Blauwasser-BlogÜbers Süßwasser aufs Salzwasser

Martin Finkbeiner

 · 21.08.2018

Blauwasser-Blog: Übers Süßwasser aufs SalzwasserFoto: Martin Finkbeiner
Fahrt durchs Grüne: wunderschöne Kanalabschnitte auf dem Doubs

Friederike und Martin Finkbeiner sind seit einem Monat unterwegs. Zunächst wollen sie über Flüsse und Kanäle ans Mittelmeer. Allerdings mangelt es an Wasser

Wer sich fürs Segeln interessiert, für exakt getaktete Wenden und Polardiagramme, der kann diesen Artikel getrost auf die Seite legen. Denn hier werden nicht ein einziges Mal die Segel gesetzt oder an einer Schot gezupft. Stattdessen tuckert die Maschine bei gelegtem Mast gemächlich durchs französische Binnenland. Der Rhein-Rhône-Kanal, die Saône und die Rhône sollen der Auftakt unserer Segelreise sein, sozusagen die Zufahrt zum Meer.

Diese beginnt im tiefsten Südwesten Deutschlands, in Breisach am Rhein. Vom Bodensee aus, wo unsere „Aracanga“ ihr bisheriges Dasein gefristet hat, ist der Rhein der nächstgelegene schiffbare Fluss. Und da uns die Route durch Frankreich attraktiver als die über den Rhein an die Nordsee vorgekommen ist, haben wir uns für die Tour nach Süden entschieden. Auf dem Papier eine problemlose Strecke und für Boote bis 1,8 Meter Tiefgang befahrbar. Unser Kiel ragt 1,65 Meter ins Wasser, sollte also mit etwas gesunder Vorsicht gut machbar sein.

  Martin Finkbeiner an Bord der "Aracanga" während des allerersten kurzen Stücks auf dem Rhein kurz nach der Abfahrt Mitte Juli 2018Foto: Martin Finkbeiner
Martin Finkbeiner an Bord der "Aracanga" während des allerersten kurzen Stücks auf dem Rhein kurz nach der Abfahrt Mitte Juli 2018

Am 18. Juli werfen wir in Breisach die Leinen los mit dem groben Plan, einen Monat später bei Port St. Louis du Rhône in Südfrankreich ins Mittelmeer zu fahren. Und tatsächlich, am 18. August sind wir durch die Sperrschleuse ins Salzwasser motort, so weit ist der Plan also aufgegangen. Allerdings nicht ganz wie gedacht. Denn womit wir wie viele andere nicht kalkuliert hatten, war der extrem heiße und regenarme Sommer.

Von wegen „pas de problem“!

Seit Mai hat es so gut wie keinen Niederschlag gegeben, und darunter haben die Wasserstände der Flüsse und Kanäle extrem gelitten. Der erste Teil des Rhein-Rhône-Kanals führt uns über 40 Schleusen, die in sehr kurzen Abständen aufeinander folgen, bergwärts. In diesem Teil ist der Wasserstand wegen der kurzen Distanzen zwischen den Sperrwerken relativ gut regulierbar, und sowohl Schleusenwärter als auch Hafenmeister antworten mit „Oui, oui, pas de problem“ auf unsere Nachfragen wegen der Wassertiefen im Kanal.

Nach dem vierten Tag haben wir die Wasserscheide erreicht, ab hier geht es abwärts. Während uns bergauf eine Schleusenwärtermannschaft begleitet, sind wir auf der Talfahrt auf uns selbst gestellt. Im Gegensatz zur Bergfahrt ist das Schleusen talwärts allerdings sehr entspannt, die Leinen müssen lediglich langsam nachgefiert und nicht mehr mit Kraft dichtgeholt werden.

  Auf und ab: "Aracanga" in einer der KanalschleusenFoto: Martin Finkbeiner
Auf und ab: "Aracanga" in einer der Kanalschleusen

Statt der Begleitung durch eine Schleusenwärtermannschaft werden wir mit einer Fernbedienung für die kommenden Schleusen ausgestattet. Auf seinem Weg in Richtung Rhône wechselt sich der Kanal über weite Strecken mit dem natürlichen Flusslauf des Doubs ab, welche die schönsten Abschnitte der Verbindung zwischen Rhein und Rhône sind. Gleichzeitig ist in diesen Bereichen aber auch größte Vorsicht geboten. Gerade mit einem Segelboot mit festem Kiel und entsprechend Tiefgang.

Der Fluss kann innerhalb kurzer Zeit stark anschwellen und an Strömung zunehmen. Außerdem ist er mit großen Steinen, Kies- und Sandbänken gepflastert, die sich vor allem nach einem Hochwasser nicht immer an den eingezeichneten Stellen befinden müssen. Uns hat allerdings weniger das Hoch-, sondern das extreme Niedrigwasser des Doubs Probleme bereitet.

