Segelrevier NiederelbeSorgen zu Saisonbeginn – Segler kämpfen gegen Verschlickung ihrer Häfen

Nils Leiterholt

 · 29.02.2024

Segelrevier Niederelbe: Sorgen zu Saisonbeginn – Segler kämpfen gegen Verschlickung ihrer HäfenFoto: YACHT/A. Fritsch
Der Hafen Neuenschleuse vom Altländer Yachtclub verschlickt regelmäßig
Durch die Vertiefung der Elbe hat sich die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses erhöht. Das führt auch zu schnellerer Verschlickung der Sportboothäfen. Die Kosten für Gegenmaßnahmen sind immens. Vielerorts fühlen sich die Segler mit diesem Problem von den Verantwortlichen allein gelassen

Es ist ein spannendes Bild für Segler, die wenig Erfahrung in Tidenrevieren haben: Im Hafen liegen die Boote nicht im Wasser, sondern im Schlick. Auch die Zufahrt ist mit dem Boot nicht befahrbar, alles ist trockengefallen, lediglich kleine, bachähnliche Wasseradern bahnen sich noch ihren Weg. Die Vorstellung, in wenigen Stunden wieder auslaufen zu können, wirkt bizarr, ist aber für die Segler hier Realität.

Seit der Elbvertiefung haben die Betreiber der Sportboothäfen entlang der Elbe jedoch große Probleme damit, die Häfen selbst bei Hochwasser befahrbar zu halten. Dafür ist in vielen kleinen Vereinen großes ehrenamtliches Engagement gefordert. Und mancherorts fragen sich die Betroffenen, wie lange die Häfen überhaupt noch betrieben werden können.

Beim Sportschipper Verein Borsfleth kämpfen die Mitglieder schon jetzt um ihre Saison, gegen die Sedimente und die Zeit. Der Saisonstart rückt immer näher, und es gibt eine Verordnung, nach der nur noch bis zu einem Stichtag Arbeiten am Hafengrund durchgeführt werden dürfen. Beim SSV packen die Mitglieder selbst mit an, haben während der Corona-Pandemie ein eigenes Spülschiff, den „Schwan von Borsfleth“ gebaut.

Unterstützung durch den Elbe-Schlickfonds

Ludger Walterbusch, erster Vorsitzender des SSV Borsfleth, bemüht sich zudem um Unterstützung durch die schleswig-holsteinische Landesregierung. „Bislang gibt es für uns keinerlei Unterstützung von der Landesregierung in Kiel“, sagt er. Im Vorfeld der Elbvertiefung sei allerdings der „Elbe-Schlickfonds“ ins Leben gerufen und in diesen von Hamburg ein Sockelbetrag von zehn Millionen Euro eingezahlt worden, dessen Zinsen die Häfen für die Folgen der Elbvertiefung entschädigen sollten. „Daraus kriegen wir einen Zuschuss von 30 Prozent der Nettosumme der reinen Bagger- oder Spülarbeiten“, erläutert Walterbusch.

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Für den SSV gibt es aus dem Fonds jährlich knapp 6.000 Euro. Als Berechnungsgrundlage für das Spülen im Eigeneinsatz dient der Stundensatz pro Arbeitskraft, den ein ordentliches Mitglied pro nicht verrichteter Arbeitsstunde bezahlen muss. Bei dem Borsflether Verein sind das 25 Euro, eine professionelle Arbeitsstunde ist natürlich deutlich teurer, dennoch gab es bei seinem Selbstbau keinerlei Unterstützung durch den Fonds. „Die 30 Prozent der Nettosumme sind zwar hilfreich, kompensieren aber keinesfalls den Mehraufwand, den wir wegen der Elbvertiefung haben“, kritisiert Ludger Walterbusch.

