Bodo Müller
· 09.09.2022
Rügen zählt zu den schönsten Segelzielen Vorpommerns. 14 Häfen und Ankerplätze für einen spannenden und abwechslungsreichen Törn um die Insel – inklusive Abstechern nach Hiddensee und an die Küste
Deutschlands größte Insel ist enorm vielfältig. Entsprechend steht sie bei Touristen hoch im Kurs. Im Gegensatz zu Landurlaubern haben Segler die Chance, durch eine geschickte Auswahl an Etappenzielen dem größten Trubel zu entgehen und all die herausragenden Sehenswürdigkeiten Rügens einschließlich des benachbarten Hiddensees und der alten Hansestädte am Strelasund sowie am Greifswalder Bodden in Ruhe zu genießen. Lediglich genug Zeit sollte man mitbringen: Für eine entspannte Umsegelung Rügens sind zwei Urlaubswochen nicht zu wenig.
Es ist zum einen der unglaubliche Facettenreichtum – von der grünen Boddenküste über die schier endlos langen Sandstrände an der Außenküste bis hin zu den atemberaubenden weißen Kreidefelsen –, der das Revier so einzigartig macht. Hinzu kommen unzählige Zeugnisse aus alter und jüngerer Zeit, historische Bauwerke, spektakuläre Museen – und das alles inmitten einer großartigen, maritim geprägten Kulturlandschaft.
Wer seinen Heimathafen in der Region hat, ist im Vorteil. Von Stralsund, Greifswald oder auch Kröslin aus sind es nur wenige Seemeilen zum ersten tollen Ziel. Segler aus Schleswig-Holstein müssen bis zur Insel hingegen zunächst zwei bis drei Tagestörns absolvieren. Üblicherweise wird man, möchte man nicht nachts durchsegeln, Zwischenstopps einlegen, etwa in Wismar und Warnemünde. An- und Abreise ergeben dann rasch eine dritte Urlaubswoche. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, das Revier mit einer vor Ort gemieteten Charteryacht zu erkunden.
Egal, ob auf eigenem oder fremdem Kiel, für alle stellt sich die Frage, ob man Rügen lieber im oder besser gegen den Uhrzeigersinn umsegelt. Angesichts der teils lange anhaltenden Hochdrucklagen mit eher schwachen Winden, die im Sommer 2022 dominierten, war das im Grunde egal. Ist jedoch mit instabilem Wetter und Starkwind zu rechnen, sollte man vorausschauend planen. Dann kommt es vor allem darauf an, welches Wetter die Crew bei Kap Arkona erwartet. Die nördlichste Spitze der Insel kann sich als Wetterküche samt unangenehmem Kapeffekt, Strömung und hohem Seegang entpuppen. Bei viel Wind aus Nordwest würde man daher von West nach Ost ums Kap segeln, bei östlichen Winden andersherum. Ab sieben Beaufort, egal aus welcher Richtung, ist eine Urlaubercrew gut beraten, ganz darauf zu verzichten, Kap Arkona von See aus sehen zu wollen.
Doch wohin soll es nun konkret gehen? Wir stellen nachfolgend, ausgehend von Greifswald und dann gegen den Uhrzeigersinn um Rügen herum, insgesamt 14 Stadthäfen, Wasserwanderrastplätze, Sportbootmarinas und Ankerplätze vor, die allesamt ihren ganz speziellen Reiz haben. Und die problemlos mit Booten bis zwei Meter Tiefgang angesteuert werden können. Dabei handelt es sich überwiegend um Orte entlang der Außenküste, die eines garantieren: jede Menge Abwechslung!
