Es lag einiger Stolz in der Luft in diesen Gitana-Tagen in Lorient. Am Mittwochabend hat der namhafte französische Rennstall sein seine neue zukünftige Rekordjägerin in Lorient vorgestellt. Die Enthüllung war spektakulär: Nach einer Präsentation mit Ariane de Rothschild und allen Mitgliedern des Rennstalls wurden plötzlich alle Vorhänge gelüftet. Dann fanden sich alle Gäste im riesigen Hangar unter den Rümpfen der neuen künftigen Königin der Weltmeere wieder.
Zuerst fällt das Design des 32 Meter langen und 24 Meter breiten Gigantin auf: Die Künstler Florian und Michaël Quibert haben den Look in Zusammenarbeit mit dem Palais du Tokio geschaffen. Dabei erstreckt siche in fast 2000 Quadratmeter großes Gemälde über Rümpfe und Segel. Es ist ein minimalistisches, aber doch komplexes Fresko, das Punkt für Punkt in die Karbonhaut ein- und auf die Segel aufgebracht wurde.
Es zeigt – inspiriert von Ariane Rothschild und ihren vier Töchtern Noémie, Alice, Eve und Olivia – fünf Gesichter, die in Hell-Dunkel-Kontrasten modelliert wurden und in der Anmutung aussehen, als würden sie gerade aus dem Meer auftauchen. Die typischen Gitana-Farben Blau und Gelb vereinen sich auf diesem Boot mit Kohlefaserschwarz.
Bevor der neue “Maxi Edmond de Rothschild” im Januar zu Wasser geht, haben ihn seine Mütter und Väter in dieser Woche im Gitana-Teamcamp im Herzen von Lorients La Base in der Rue Sous-Marin Venus vorgestellt. Ein 25-köpfiges Team hat an Design und Entwicklung gearbeitet. Das Gitana-Team mit Generaldirektor Cyril Dadashti, Projektchef Sébastien Sainson, Technik-Direktor Pierre Tissier und ihren Mitstreiter hat “Maxi Edmond de Rothschild” mit Design-Koryphäe Guillaume Verdier entwickelt.
Die neue “Maxi Edmond de Rothschild” ist das insgesamt achtundzwanzigste Boot in bald 150-jährigen Geschichte des Gitana-Rennstalls. Für den stehen heute Ariane de Rotschild und ihre Töchter mit einer “Kultur der Innovation und Kühnheit”, wie es im Team heißt. Die Begriffe wirken fast wie eine Untertreibung, wenn man auf das neue Raketenschiff blickt, das auch – so sagte es Ariane de Rothschild im Interview mit der YACHT – ein Inbegriff französischer Bootsbaukunst ist.
“Dieses Boot repräsentiert französische Exzellenz. Gerade in dieser Zeit, in der Europa-Bashing weit verbreitet ist, zeigt dieses Boot, was in Europa am besten gemacht wird. Dieses Boot zeigt ein Niveau an Technologie und Ingenieurskunst, die nur schwer zu finden ist”, sagte Ariane de Rothschild, deren Familienname dafür stehe, Projekte langfristig zu planen und ein gewisses Maß an Risiken einzugehen. Dazu gehöre, so die Rennstall-Besitzerin, “in meiner Familie immer schon eine Leidenschaft für Wettbewerb, Leistung und auch für technologische Umbrüche”.
So einen markiert jetzt “Gitana 18”, Nachfolgerin von “Gitana 17”, die viele Rennen gewann und neue Bestleistungen erbrachte wie etwa den Sieg bei der Arkea Ultim Challenge 2024 mit Skipper Charles Caudrelier. Schon 2017 waren Ariane de Rothschild und das Gitana-Team die ersten, die daran glaubten, dass das Offshore-Fliegen die Zukunft des Offshore-Rennsports sei. Acht Jahre später, bereichert von der “Gitana 17”-Erfahrung über mehr als 200.000 Seemeilen und beflügelt von vielen Erfolgen, schickt der Rennstall nun “Gitana 18” ins Rennen.
Den Unterschied zwischen den beiden Geschossen erklärt Technik-Direktor Pierre Tissier: “Mit ‘Gitana 17’ haben wir das Thema des konstanten Offshore-Fliegens auf Foils als Erste begonnen. Mit ‘Gitana 18’ wissen wir, wie man fliegt, aber wir pushen die Konzepte für das Fliegen mit diesem Boot, wollen konstanteres Fliegen erreichen. Das ist schon herausfordernd. Der Simulator sagt, wie es geht. Aber er ist auch nur ein Simulator.”
