Andreas Fritsch
· 10.03.2020
Das heimische Revier von der Flensburger Förde bis Fehmarn bietet schöne Stadthäfen, viel Natur in der Schlei und optimale Segelbedingungen
Die Reviere vor der deutschen Küste sind natürlich ideal für die Anreise mit dem eigenen Auto oder der Bahn. Nachfragen sollten Crews nur vorab, wo die Pkw abgestellt werden. In manchen Ausgangshäfen, etwa Heiligenhafen, sind die Plätze um den Hafen Kurzzeitparkplätze; wer länger stehenbleiben will, sollte sich also vorab bei der Charterfirma informieren, wo – falls nötig – Langzeitstellplätze verfügbar sind und was sie kosten.
Entlang der Küste gibt es diverse Chartermöglichkeiten: In Flensburg, Eckernförde, Kiel, Laboe, Heiligenhafen, Großenbrode oder Burgtiefe sind größere Flotten stationiert. Wer andere Abfahrtshäfen sucht, wird teils bei kleineren Anbietern fündig. Eine Eigenheit der deutschen Küste ist die sogenannte Eigner-Charter, die hier etwas verbreiteter ist als am Mittelmeer. Ein weiterer Unterschied ist zudem, dass an der Ostseeküste eine Reihe Firmen aktiv sind, die ihre Schiffe nicht über klassische Charter-Agenturen anbieten, sondern ausschließlich direkt selbst vermarkten. Solche findet man auf Messen, über Anzeigen oder im Internet. Generell ist das Preisniveau für Schiffe an der deutschen Küste niedrig. Wer Mittelmeer-Wochenpreise gewöhnt ist, wird angenehm überrascht sein!
Die deutsche Ostseeküste von Flensburg bis Kiel ist für ihre unberechenbaren Sommer bekannt, auch wenn sich in den letzten Jahren die Super-Sommer wie 2018 häufen. Von April bis Anfang September dominieren Winde aus westlichen Richtungen das Bild, bei stabilen Hochdrucklagen auch mal länger aus Osten. Gemeinsam ist ihnen, dass an der deutschen Küste vielfach gute Segelwinde herrschen sind – das langjährige Mittel für den Sommer liegt um die 12 bis 13 Knoten (4 Bft.). Allerdings ist die Ostsee auch für Starkwind gut, Stichwort Atlantische Tiefausläufer. Die können selbst im Sommer Starkwind oder Sturmtage bringen, mit ziemlicher Regelmäßigkeit eine Handvoll pro Monat. Sie haben auch stärkeren Regen im Gepäck. In den letzten Jahren gab es aber auch immer wieder erstaunlich lange, sehr trockene Phasen, eine Begleiterscheinung des Kilmawandels.
Fakt ist: Wer auf der Ostsee unterwegs ist, muss sich auch im Hochsommer auf ein paar Schlechtwetter-Tage einstellen und natürlich das volle Ölzeug samt Stiefeln dabei haben.
Navigatorisch ist die Küste nicht allzu kompliziert, diverse Untiefen und Riffs sowie Fahrwasser sind gut betonnt, die Sportbootkarten der deutschen Anbieter gehören zu den besten der Welt, was Detailreichtum und Updates angeht. Für Segler, die noch nie an der deutschen Küste gesegelt sind, ist die nicht sehr große Sichttiefe im Sommer, wenn die Algen blühen, eine Überraschung. Während man im Mittelmeer oft auch bei acht oder zehn Metern den Grund noch teils glasklar erkennen kann, ist in der Ostsee oft bei ein bis zwei, höchstens drei Metern Schluss. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist für Revier-Rookies die steile, kurze Ostsee-Welle. Aufgrund der oft relativ geringen Wassertiefen bildet sie sich bei Starkwind und sorgt für eher kurze, abgehakte Bootsbewegungen verglichen zum Mittelmeer.
Strom und Wasserstandsschwankungen sind in der Ostsee vorrangig ein Wind-Phänomen: Starke West- oder Ostwindlagen können in engeren Passagen schon mal zu stärkerem Strom und Hoch- beziehungsweise Niedrigwasser führen, das womöglich mehr als einen Meter ausmacht. Solche Phänomene kann man in der Schlei, Zufahrten zu Häfen oder an berühmten Landmarken wie der "Schwiegermutter" etwa vor Glücksburg auf der Förde antreffen. Deutlich stärker sind die Phänomene für Crews, die nach Dänemark wollen, der Svendborg- oder Alsensund sind Beispiele dafür.
Beachten müssen Crews das große militärische Schießgebiet der Hohwachter Bucht zwischen der Kieler Förde und Fehmarn. Auch den Sommer über finden häufig Übungen statt und muss dann weiträumig umfahren werden Die Schießzeiten werden über das Revierinformationssystem Elwis (www.elwis.de) des Bundes regelmäßig verbreitet und hängen in vielen Häfen aus.