Yachten im Schlick bei NiedrigwasserFoto: YACHT/ArchivYachten im Schlick bei Niedrigwasser

Seit der letzten Elbvertiefung, so Walterbusch, sei die Verschlickung sehr viel heftiger geworden als zuvor. „Vorher reichte es, wenn wir alle drei Jahre den Hafen spülen ließen, mittlerweile müssen wir jedes Jahr und viel mehr spülen“, sagt er. Außerdem sei die Strömungsgeschwindigkeit seit dem Versuch, die Elbe für Schiffe mit bis zu 14,5 Meter Tiefgang passierbar zu machen, sehr viel schneller geworden. Das hat zur Folge, dass auch sehr viel gröberes Sediment transportiert wird. „Die Körnchengröße von dem Schlick, den wir bei uns im Hafen haben, wird gröber. Je gröber die Körnchengröße des Schlicks, desto schwerer ist ein Körnchen, und desto schwieriger ist es, dieses per Wasserinjektionsverfahren wieder loszuwerden“, erläutert der erste Vorsitzende.

Schlickfallgebiet bei Tonne E3 vor Helgoland

In der Vereinbarung “Gemeinsame Eckpunkte Hamburgs und Schleswig-Holsteins für die künftige Verbringung von Sedimenten bei der Tonne E3” aus dem April 2023 haben die beiden Bundesländer die Rahmenbedingungen für das Verklappen des Schlicks im sogenannten Schlickfallgebiet bei der Tonne E3 vor Helgoland abgesteckt. Dort wird der Schlick der Baggerarbeiten auf der ganzen Elbe dem Wasser zurückgegeben.

Priele und Zufahrten sind besonders von der Verschlickung betroffenFoto: YACHT/L. BollePriele und Zufahrten sind besonders von der Verschlickung betroffen

In den Eckpunkten ist unter anderem geregelt, dass von Hamburg pro Tonne Trockensubstanz, also abzüglich des Gewichts, welches das Wasser im Schlick ausmacht, sieben Euro an das Land Schleswig-Holstein zu bezahlen sind. Ein Euro davon soll zur „Minderung der zunehmenden Verschlickung an schleswig-holsteinischen Anlegestellen (Häfen (Land, Kommunen und privat), Sportboothäfen, sonstige Betriebe) an der Tideelbe und ihren Nebenflüssen“ eingesetzt werden. Das Geld stünde folglich allen schleswig-holsteinischen Hafenbetreibern von Wedel bis zur Elbmündung zu. Von diesem Geld sei aber bis jetzt noch nichts bei ihnen angekommen, berichtet Walterbusch.

Unterstützung erfahren Vereine wie der in Borsfleth durch die Gruppe Nedderelv e. V., einen Zusammenschluss von Wassersportvereinen an der Niederelbe, der ihre gemeinsamen Interessen vertritt. Umweltschutzbeauftragter der Gruppe ist Uwe Hanse. Seit Jahren setzt er sich mit den Auswirkungen der Elbvertiefung auseinander, weist auf viele Probleme hin und legt dabei nicht zuletzt bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung immer wieder den Finger in die Wunde.

Geld soll helfen kommt aber nicht an

Diese erhalte aus Hamburg jährlich bis zu 1,5 Millionen Euro zweckgebunden für den Erhalt der Anlegestellen an der Tideelbe und den Nebenflüssen, die sie bis jetzt einfach einbehalte. „Das ist doch eine riesige Mogelpackung“, findet Uwe Hanse klare Worte zum Vorgehen der Landesregierung, „am Telefon wurde mir auch gesagt, dass die Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins auf leeren Kassen sitze, das kann doch alles nicht wahr sein, das Geld ist doch zweckgebunden!“

Früher gab es als Maßnahme gegen das Verschlicken das sogenannte Schlickeggen. Es ist jedoch nicht mehr die gängige Praxis, da sich dabei die schweren Sedimente, wie beispielsweise Sandkörper, zu einer harten Sohle formen, die dann aufwändig durch Profis entfernt werden muss. Stattdessen setzt man auf der Elbe mittlerweile auf das Wasserinjektionsverfahren.