Das im Mittelalter gegründete Greifswald zählt zu den ältesten Städten in Norddeutschland und beherbergt heute die zweitälteste Universität im Ostseeraum. Es liegt am schiffbaren Ryck, der im Süden des Greifswalder Boddens in die Dänische Wiek mündet. Über den Fluss kann man hinauf bis ins Stadtzentrum schippern; an beiden Ufern finden sich Gastliegeplätze. Sehenswert ist in Greifswald unter anderem das Caspar-David-Friedrich-Zentrum. Der berühmteste Maler der deutschen Romantik war ein Sohn der Stadt, er lebte hier meist in bitterster Armut. Wer auf dem Ryck in Richtung Bodden steuert, sollte nach dem Passieren der hölzernen Klappbrücke noch einmal in Wieck anlegen und die nahe Zisterzienserabtei Eldena besuchen. Die eindrucksvolle Klosterruine war eines der beliebtesten Motive Caspar David Friedrichs und der deutschen Romantik.
Der Ortsteil an der Nordküste des Greifswalder Boddens gehört zu Putbus, dem ältesten Seebad in Pommern. Putbus war Residenzstadt des Fürsten Wilhelm Malte I. und wurde ab 1810 im streng klassizistischen Stil errichtet. In Lauterbach können Yachten im Nordteil des ehemaligen Fischerhafens anlegen. Diese Stege werden von der Marina Im-jaich bewirtschaftet wie auch die gesamte benachbarte Marina. Hier finden Segler allen Service für Boot und Crew (www.imjaich.de/urlaub/wasserferienwelt-ruegen). Von Lauterbach sind es nur zwei Kilometer nach Putbus. Sehenswert ist dort der klassizistische Circus, ein kreisrunder Platz. Ferner die Orangerie und das Theater. Stilvoll fährt man mit dem „Rasenden Roland“, der rügenschen Schmalspur-Dampfeisenbahn, von Lauterbach-Mole nach Putbus. Die Strecke führt weiter zu den Seebädern im Südosten von Rügen bis nach Göhren (www.ruegensche-baederbahn.de).
Den schönsten Naturhafen auf Rügen erreicht man über die Having, die wiederum als schönster Fjord an der pommerschen Küste gilt. Dieser Teil gehört zum Unesco-Biosphärenreservat Südost-Rügen. Die damit verbundenen Restriktionen – Höchstgeschwindigkeit fünf Knoten, nicht ins Flachwasser unter zwei Meter fahren – dürften für die meisten Segler nicht relevant sein. In der Mitte der Having steuert man nach Norden in die Lanckener Bek hinein nach Seedorf. Schon die schwedische Marine nutzte einst diesen einzigartigen Naturhafen. Fürst Malte zu Putbus bestimmte 1809, in Seedorf Fischer, Schiffer und Werften anzusiedeln. Die reetgedeckten Häuser am Ostufer prägen noch heute das Bild des Dorfes. Vor der Fußgängerbrücke gibt es Gastliegeplätze im Hafen (www.hafen-seedorf-fewo. de). Die dortige Räucherei „De Seedörper“ bietet fangfrischen Fisch aus dem Rauch an.
Ein von Schilfufern gesäumtes Boddenfahrwasser führt von der Having durch die Baaber Bek und den Selliner See zum neuen Wasserwanderrastplatz Sellin. Ein wunderbarer Platz, doch bei der Ansteuerung unbedingt ans Fahrwasser halten! Die 20 Meter breite Baggerrinne ist offiziell zwei Meter tief. Man sah hier zwar schon Yachten mit mehr Tiefgang, das ist aber eigenes Risiko. Der neue Hafen wurde 2018 eröffnet, dort können 80 Gastyachten festmachen. Es gibt ein Hafenbüro und Sanitäranlagen (www.hafen-sellin.de). Von den Stegen aus läuft man etwa 600 Meter zu Fuß zum Kleinbahnhof Sellin und kann von dort mit dem „Rasenden Roland“ zu den Ostseebädern Baabe und Göhren dampfen. Sehenswert ist das Museum Göhren, in dem Besucher viel über die Geschichte des Mönchgutes erfahren.