Wer auf der Schlei unterwegs ist, muss sich mit den dortigen Naturschutzauflagen, teils engen Fahrwassern sowie den beweglichen Brücken in Kappeln und Lindaunis auseinandersetzen. Einige Häfen im Revier haben mit regelmäßiger Versandung in den Becken und den Zufahrten zu kämpfen (zum Beispiel Wentdorf, Lippe u. a.). Man sollte also unbedingt mit aktuellem Kartenmaterial unterwegs sein
Das Hafennetz an diesem Teil der deutschen Ostseeküste lässt eigentlich kaum Wünsche offen, nur entlang der Hohwachter Bucht wird es etwas mau. Ansonsten gibt es einen hervorragenden Mix aus attraktiven Stadthäfen wie Flensburg, Kappeln, Eckernförde, Kiel (Schilksee) und Heiligenhafen. Dazu kommen weitere kleinere Orte, die viele Fans haben, wie Arnis, Glücksburg oder Laboe. Abgerundet wird das Angebot von vielen Vereinshäfen, die oft ruhig und auch in schöner Natur liegen. Die Infrastruktur ist dann aber manchmal etwas einfacher.
In den übrigen Häfen ist das Niveau seit Jahren gut und steigend, vielerorts wurden Sanitäranlagen modernisiert und die Häfen touristisch attraktiver durch mehr Restaurants, Bars, Cafés usw. Die Küste hat für Revierneulinge trotzdem ihre Eigenheiten: Festgemacht wird oft vorwärts, seltener rückwärts in Boxen, das Heck wird an zwei Pfählen festgemacht. Chartercrews verschätzen sich manchmal mit dem Abstand der Pfähle, die für verschiedene Schiffslängen gedacht sind. In die Duschen und Toiletten kommt man vielerorts nur mit Codekarten, warme Duschen kosten extra (Wertmünzen oder Geld). Das Hafengeld bezahlt man entweder im Hafenbüro, oder der Hafenmeister dreht abends und morgens früh eine Runde durch den Hafen. Das Preisniveau liegt für ein Zwölf-Meter-Schiff bei günstigen 20 bis 25 Euro.
Törnführer: Jan Werner: Ostseeküste Bd. 1, Delius Klasing, viele gute Luftbilder! Hafenguide Flensburg–Danzig, Edition Maritim. Wer einen Satz Sportbootkarten kauft, bekommt zusätzlich damit immer auch ein Heft mit Hafenplänen, egal welcher Anbieter. Seekarten: Delius Klasing Satz 1, Kieler Bucht rund Fünen, NV-Verlag: Serie 1, Rund Fünen Kieler Bucht, Serie 2, Lübecker Bucht–Bornholm. Die Kartenwerft. Kieler Bucht und Kleiner Belt. Die Kartensätze unterscheiden sich in der regel durch die Revier-Schnitte, Skipper müssen also schauen, welcher zum geplanten Ziel passt. Alle Karten gibt es auch als digitale Version und als Bundle mit einer kostenlosen App.
Die westliche Ostsee ist seit Jahren auch für Chartercrews eines der Top-Ziele, schließlich ist die Anreise einfach und günstig, genau wie Yachten und Häfen. Das Revier von Flensburg bis Fehmarn gehört zu den beliebtesten Abschnitten an der Küste, auch weil hier die größten Charterflotten stationiert sind. Die Skipper starten allerdings nicht unbedingt in einen Törn entlang der deutschen Küste: Eine Mehrheit der Kunden zieht es weiter gen Norden nach Dänemark, oft ist die Dänische Südsee das Wunschziel. Crews aus Flensburg segeln häufig in Richtung Sonderburg auf Alsen und weiter nach Lyø. Crews, die aus Heiligenhafen starten, gelangen über Bagenkop oder Marstall ins beliebte dänische Revier rund Fünen.
Trotzdem bietet die deutsche Küste mehr als genug reizvolle Ziele für einen Urlaubstörn. Da sind zum einen die schönen Stadthäfen von Flensburg, Kappeln, Eckernförde und natürlich Kiel, die durchweg zentral liegen und es erlauben, die sehenswerten Innenstädte zu erkunden. Dann die kleineren Orte mit netten Häfen wie Arnis, Laboe oder Heiligenhafen. Landschaftlich segelt es sich in der Flensburger Förde und der Schlei besonders idyllisch und obendrein geschützt. Wer die beiden Gewässer noch nicht kennt, sollte sich einmal dort umschauen, die Ziele sind mehr als lohnend. Im Frühjahr segelt man durch leicht hügelige Landschaft mit leuchtend gelben Rapsfeldern, teils tollen Stränden. Gute Ankerplätze sind allerdings vor allem in der Schlei zu finden; in der Kieler Bucht und Eckernförder Bucht sowie der Flensburger Förde sind sie eher Mangelware.
Besonders die Schlei ist einen Abstecher wert: die urige Charme des abgelegenen Schleimünde, der Fischerort Maasholm mit dem angrenzenden Noor, dann das touristisch mittlerweile lebhafte Kappeln. Ganz zu schweigen vom pittoresken Arnis. Wie ein Fluss schlängelt sich das Gewässer mit Schilfsaum und urigen Anlegern in Richtung Schleswig. Weht es kräftig aus West oder Ost, sind Crews hier perfekt geschützt und können ohne nennenswerten Seegang und deutlich weniger Wind segeln als auf der offenen Ostsee.
Vom Charakter her ist ein Törn weiter gen Süden nach Eckernförde, das sich in den letzten fünf, sechs Jahren zu einem echten Top-Ziel an der Ostsee gemauert hat, etwas anders als etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Die meisten Crews segeln von Hafen zu Hafen, geankert wird selten. Das gilt auch für die Kieler Förde. Die ist natürlich auch wegen der vielen attraktiven Segel-Events ein lohnendes Ziel: Zur größten Regatta-Veranstaltung Deutschlands, der Kieler Woche oder zu den German Classics in Laboe im August, zu der rund 150 bildschöne Klassiker kommen.