Gerade an den Schleusenausfahrten, wo der Kanal und der Fluss wieder zusammenfließen, lagert sich viel Geröll ab, und spätestens nach der zweiten Schleuse im Fluss tasten wir uns in diesen Bereichen nur sehr langsam voran. Auch haben wir als blutige Anfänger der Binnenschifffahrt schnell gelernt, dass der Hinweis auf 15 Meter Abstand zum Ufer wenig Spielraum zulässt, dass ein zusätzlicher „Sicherheitsabstand“ nicht unbedingt zielbringend ist und dass zwei Meter Wassertiefe noch kein Grund zur Sorge bedeuten.

Bis zu Kilometer 85 geht alles gut

Erst ab 1,9 Meter haben wir das Gas zurück und bei 1,8 Meter ganz raus genommen, um uns langsam durch die flachen Stellen zu tasten. Noch vorsichtiger wären wir keine zehn Meilen am Tag gekommen, denn das Echolot hat selten mehr als 2,5 Meter angezeigt. Natürlich haben wir einige Male den Grund berührt und uns auch das eine oder andere Mal festgefahren, aber nie ernsthaft Probleme gehabt, wieder freizukommen. Bis zum Kilometer 85 (die Kilometer werden zu beiden Seiten von der Wasserscheide aus gezählt).

Dort hatte der Kanal auf einmal nur noch 1,4 Meter Tiefe. Auf eine Länge von ca. 50 Metern ist an dieser Stelle die Kanalbefestigung ins Wasser gerutscht. Die Böschung wurde neu gemacht, der Schutt allerdings nicht aus dem Kanal gebuddelt. Nach ein paar Versuchen an verschiedenen Stellen haben wir uns zum Rückzug entschieden, um das Ganze tags darauf gut vorbereitet und mit frischen Kräften anzugehen.

Also wurden am Abend Wassertanks leer gepumpt, Ausleger zur Gewichtsverlagerung gebaut und schwere Gegenstände wie Rettungsinsel und Anker mitsamt Kette auf dem Backbord-Laufdeck gelagert. Neuer Tag, neuer Versuch. Sehr früh waren wir zurück an der Untiefe mit der Hoffnung, dass der Wasserstand etwas gestiegen ist, da die Schleusen nachts nicht in Betrieb sind. Aber das Gegenteil war der Fall, der Kanal hat zwischen 5 und 10 cm Wasser verloren.

  Abendstimmung in Mulhouse am Rhein-Rhone-KanalFoto: Martin Finkbeiner
Abendstimmung in Mulhouse am Rhein-Rhone-Kanal

Trotzdem, nach ein paar Stunden Tauchen haben wir mit unserer Salatschüssel eine Rinne für den Kiel gebuddelt und waren auf der anderen Seite der Sandbank. Kurze Freude, und dann gleich die nächste Untiefe, diesmal allerdings kein weicher Schlamm, sondern hart wie Beton!

Für uns war hier vorerst Endstation. Umdrehen, zurück nach Deluz, dem letzten Hafen, und Optionen ausloten. Nach langen Überlegungen und einem Telefonat mit einem befreundeten Yachtkonstrukteur haben wir die Möglichkeit, den Tiefgang durch Bergesäcke zu verringern, verworfen, und den Landtransport als letzte Möglichkeit gesehen. Denn in absehbarer Zeit würden die Pegel nicht steigen. Zurückzufahren und einen anderen Weg einschlagen war aufgrund der gesunkenen Pegel auch nicht mehr sicher möglich.

Hoch und trocken auf dem Tieflader

Zwei Wochen später stand die „Aracanga“ also mal wieder hoch und trocken, jetzt aber auf dem Lkw und diesmal mit dem Ziel St. Jean de Losne, was ca. 100 Kilometer westlich an der Saône liegt und Frankreichs größte Binnenmarina ist. Dort ging es auch gleich wieder ins Wasser, und am Tag darauf wurde die Reise auf eigenem Kiel fortgesetzt. Die Saône ist ein ruhiger, gemächlicher Fluss, der bei Lyon in die Rhône mündet. Auf der Rhône hingegen kann es richtig zur Sache gehen und die Strömung bis zu fünf Knoten betragen.