Einen der schönsten Naturliegeplätze auf Rügen finden Crews an der Einfahrt zum Zicker See. Zwischen den Halbinseln Groß und Klein Zicker führt eine betonnte Rinne zum Fischerhafen Thiessow. An der Einfahrt in den Zicker See liegt an Steuerbord der beliebte Ankerplatz Klein Zicker Ort. Wer zeitig kommt, macht an einem der Dalben fest, die noch aus der Zeit der Dorfschifffahrt stammen. Hier liegt man sicher und in schönster Einsamkeit. Am Ufer wollte Schwedenkönig Gustav Adolf IV. 1806 eine Festung nach dem Vorbild von Karlskrona errichten, mit Platz für 400 Kriegsschiffe, dazu Kasernen, Werften, Offiziershäuser und eine Seefahrtsschule. Doch daraus wurde nichts: Die Franzosen besetzten ein Jahr später Schwedisch-Vorpommern und zerstörten die Bauten der Schweden. Wenige Reste davon entdeckt man noch, wenn man auf den Hügel von Klein Zicker wandert. Von dort ist der Blick übers Mönchgut fantastisch.
Der ehemalige Fährhafen von Rügen dient heute vor allem als Fischerhafen und Sportbootmarina. Zahlreiche Gastronomie findet sich entlang der Pier, ebenso ein Fischerei- und Hafenmuseum. Aufgrund der breiten, befeuerten Einfahrt, die von hohen Molen geschützt ist, kann Sassnitz bei jedem Wetter angelaufen werden (www.stadthafen-sassnitz.de). Der Ort ist ideal, um von hier aus die berühmten Kreidefelsen zu besuchen. Vom Eingang in den Nationalpark Jasmund am Stadtrand von Sassnitz läuft man zwei Kilometer bis zu den Wissower Klinken. Wer allerdings die Sicht durch die weißen Zinnen erwartet, wie sie Caspar David Friedrich 1818 malte, wird enttäuscht: Nach dem Fall der Mauer zierten die Wissower Klinken 1990 noch das Cover der YACHT. Am 24. Februar 2005 rutschten die märchenhaften Kreidezinnen dann aber ins Meer und wurden von der Ostsee fortgespült. Einfacher gelangt man zum Königsstuhl, der zum Unesco-Welterbe zählt: Ab Sassnitz fahren Busse bis fast an den berühmten Felsen heran. Dort wird derzeit kräftig gebaut, wobei man aber den Königsstuhl nach wie vor betreten darf. In Zukunft wird es eine futuristische Aussichtsplattform geben, die über dem berühmten Kreidefelsen regelrecht schweben soll (www.koenigsstuhl.com).
Das alte Fischerdorf findet sich am nördlichen Ende der Kreideküste. Der Hafen, der aus dem Jahr 1906 stammt, wurde 1997 modernisiert. Viele Plätze insbesondere für größere Yachten gibt es nicht, man muss also früh kommen oder auf sein Glück vertrauen. In den 50 Meter höher liegenden Ort gelangt man über eine steile Treppe. Oben angekommen, wird man im Restaurant „Am Meer“ mit guten Fischgerichten und einer grandiosen Aussicht entlohnt.
Der 2018 zur Marina erweiterte Hafen des Fischerortes ist die letzte Anlegemöglichkeit vor dem Kap Arkona. Der Hafen bietet 190 Liegeplätze mit allem Komfort. Daneben erstreckt sich der breite Sandstrand der Tromper Wiek (www.glowe.de). Von Glowe aus verkehren Busse zum 20 Kilometer entfernten Kap Arkona. Es ist das einzige Kap an der deutschen Küste, das gleich mit drei Türmen bestückt ist: Schinkelturm, Leuchtturm und Peilturm. Sie und auch der einst streng geheime Bunker der DDR-Volksmarine können besichtigt werden (www.kap-arkona.de).
Kloster ist der erste Anlaufpunkt, sobald man Kap Arkona in Ost-West-Richtung gerundet hat. Der ehemals kleine Fischerhafen wurde 2015 um neue Steganlagen nach Süden erweitert. Die gesamte Anlage heißt seither Seglerhafen Kloster und hat Platz für 50 Dauerlieger sowie 120 Gastyachten. Es gibt Strom, Wasser, W-Lan, Duschen, WC, Waschmaschinen, Trockner und eine Fäkalienabsauganlage (www.seglerhafen-kloster.de). Kloster ist das kulturelle Zentrum von Hiddensee. Sehenswert sind insbesondere die Inselkirche, das Gerhart-Hauptmann-Haus und natürlich der Leuchtturm auf dem bekannten Dornbusch.
