NordseeDurch Nordfriesland - Sylt, Amrum und Föhr

Nico Krauss

 · 09.11.2025

Am Rand der Sände durch den Prickenweg: Ein Jollenkreuzer tastet sich um Amrum herum.
Foto: Nico Krauss
Auf Segeltörn in Nordfriesland: Unterwegs dort, wo alles nach der Tide tanzt – und die großen Erlebnisse zwischen den Gezeiten liegen. Teil 1: Sylt, Amrum und Föhr

​Den zweiten Teil der Törnreportage lesen Sie hier.

Bis auf den Boden biegen sich die Halme des Strandhafers. Der Südwestwind pfeift über den Kniepsand, treibt weiße Wolken aus Sandkörnern vor sich her. Ohne einen Flügelschlag schweben Hunderte Möwen vom Aufwind getragen entlang der Amrumer Küste.

​Gemütlich eingeweht auf Amrum

Seit Tagen sind wir nun schon hier auf der Nordfriesischen Insel, und das nicht ganz freiwillig. “Der Südwest packt uns fest” – so nennen das die Friesen. Eingeweht. Eigentlich wollten wir längst Kurs Süd setzen. Doch in diesem Revier hat nicht nur der Wind das Sagen – den könnte man mit einem oder zwei Reffs zähmen. Es ist die Tide, die hier das letzte Wort spricht.

​Der Sportboothafen von Amrum liegt nur wenige Gehminuten vom Ortskern von Wittdün entfernt, mit Cafés, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Er ist Teil des Seezeichenhafens und wird vom Amrumer Yachtclub betrieben. Bis zu 40 Gastboote machen nördlich am Schwimmsteg längsseits bei etwa zwei Meter Wassertiefe fest, der gesamte Innenbereich der Steganlagen fällt dann trocken und besteht aus weichem Schlick. Strom und Wasser sind am Steg, die Hafenmeisterei (Tel. 0171/ 717 21 22, a-y-c.de) und der Sanitärbereich im Restaurant Seefahrerhus.

Planen in der Blauen Maus

Wer bei ablaufendem Wasser aus dem Amrumer Rütergat hinauswill, trifft auf die ganze Härte der See: “Wind gegen Strom – da steht sofort ’ne steile Welle”, bestätigt Onno Lorenzen, ehemaliger Fischer. “Da willst du dann echt nicht draußen sein.” Wir treffen ihn in der Blauen Maus, jener legendären Amrumer Inselkneipe, die seit Jahrzehnten Zuflucht bietet – für Windflüchtige, Seefahrer und Landratten.

Grog, Malt Whisky, Seemannsgarn und Musik aus den guten alten Zeiten – für eine Weile scheint der Wind vor der Tür vergessen. „Bei dem Schietwetter bleibt man besser fest“, knurrt Onno. „Und gegenan bolzen ist ja auch nicht lustig.“ Damit würden wir zwar die gefährliche Situation von Wind gegen Strom vermeiden, hätten aber dann auch den Wind plus Tidenstrom mit bis zu drei Knoten auf die Nase.

Ein Wetterfenster öffnet sich

Mitsegler und App-Taktiker Finn checkt ständig Wind- und Tidedaten auf seinem Handy – und hat für uns ein Wetterfenster entdeckt: „Wir legen zwei Stunden vor Hochwasser ab“, verkündet er. „Das wird kein Traumtörn, aber wir kommen hier weg“, verspricht er uns.

Mit gerefftem Großsegel und Maschinenunterstützung durchs Gatt raus auf die Nordsee. Klingt nach einem Plan. Und da Hochwasser um vier Uhr morgens ist, heißt es jetzt: Ab in die Koje. Auch Onno gibt uns seinen Segen: „Wat mutt, dat mutt, Männer. Gute Fahrt!“ Auch wenn er unsere spendable Bordkasse am Tresen sicher vermissen wird.

Pricken im Scheinwerferlicht

Der Takt der Tide ist im Wattenmeer Rhythmusgeber. Das kann nerven – führt aber auch zu ungewohnt schönen Erlebnissen, die Crews außerhalb des Watts nur mit beherztem Überwinden des inneren Schweinehunds erleben. Um 3:30 Uhr klingelt der Wecker. Raus aus dem Schlafsack, Kopflampen an, Leinen los.

Mit dem Scheinwerfer suchen wir das prickenmarkierte Fahrwasser im Priel, das sich in einer Kurve entlang der Küste zieht. Auch bei Niedrigwasser sollen hier knapp zwei Meter Tiefe Wasser sein – genug für unser Boot, aber wenig Spielraum für Fehler. Steuerbord liegt das beleuchtete Fährterminal verlassen und still. Wir schieben uns hinaus ins Rütergat.