Dabei wird Wasser von einer Pumpe durch viele Düsen in den Schlick gedrückt, dadurch quillt der Schlick etwas auf, wird flüssig und fließt dann in tiefere Bereiche. Das hat weniger mit der Strömung, also dem ablaufenden Wasser zu tun, sondern mit der Gravitation, dass sich der aufgequollene Schlick tiefere Punkt zum Dahinfließen sucht.

Saugbagger im Hamburger YachthafenFoto: YACHT/K. AndrewsSaugbagger im Hamburger Yachthafen

In Borsfleth darf dennoch nur sechs Stunden nach Hochwasser, also nur bei ablaufendem Wasser gespült werden. In Schleswig-Holstein darf außerdem aus Gründen des Umweltschutzes sogar nur bis zu einer Wassertemperatur von maximal zwölf Grad gespült werden. Das hat man sich in Schleswig-Holstein überlegt, weil beim Spülen doch immer einige wenige Sedimente aufgewühlt werden und diese ab einer Wassertemperatur von 12 Grad den Sauerstoff aus dem Wasser ziehen und somit den Fischen ihre Lebensgrundlage nehmen.

Drei Bundesländer drei Regelungen

In Niedersachsen und Hamburg gibt es eine solche Regulierung nicht. „Die Vorschrift in Schleswig-Holstein erscheint mir unglaubwürdig, wenn keine 100 Meter Luftlinie entfernt von Glückstadt oder Borsfleth rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr sogar gebaggert werden darf“, so Uwe Hanse aus dem Vorstand der Gruppe Nedderelv.

In Borsfleth läuft derweil das Spülen mit dem selbst gebauten Wasserinjektionsgerät (WIG) „Schwan von Borsfleth“. Die Pumpe für das WIG hatte der Verein glücklicherweise noch an Land, das restliche Material für den Bau des Spülgerätes musste neu angeschafft werden. Insgesamt wurden über 1.200 Arbeitsstunden geleistet, um den „Schwan von Borsfleth“ fertigzustellen. Der Schwimmponton ist mit einer Pumpe und einem Spülbalken ausgestattet und wird von einem Schubschiff geschoben.

Die Elbe ist ein beliebtes SegelrevierFoto: YACHT/L. BolleDie Elbe ist ein beliebtes Segelrevier

„Zum Starten muss das Wasser mit einer Handpumpe angepumpt werden, wenn die Pumpe voll ist, kann der Motor gestartet werden. Dann kann man ab Hochwasser sechs Stunden lang ganz langsam durch den Hafen fahren“, erklärt der erste Vorsitzende des SSV. Der Spülbalken wird knapp fünf Zentimeter über dem Schlick gefahren, ist ungefähr 6,5 Meter breit und hat 63 Düsen nach unten. Die Pumpe pumpt 700 Kubikmeter Wasser pro Stunde durch den Spülbalken und drückt es durch die Düsen in den Schlick.

Da zum Spülen immer mindestens zwei Personen benötigt werden und mittlerweile mindestens 425 Stunden im Jahr gespült werden muss, fallen ohne Vor- und Nachbereitung mindestens 850 zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr für den reinen Spülvorgang an. „Mit diesem Einsatz können wir immerhin auf 1/3 der Liegeplätze die entsprechenden Tiefen gewährleisten, diese weiter bewirtschaften und auch unseren Hamburger Gastliegern weiterhin als Wochenendidyll dienen“, äußert Ludger Walterbusch.

Große Sorgen um die Häfen

Dennoch macht er sich große Sorgen um den Fortbestand und die Wirtschaftlichkeit des Hafenbetriebes: „Als Verein kann ich natürlich anders kalkulieren als beispielsweise ein kommerzieller Betreiber, aber ich sehe schwarz, wenn die Landesregierung in Kiel uns nicht endlich unterstützt. Dann kann es auch für uns eng werden.“

Trotzdem freut er sich auf die Saison 2024: „Dank des Engagements der Mitglieder darf ich mich auch in diesem Jahr auf eine tolle Saison freuen, Borsfleth freut sich schon auf den Besuch der vielen Gastlieger!“


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