Eigentlich sollte das Rennen schon viel früher stattfinden, doch schwierige Sponsoren-Suche, die langen Bau- und Entwicklungszeiten für die Boote machten es für die junge Klasse schwierig. Etwas über zwei Jahre dauert der Bau so eines Bootes, und um sein Potenzial einigermaßen auszuschöpfen und die Kinderkrankheiten auszumerzen, dauert es noch mindestens ein weiteres. Für ein siegfähiges Projekt muss erst einmal ein Sponsor gefunden werden, der diese Geduld und rund 30 bis 40 Millionen Euro mitbringt.
Und dann war da noch die Katastrophe des Route du Rhum Races von 2018: Armel Le Cléac’h rammte im Sturm ein Ufo, ein Beam brach, das Boote kenterte und zerbrach endgültig. Der Skipper wurde gerettet, aber danach wartete die Klasse praktisch drei Jahre lang, bis das Team Banque Populaire, eine der festen Größen der Szene, das neue Boot fertiggestellt hatte.
Vor zehn Jahren hätte wohl niemand vorhersehen konnte, dass solche rund 15 Tonnen schwere Boote schon so bald mit teils über 40 Knoten Speed in zwei bis drei Meter Höhe über die Weltmeere „fliegen“ würden, nun ist es Realität. Genau wie bei der Vendée Globe gibt es aber Boote, deren Entwicklungsstufen unterschiedlich sind, die Sprünge von einer Bootsgeneration zur nächsten sind doch erheblich. Und auch ihre Skipper, zum Teil die Rockstars der Offshore-Regatta-Szene, sind unterschiedlich stark einzuschätzen. Wir stellen Skipper und Boot vor und ordnen ihre Chancen, um den Sieg mitzufahren, ein.
Das Gitana-Team ist der Pionier der foilenden Ultim-Entwicklung. Es baute vorher einen MOD 70 auf Foils um, sammelte Erfahrungen und entwickelte mit Star-Designer Guillaume Verdier 2017 den Tri. Ein Neubau wurde gerade angekündigt. Kein Boot hatte mehr Entwicklungszeit – und Budget. Es dauerte ein Jahr, dann waren die Kinderkrankheiten ausgemerzt und eine Siegesserie setzte ein: Route-du-Rhum-Sieg, Transat – alles, was die Skipper Charles Caudrelier und Franck Cammas anfassten, wurde zu Gold. Das Schiff gilt als DER Klassenprimus. Zwei Jules-Verne-Versuche mussten wegen Kollision mit Treibgut und technischen Problemen abgebrochen werden. Caudrelier ist zweifacher Volvo-Race-Sieger, gilt als besonnen, ehrgeizig und hart zu sich selbst. Ihn gilt es wohl zu schlagen.
Niemand hat mehr Erfahrung, was eine Nonstop-Einhand-Weltumsegelung mit einem Ultim angeht. Coville hat zwei Runden einhand mit Tris absolviert, eine bescherte ihm 2016 den Rekord, bevor François Gabart ihn überflügelte. Coville ist eine Segel-Legende, Volvo-Race-Gewinner, Jules-Verne-Trophy-Rekordhalter, Route-du-Rhum-Sieger, Vendée-Teilnehmer – er hat fast alles erreicht. Das Rennen betrachtet er als seinen Karriere-Höhepunkt. Doch die 2019 fertiggestellte „Sodebo Ultim“, ein Design-Mix von VPLP und seinem Team, hinkte budgetbedingt immer deutlich hinter „Gitana“ und „Banque Populaire“ hinterher. Das Boot war nicht als kompletter Foiler entworfen, die Entwicklung zum vollen Foiler kam spät, 2022. Zuletzt konnte er den Abstand verringern. Könnte für eine Überraschung gut sein.
Die Grazie im Starterfeld. Das von VPLP für François Gabart gebaute und von ihm weiterentwickelte Boot ist der wohl filigranste Foiler und aerodynamisch kompromisslos gestaltet: Statt eines klassischen Cockpits Flushdeck mit zwei jetartigen Glaskuppeln samt Autosteuerrad für Rundumsicht. Das gab Ärger: Die Ultim-Klasse klagte gegen das Design, erst 2022 gab es eine Einigung, Gabart musste umbauen. Der Tri ist das jüngste Boot der Flotte (August 2021), hatte kaum Probleme und war von Anfang an sehr schnell, zweimal Zweiter beim Transat, dieselbe
Position bei der Route du Rhum. François Gabart hat Rookie Laperche seit 2021 zielstrebig als Skipper aufgebaut, doch dem fehlt Round-the-World- und Einhand-Erfahrung. Kurz vor dem Start Struktur-
Probleme am vorderen Beam.
Fast wäre der Umstieg des Vendée-Globe-Gewinners von 2017 in die Ultim-Klasse 2018 tragisch geendet: Bei der Route du Rhum zerbrach sein brandneuer Tri in schwerem Wetter nach einer Ufo-Kollision, kenterte vor den Azoren und sank. Er kam knapp mit dem Leben davon. Danach finanzierte der Sponsor nach VPLP-Rissen ein neues Schiff, das angesichts der Fortschritte beim Foilen massiv verändert wurde: doppelt so große Foils wie beim Vorgänger, die Struktur der Beams, die versagt hatte, massiv verstärkt. Im April 2021 kam der Tri ins Wasser. Danach Pech bei der Route du Rhum 2022, als ein Foil brach. Skipper und Boot kamen erst 2023 in Fahrt, gewannen gerade das Transat Jacques Vabre. Le Cléac’h ist ein Top-Mann, Formkurve von ihm und Boot zeigen aber erst langsam nach oben.
Das VPLP-Design von 2015 ist die alte „Macif“, mit der François Gabart 2017 den Einhand-Nonstop-Weltrekord aufgestellt hat. Damals brauchte er etwas über 42 Tage. Seitdem ist das Boot stark überarbeitet worden und nun deutlich schneller. Es hat jetzt auch ein T-Foil am Hauptrumpf, längere T-Foils an den Rudern und brandneue Foils in den Schwimmern. Trotzdem, es ist zwei Meter kürzer als die anderen Boote und ursprünglich nicht als Foiler konstruiert worden. Daher war es in allen bisherigen Rennen den jüngeren, fürs Foilen entwickelten Schiffen deutlich unterlegen. Aber „Actual“ gilt als sehr zuverlässig. Weiteres Fragezeichen ist der Skipper, der das Boot und keinen anderen Tri jemals einhand in einem Race gesegelt ist. Allerdings hat er Erfahrung im Volvo Ocean Race.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion tauchte der Offshore-Trimaran-Skipper aus der Ocean-50-Klasse plötzlich als sechster Starter auf. Er bringt die alte „Sodebo Ultim“ von Thomas Coville an die Linie, die der Veranstalter 2022 gekauft hat und verchartert, zuletzt bei der Route du Rhum an Arthur le Vaillant als „Mieux“. Das Boot ist ein Upcycling-Projekt: Der Rumpf ist die 22 Jahre alte „Geronimo“ von Olivier de Kersauson. Thomas Coville verlängerte den Rumpf, baute neue Schwimmer, machte das Schiff sechs Tonnen leichter. So wurde aus dem Tri einer der ersten Ultims, mit dem Coville in 49 Tagen um die Welt segelte und 2017 die Route du Rhum gewann. Ein erprobtes Boot, aber ein Non-Foiler, der hinterherfahren wird. Péron fehlte bis zum Start auch noch Budget. Sein erklärtes Ziel: ankommen!