50.000 Forschungsstunden, 200.000 Baustunden haben die 36 Monate Entwicklungszeit geprägt. Mehr al 200 Menschen waren an dem Projekt bis zur ersten Enthüllung in Lorients La Base beteiligt. Wie ihre Vorgängerin, soll auch der ‘Maxi Edmond de Rothschild’ neue Wege beschreiten. Angestrebt ist als bewusst hochgesetztes Ziel der 100-prozentige Flugbetrieb. “Gitana 18” markiert den Aufbruch ins neue Vollzeitflugzeitalter – nicht nur auf Kurzrennstrecken wie im SailGP, sondern auch auf hoher See. Die auffälligsten und revolutionären Ideen stecken in den Anhängen und im Mast: Die Ruderblätter, die durch ihre U-Form weniger Verwindungen haben, halten das Boot in einem stabileren Flugmodus.
Beim Foil können die beiden Wings unabhängig voneinander angestellt werden. Dadurch wird Lift erzeugt und die Abdrift verringert. Auch das aufrichtende Moment wird durch die Möglichkeit der unterschiedlichen Ansteuerungsoptionen der beiden Wings erhöht. Das T-Foil unter dem Hauptrumpf ermöglicht in Kombination mit den beiden im Wasser befindlichen Ruderblättern einen stabileren Flugmodus. Das gilt insbesondere bei schwerer See.
Das T-Foil und die insgesamt drei Ruderblätter in U-Form wurden nicht aus Kohlefaser, sondern aus einer speziellen Metalllegierung gefräst. Zur Zusammensetzung der Metalllegierung und ihrem Gewicht hüllt sich das Team in Schweigen – es bleibt vorerst eines der wenigen Geheimnisse, mit dem die Mission der “Gitana 18” startet. Die Foilarme der beiden Foils und ihre Wings samt etwa 2,50 Meter langem Mittelteil sind aus Gewichtsgründen aber aus Karbon gefertigt.
Aufsehen erregend ist auch das neue Mastkonzept: Der neue Mast ist im Verhältnis zum Mast der “Gitana 17” in seiner Flügelform kürzer und schmaler. Skipper Charles Caudrelier nennen ihn “eine Revolution”. Es ist ein Canting-Mast mit verstellbaren Salingen, die erstmals bei einem Boot dieser Größe bis zu 35 Grad nach hinten verstellt werden können. Mit diesen verstellbaren Salingen kann man in der so wichtigen Übergangspahse in den Flugmodus den Mast stärker biegen, dadurch die Segel flacher machen, die Segelform deutlich flexibler und besser der Geschwindigkeit anpassen.
Auch das Deckshaus ist anders, besticht mit sehr vielen Fenstern, die Skipper Charles Caudrelier zu einem besserem Überblick verhelfen sollen. Dieses Konzept wurde mit Hilfe eines Virtual-Reality-Programms umgesetzt, das die perfekte Positionierung der Fenster zeigte. Unter Deck wurde der schwarze Look des nackten Karbons auf Wunsch von Charles Caudrelier beibehalten. Der Skipper erhofft sich davon unter anderem eine Reduzierung der Reflektion der omnipräsenten Datendisplays und fühlt sich grundsätzlich in dunklerer Umgebung wohler.
Charles Caudrelier hat im vergangenen Jahr rund 99 Prozent seiner Zeit in dieses Projekt gesteckt, wie er im Gespräch mit der YACHT erzählte. “Wir haben Stunden und Stunden mit dem Simulator-Segeln von diesem Boot verbracht, unser Feedback an die Designer gegeben. Sie haben in der Folge wirklich vieles an den Foils verändert. Es wird das erste Mal sein, dass ich auf ein neues Boot gehe, aber es in der virtuellen Wirklichkeit schon gesegelt habe. Das ist sehr interessant und hat das Design wirklich verändert”, sagte Charles Caudrelier in Lorient. Auf einer Skala von Supergefährten zur See ordnet Charles Caudrelier die neue “Gitana 18” als perfektionierten Formel-1-Rennwagen für die See ein.
Zu was dieser “Maxi Edmond de Rothschild” im Stande sein wird, der auf dem Papier etwa 10 bis 15 Prozent mehr Leistung bringen könnte als die Vorgängerin? Charles Caudrelier sagt: “Zu etwas mehr als ‘Gitana 17’, wenn auch nicht zu sehr viel mehr. In schwerer See werden wir schneller, aber auch nicht so viel schneller sein. Mit diesem neuen Boot hoffen wir, einen möglichst perfekten Flug zu erreichen.”
Weiter erklärte Caudrelier: “Im Idealfall werden wir sehr hoch fliegen können, ohne jemals die Wellen zu berühren. Wir hoffen, in drei Meter hohen Wellen fliegen zu können und eine durchschnittliche Segelgeschwindigkeit von fast 40 Knoten zu erreichen. Ich glaube, wir können die 40 Tage (Red.: Der Jules-Verne-Rekord von “Idec Sport” aus dem Jahr 2017 liegt bei 40 Tagen udn 23 Stunden) brechen, auch wenn das ebenso mit ‘Gitana 17’ möglich gewesen wäre. Aber jetzt sind die Chancen gestiegen.”