 450 aus dem französischen Hause Alubat. Nach ihrer Taufe im Mai – mit Justine Mettraux als Taufpatin – ist die Cruising Swiss VI diesen Sommer in ihre erste Saison gestartet. Bei unserer Ankunft im Heimathafen der härtesten Einhand-Segelregatta der Welt lachen uns von einer Hallenwand die riesigen Abbilder der Gewinner der Vendée Globes der vergangenen Jahrzehnte entgegen. Die Stadt ist das reinste Segelmekka. Uns hält es aber nicht lange hier. Denn in den ersten zwei Tagen wollen wir trotz ungünstiger Windverhältnisse möglichst viel Strecke nach Norden machen. Unser Ziel ist die traumhafte Inselwelt der südlichen Bretagne, eines der beliebtesten, aber auch navigatorisch anspruchsvolleren Segelreviere Frankreichs. Das Tidenrevier ist geprägt von zum Teil starken Strömungen, wenn auch nicht so extrem wie in der nördlichen Bretagne und im Übergang in den Ärmelkanal.

Gegen Wind, Strom und Flaute

Ein Schlag nordwärts bedeutet hier bei den vorherrschenden Nord- bis Nordwestwinden, häufig zu kreuzen. Hinzu kommt, dass auch der Strom gegen uns arbeitet. So machen wir zu Beginn maximal vier Knoten über Grund. Vorbei geht es an zerklüfteten Küstenabschnitten und feinen Sandstränden. Steile Klippen wechseln sich mit Dünenlandschaften ab. Wir fahren einen langen Schlag hart am Wind, soweit es geht, nördlich, bis unser erstes Etappenziel, die Île d’Yeu querab backbords liegt. Als wir schließlich die Ankerbucht Anse des Vieilles ansteuern, ist es bereits 20 Uhr und die Bucht ziemlich voll, aber wir finden noch ein Plätzchen am Rande. Über Nacht schläft der ohnehin schon schwache Wind komplett ein. So haben wir zwar eine ruhige Nacht vor Anker, aber an Segeln ist am nächsten Morgen überhaupt nicht zu denken. Der Atlantik liegt spiegelglatt vor uns wie ein See. Die Szenerie allerdings ist atemberaubend. Die rötlichen Felsen werden von der aufgehenden Sonne angestrahlt, absolute Stille liegt über der Bucht.

Morgenidyll über der Bucht Anse des Vieilles vor Île d’Yeu.Morgenidyll über der Bucht Anse des Vieilles vor Île d’Yeu.

Nach einem erfrischenden Bad im eiskalten Wasser entscheiden wir: Der Nordwestkurs zur eigentlich angepeilten Belle Île ist nicht segelbar und unter Motor zu weit. Stattdessen steuern wir Pornichet an. Stundenlang geht es unter Motor entlang nicht enden wollenden Windparks. Einen Segeltörn auf dem Atlantik hatte ich mir anders vorgestellt. Das Ölzeug bleibt unter Deck. Aber: Sonne satt, blauer Himmel und Delfine. Entsprechend entspannt fällt das Mittagessen im Cockpit unter Autopiloten aus. Es gibt schlimmeres.

Manövertraining auf dem Atlantik

Am Nachmittag frischt der Wind etwas auf und dreht auf West. Wir setzen Groß und Genua und segeln. Endlich. Trotz des gegenläufigen Stroms machen wir mehr Geschwindigkeit als gestern. Mit rund sechs Knoten über Grund segeln wir einen angenehmen Halbwindkurs. Geht doch.

Plötzlich das Kommando „Mann über Bord“. Kurzer Schreck, ein Blick nach hinten, Erleichterung: Ein Fender treibt im Kielwasser. Unser Skipper Piero schmunzelt: „Wäre ja keine richtige Übung, wenn ich sie ankündigen würde!“. Ausbildung gehört bei den CCS-Törns immer auch dazu. Während auf den reinen Ausbildungs- und Manövertörns das Training im Fokus steht, geht es bei den Urlaubstörns zwar in erster Linie um den Spaß am Segeln, aber Ausbildung ist immer auch Teil des Tagesablaufs. Angefangen bei der Tagesplanung am Vorabend, wo Navigation und Gezeitentabellen geübt werden bis eben zum MOB-Manöver. Nacheinander absolvieren wir alle fünf das Manöver mit Bravour und es geht weiter.

Am Abend erreichen wir Pornichet. Bei der Navigationsplanung für den morgigen Tag wird klar, dass wir früh aufstehen müssen, um den anfangs noch angesagten Westwind zu erwischen, der ab mittags abflauen und auf Nordwest drehen soll. Wir wollen Belle Île vor 15 Uhr erreichen, denn es gibt nur ein Zeitfenster von einer Stunde um Hochwasser, in welchem die Schleuse zum inneren Hafen geöffnet ist. Also schmeißen wir am nächsten Morgen um 7 Uhr die Leinen los und motoren mit der aufgehenden Sonne im Rücken aus dem Hafen in Richtung Westen.



Der Club:

Der Club Der Cruising Club der Schweiz hat etwa 5.500 Mitglieder. Eine Schweizer Staatsbürgerschaft oder ein Wohnsitz in der Schweiz sind keine Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Die Flotte besteht aus fünf Segelschiffen und einem Motorboot, die vom Mittelmeer bis in den Finnischen Meerbusen eingesetzt werden. Neben den Reisetörns gibt es Ausbildungstörns, Thementörns, Meilentörns und Überführungstörns. Mehr Infos: www.cruisingclub.ch/de Kontakt: Tel.: +41 31 310 11 00 Mail: info@cruisingclub.ch

Das Boot:

Die Cruising Swiss VI ist eine OVNI 450 von Alubat aus Les Sables-d’Olonne, 45 Fuß mit Hubkieler. Die Aluminium-Knickspanter haben sich auf Langfahrten und in Gezeitenrevieren bewährt. Bei diesem Modell gibt es erstmals zwei Steuerräder im Cockpit.

Revierinfos:

Wind & Wetter: Vorherrschende Winde kommen meist aus West bis Nordwest. Bei Tiefdrucklagen aus dem Atlantik kann es schnell ruppig werden.

Navigation: Gute Befeuerung, aber einige Untiefen, Barre-Einfahrten (z.B. bei Flussmündungen) und starke Tidenströme erfordern aufmerksame Navigation. Häfen: Entlang der bretonischen Küste gibt es unzählige Ankerbuchten aber auch gut ausgestattete Marinas. Zur Hochsaison kann es sehr voll werden, und man sollte sich vorab anmelden, vor allem im Hafen Le Palais: VHF Kanal 9 oder Tel: 02 97 31 42 90.

Literatur:

  • Atlantic France, Nick Chavasse, 63,50 Euro, ISBN-Nummer: 9781786793744, www.nv.charts.com
  • Bloc Marine: Atlantique, 36 Euro, ISBN: 9782958016043, bietet wertvolle Informationen zu Strömungen, Gezeiten und meteorologischen Bedingungen, www.nvcharts.com
  • Sportbootkarten „NV-Atlas France FR6: Südbretagne von Lorient à Île de Noirmoutier“. NV-Verlag, 64,99 Euro www.nvcharts.com

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