Tatjana Pokorny
· 03.05.2024
Seinen Einsatz im ehemaligen America’s-Cup-Revier vor Bermuda hatte sich Taylor Canfield anders vorgestellt. Angreifen wollte der Steuermann der Amerikaner an diesem Wochenende. Stattdessen kenterte sein Team am Freitag im Training. Was dramatisch aussah, verlief für die Crew nach durchlaufenen Sicherheitstrainings laut Veranstalter glimpflich und ohne größere Verletzungen. Nicht aber für das mächtige Flügelsegel, das bei der Kenterung in der Nähe der Teams aus Neuseeland und Großbritannien stark beschädigt wurde.
Das Boot wurde schnellstmöglich geborgen. Die Untersuchung der Schäden dauerte am Abend an. „Der Flügel ist massiv beschädigt“, berichtete US-CEO und Athlet Mike Buckley. Welche Auswirkungen die Kenterng und ihre Folgen auf das Rennwochenende haben werden, war zunächst noch nicht klar. „Das war ein bedauerlicher Unfall. Zum Glück wurde niemand verletzt“, sagte Buckley kurz nach der Kenterung. Es hätte viel schlimmer kommen können. Er sei froh über das Sicherheitstraining, das alle Crews absolvieren müssen. Dieses habe nun Wirkung gezeigt.
Die verbliebene Zeit im Trainingsrennen verlief ohne Zwischenfälle. Der Crew um den zweimaligen 49er-Olympia-Dritten Erik Heil aus Strande bei Kiel gelang es, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 60 Stundenkilometern als erste über die Ziellinie zu fliegen. „Obwohl wir versuchen, uns nicht so stark auf das Ranking zu fokussieren, merken wir bei jedem Rennen, dass wir enorme Fortschritte machen. Unsere harte Arbeit zahlt sich aus. Das gibt uns vor allem für das anstehende Rennwochenende einen Motivationsschub“, sagt Erik Heil.
In der Pressekonferenz mit allen Skippern hatte Heil zuvor aber auch darauf hingewiesen, dass sein Team nach wie vor eine steile Lernkurve absolviere. Der Fahrer des Germany SailGP Teams sagte: “Wir haben viele Aufgaben zu bearbeiten. Wir hatten Glück beim letzten Mal, dass so viele Teams Crashes hatten und wir die Regatta etwas weiter oben im Klassement beenden konnten. Aber wir waren immer noch sehr schlecht bei den Starts. Wir haben daran für dieses Event sehr hart gearbeitet.”
Zurück im deutschen Team ist 49er-FX-Steuerfrau Sophie Steinlein vom Norddeutschen Regatta Verein. Sie kommt gerade von der Last Chance Regatta in Hyères, wo sie mit Marla Bergmann und Hanna Wille (Mühlenberger Segel-Club) ihre Teamgefährtinnen vom German Sailing Team dabei unterstützt hatte, den Nationenplatz für Deutschland im olympischen Frauen-Skiff erfolgreich zu sichern.
Nach mehr als einem Monat SailGP-Pause freute sich Sophie Steinlein mit dem gesamten Team unter deutscher Flagge, endlich wieder mit dem furiosen F50 fliegen gehen zu können. Und das im Traumrevier vor Bermuda. Dabei hatte Sophie Steinlein gleich mehrere Positionswechsel zu meistern. Die 22-jährige Athletin berichtete: „Zuerst durfte ich den F50 in der Position des Flightcontrollers fliegen und dann auch noch eine Zeit am Steuer sein. Das war wirklich toll.”
In bester Angriffslaune präsentierte sich bei der Pressekonferenz aller zehn SailGP-Skipper America’s-Cup-Verteidiger und 49er-Olympiasieger Peter “Pistol Pete” Burling. Auf die Frage, ob es sich im SailGP besser offensiv oder defensiv fahre, lachte der Steuermann der in der Saisonwertung souverän führenden Kiwis, die im Herbst vor Barcelona den America’s Cup verteidigen wollen, und sagte: “Ich glaube, alle hier sind hier offensiv, insbesondere Phil.”
Der heitere kleine Seitenhieb galt dem im Fahrerlager schon einmal zum aggressivsten Steuermann gewählten Landsmann Phil Robertson im Team Kanada, der auf den kurzen SailGP-Kursen gern angriffslustig agiert. Robertson allerdings wies darauf hin, dass sein Team bei der letzten SailGP-Regatta im neuseeländischen Christchurch von gleich drei Teams “gecrasht” worden sei. Die Frage nach Gerüchten, dass Team Kanada zum Verkauf stehe, bedachte Phil Robertson mit einer kurzen Antwort: “Kein Kommentar.”
Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema der Pressekonferenz waren die hohen Strafpunkte der Liga für jene Teams, die Kollisionen verursachen. Beim Neuseeland-Gipfel hatten die Teams aus Australien (12 Strafpunkte für die Christchurch-Regatta, 8 Minuspunkte für die Saisonwertung), Großbritannien und Dänemark (beide 8 Strafpunkte für die Christchurch-Regatta, 4 Minuspunkte für die Saisonwertung) ihre Fehler sehr teuer bezahlt. Mehrere Skipper empfinden das Strafmaß als zu hoch.
Dass es im SailGP bei hohem Tempo oft gefährlich eng zugeht, ist auf dem Wasser und bei den Live-Übertragungen zu sehen. Die Veranstalter der Serie, an deren Ende allein die Saisonsieger zwei Millionen US-Dollar kassieren, wollen mit den schmerzhaften Strafen die Crews von zu forschen Manövern und die Boote vor zu vielen Schäden bewahren.
Peter Burling erklärte das Dilemma: “Es ist geht hier im SailGP extrem eng zu. Ich glaube, dass die anderen Boote jedem mit einer zu defensiven Einstellung aufs Dach steigen würden. Bei dem Level, der im SailGP jetzt herrscht: Wenn du nicht super hart pushst, wirst du nicht mal in die Nähe der Spitze kommen.” Bei den hohen Geschwindigkeiten ist der Grat zwischen offensivem und gefährlichem Spiel ein sehr schmaler.
Die Rennen des Apex Group Bermuda Sail Grand Prix finden am Samstag und Sonntag (4. und 5. Mai 2024) statt. Die Live-Übertragung ist mit deutschen Kommentaren jeweils ab 19 Uhr bei WedoTV zu sehen. An beiden Renntagen kommentieren die Top- und Olympia-Segler Tobias Schadewaldt und Thomas Plößel das Geschehen. Hier geht es direkt zur Übertragung.