Das Rhônetal ist außerdem die Geburtsstätte des Mistral, eines stürmischen Windes aus Nordwest, der das Seegebiet zwischen Südfrankreich, Korsika und Mallorca regelmäßig in einen Hexenkessel verwandelt. Die beiden Flüsse führen uns an berühmten Städten wie Lyon und Avignon vorbei, aber auch an verträumten, kleinen Ortschaften abseits der Touristenströme wie das malerische, mittelalterliche Viviers mit seiner massiven Befestigungsanlage hoch über der Stadt. Je weiter einen die Reise nach Süden bringt, desto mehr mediterrane Einflüsse sind zu erkennen. Pinien säumen die Ufer, und die steilen Hausdächer der Franche Comte werden von flacheren Dächern mit römischen Ziegeln abgelöst.

Bei St. Louis du Rhône mündet die Rhône ins Mittelmeer. Die natürliche Mündung ist allerdings den Ortskundigen vorbehalten, für alle anderen geht es durch die Sperrschleuse vom Süß- ins Salzwasser und in den großen Hafen der Stadt. Hier wird unser Mast gestellt und von hier aus beginnen wir die zweite Etappe der Reise: das Mittelmeer.

  Auf der Rhone geht es flott voran gen SüdenFoto: Martin Finkbeiner
Auf der Rhone geht es flott voran gen Süden
Fazit: Trotz Untiefen und Strapazen, die Fahrt über die Kanäle und Flüsse ist ein guter und entspannter Weg, eine lange Reise zu beginnen und sich an das Leben an Bord zu gewöhnen, bevor Schräglage, Wind und Wellen für zusätzliche Herausforderungen sorgen.

Infos zur Binnenfahrt

Rhein-Rhône-Kanal: Offiziell bis 1,8 Meter Tiefgang befahrbar, realistisch allerdings liegt die Grenze in einem normalen Sommer bei ca. 1,5 Meter Tiefgang. Da der staatliche verwaltete Rhein-Rhône-Kanal nur noch von Freizeitskippern genutzt wird, erfährt er leider nicht die höchste Aufmerksamkeit der Behörden.

Der Kanal ist 237 km lang und hat 112 Schleusen, 40 zum Rhein und 72 zur Saône. Es gibt zahlreiche Liegemöglichkeiten, für Yachten mit großem Tiefgang verringert sich die Anzahl allerdings drastisch. Maximale Durchfahrtshöhe: 3,4 Meter. Die Schleusen haben eine Breite von 5,10 Metern. Der Kanal hat zwei Tunnel (185 und 384 Meter lang), die Höchstgeschwindigkeit beträgt 6 km/h auf den Kanalabschnitten und 10 km/h im Fluss.

Saône: Von St.Jean de Losne (Einmündung Rhein-Rhône-Kanal) nach Lyon (Einmündung in die Rhône) fährt man 200 Kilometer auf der Saone. Es gibt fünf Schleusen mit in der Wand eingelassenen Pollern, die Hubhöhe beträgt zwischen 2,9 und 4 Metern. Alle Schleusen sind über UKW erreichbar. Da hier die Großschifffahrt unterwegs ist, gibt es kaum Einschränkungen in der Größe.

Rhône: 310 Kilometer ab Lyon bis zum Mittelmeer. Der Fluss bietet wenig Liegemöglichkeiten für Freizeitskipper, da die führerscheinfreien Hausboote hier verboten sind. Hier gibt es viel Wind und Strömung, dadurch kann sich eine kurze, steile Welle aufbauen. Es gibt 12 Schleusen, die höchste davon mit einer Hubhöhe von 22,5 Metern. Alle Schleusen sind mit Schwimmpollern ausgestattet, somit stellt das Schleusen kein Problem dar. Alle Schleusen sind über UKW erreichbar.

Abendstimmung in Mulhouse am Rhein-Rhone-Kanal
Foto: Martin Finkbeiner

Checkliste für Kanalfahrer:

- lange Leinen für die Schleusen (am besten alte Leinen verwenden)
- vorab die Pegelstände checken
- mindestens zwei große Kugelfender für die Schleusen, genügend sonstige Fender
- Fenderbrett
- Funkantenne (bei gelegtem Mast). UKW ist nicht vorgeschrieben, aber hilfreich
- Dampferlicht (bei gelegtem Mast)
- genügend Sonnenschutz, z. B. großes Biminitop
- großer Trichter für Diesel, gerade wenn man in Kanister tankt (Die Bootstankstellen haben Lkw-Stutzen)
- Flussführer mit Übersicht über Schleusen, Untiefen, Liegemöglichkeiten
- Vignette für den gewünschten Zeitraum bei der VNF (französische Schifffahrtsbehörde) beantragen
- die Website water-ways.net und das Buch „Binnengewässer Frankreichs“ (Delius-Klasing) sind hilfreich zur groben Planung.

Weitere Infos, Bilder und Artikel zur Reise der „Aracanga“ unter Ahoi.blog