Der Ort liegt bereits an den inneren Bodden von Rügen, er wird über den Wieker Bodden angesteuert. Sowohl der Gemeindehafen als auch der ehemalige Kreidehafen mit der markanten Verladebrücke wurden nach der Wende aufwändig saniert. Im Gemeindehafen befindet sich heute die Marina Wiek (www.marina-wiek.de), im Kreidehafen das Hafendorf Wiek (www.hafendorfwiek.de). Beide haben eine Reihe Gastliegeplätze mit allem Komfort. Die unweit der Stege gelegene St.-Georg-Kirche aus dem 14. Jahrhundert ist ein herausragendes Beispiel norddeutscher Backsteingotik – unbedingt anschauen!
Noch einmal zurück zur Nachbarinsel. Deren südlichster Hafen ist zweigeteilt: Das südliche Becken beherbergt einen Wasserwanderrastplatz mit 50 Gastplätzen. Dort gibt es Strom, Wasser, WC, Duschen und Fäkalienabsauganlage. Der nördliche Teil des Hafens ist Fischerbooten vorbehalten. Dazwischen, an der Mittelmole, legen Fähren an (www.seebad-hiddensee.de). In unmittelbarer Umgebung des Hafens finden sich mehrere Gaststätten. 500 Meter entfernt liegt das Fischereimuseum im ehemaligen Reusenschuppen „Lütt Partie“. Die feinsandigen Strände an der Westküste sind ebenfalls nur 600 Meter entfernt.
Der Ort im Westen Rügens beherbergt den größten Fährhafen nach Hiddensee. Der Yachthafen liegt weiter landeinwärts am Schaproder Strom. Dort kommen 220 Dauerlieger und Gastyachten unter (www.hafenschaprode.de). In Schaprode sitzt zudem der Yachtservice Rügen, der Reparatur- und Servicearbeiten rund ums Boot erledigt (www.yachtservice-ruegen.de).
Die Hansestadt liegt zwar nicht auf Rügen. Wer jedoch rund um die Insel segelt, schippert zwangsläufig durch die weiträumigen Hafenanlagen Stralsunds. Zugleich ist die Stadt ein kulturelles Highlight mit etlichen Sehenswürdigkeiten. Gäste machen am besten in der Citymarina fest und sind damit schon im Stadtzentrum (www.citymarinastralsund.de). Die Altstadt ist seit 2002 Weltkulturerbe der Unesco. Rund um den Markt erinnert unter anderem das Schwedische Kommandantenhaus daran, dass man einst zu Schweden gehörte. Auch der imposanten Nikolaikirche sollte man einen Besuch abstatten. Im Hafen kann die alte „Gorch Fock I“ aus dem Jahr 1933, die nach dem Zweiten Weltkrieg als „Towarisch“ unter sowjetischer Flagge segelte, besichtigt werden (www.gorchfock1.de). Die große Attraktion der Stadt ist das Ozeaneum, für das man einen halben Tag einplanen sollte (www.ozeaneum.de). Das in einem ehemaligen Kloster in der Stadt untergebrachte Meeresmuseum wird derzeit umgebaut; die Wiedereröffnung ist für 2024 geplant (www.meeresmuseum.de).
Wer nach dem Trubel Stralsunds Ruhe sucht, der ist im unweit entfernten Gustow genau richtig. Der kleine Yachthafen im Norden der Gustower Wiek ist eine paradiesisch ruhige Naturoase. Gesellig geht es hier trotzdem zu: Im Hafenmeisterhaus findet sich ein Bistro mit Bierausschank und leckeren Flammkuchen (www.im-jaich.de/hafen/heimathafen-gustow). 400 Meter entfernt lädt ein Sandstrand zum Baden ein.