Wie aus einer anderen Welt

Vor der Abzweigung zum Gatt blinkt uns die Fahrwassertonne 26 den Kurs, die nächste bleibt im Dunkeln verborgen, bis der Lichtkegel unseres Handscheinwerfers auch dieses schwimmende Seezeichen erfasst. Alles läuft nach Plan. Hart am Wind bei sehr steifer Brise, gerefft und mit Maschinenunterstützung folgen wir der Rinne, die auflaufende Tide hat bereits wieder an Kraft verloren.

Die weißen Lichtfinger der Leuchtfeuer von Amrum und Süderoogsand fliegen über den Nachthimmel, das Rauschen der Brandung an den Sänden mischt sich mit dem Ruf der Seevögel. Eine Szene wie aus einer anderen Welt – rau, schön, fast mystisch.

Als der Strom kentert, verändert sich die Wellenformation und wird steil und ruppig wie eine Buckelpiste. Doch wir sind bereits weit genug draußen und nähern uns der Ansteuerungstonne. Hinter uns liegen die Gatts und Sandbänke, vor uns rollt die lange Dünung der Nordsee und der Wind spielt seine Songs in der Takelage. Geschafft.

Unter Deck kocht die Freiwache starken Kaffee, an Deck mischt sich sein aromatischer Duft mit der Gischt der überkommenden See. Der Steuermann grinst in die ersten Sonnenstrahlen des Morgens. Achteraus verschmilzt Amrum mit dem Horizont – schön, unprätentiös, trotzig gegen jedes Wetter.

Rückblick: Törnstart auf Sylt

Nördlich von Amrum liegt Sylt – die größte Nordfriesische Insel, 33 Kilometer Strand und Dünen vom Feinsten. Wie ein zerbrechlicher Wellenbrecher schützt sie die Westküste des nördlichsten Bundeslandes, während Stürme und Strömungen an ihren Stränden nagen. Bis zu zwei Millionen Kubikmeter Sand gehen jährlich zurück an die Nordsee, werden wieder abgebaggert und an die Küste gespült – Futter für den nächsten Sturm. Sisyphos lässt grüßen. Eine bessere Methode, die Insel zu sichern, ist bisher nicht gefunden.

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Ganz im Süden Sylts liegt Hörnum mit einem Yachthafen, der über das betonnt geführte Vortrapptief nahezu tideunabhängig anzulaufen ist. Hier haben wir unseren Törn begonnen. Der Hafen befindet sich in Bundeshand. Teile des nicht verpachteten Areals wirken sanierungsbedürftig. Der vom Sylter Yacht-Club bewirtschaftete Bereich mit Schwimmstegen ist dagegen gut in Schuss.

Die Wassertiefe beträgt 1,9 bis 2,5 Meter und es stehen 80 Liegeplätze zur Verfügung. An den Stegen sind Strom und Wasser verfügbar, dazu moderne Sanitäranlagen, freies WLAN, Waschmaschine und Trockner sowie Diesel an der Bootstankstelle. Klubhaus und Duschen sind modern. Das Hafenbüro ist erreichbar unter 04651/ 88 02 74, VHF-Kanal 11, hafenbuero@sylter-yachtclub.de.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Hörnum selbst hat in den letzten Jahren optisch wie kulinarisch stark zugelegt: In den Dünen laden stilvolle Restaurants ein, direkt am Hafen bietet das Budersand Hotel ein ausgezeichnetes Gourmetrestaurant. Und über allem wacht der markante Leuchtturm.

Amrum und Föhr sind in Sichtweite

Von hier aus liegen Amrum und Föhr in Sichtweite – trügerisch nah: „Der direkte Kurs zu den Nachbarinseln ist nur etwas für Yachten mit geringem Tiefgang und Ortskenntnis“, sagt ein Skipper vom Sylter Yacht Club. Der Prickenweg dicht entlang der Amrumer Odde ist schmal, lange Abschnitte fallen bei Niedrigwasser trocken. Priele verlagern sich dynamisch, Sände nach Stürmen ebenso. Einheimische orientieren sich oft am Kurs der Fähren – ein guter Hinweis für den besten Weg durchs Watt.

Für Jollenkreuzer und andere Flachgänger ist das ein Traumrevier. Wir verordnen unserer Kielyacht den sichereren Weg durchs Vortrapptief westlich von Amrum, vorbei am Jungnamensand mit seiner Robbenkolonie, durchs Kniep-Fahrwasser entlang des Kniepsands und weiter ins Rütergat nach Wittdün.

Den zweiten Teil der Törnreportage lesen Sie hier.

Meistgelesen in der Rubrik Reisen