Tatjana Pokorny
· 16.07.2024
Diese erste Etappe der Transquadra für über 40-jährige Solisten und Zweihand-Amateursegler hatte es in sich. Wer darauf gesetzt hatte, dass der Eröffnungsabschnitt des Zweiteilers Transquadra von wahlweise La Turballe oder Marseille nach Madeira die sanfte Ouvertüre zur ab 1. Februar 2025 folgenden zweiten Transat-Etappe von Madeira nach Martinique sein würde, der erlebte sein blaues, anfangs vor allem graues Wunder. “Es war nicht ganz so wie in den Werbebroschüren der Veranstalter angekündigt, nach denen man eigentlich in La Turballe den Spi hochzieht und ihn erst vor Madeira wieder runternimmt”, sagte “Sharifa”-Co-Skipper Cord Hall kurz nach dem Zieldurchgang lachend.
Es war vom Anstrengungsfaktor her schon mit Etappe zwei gleichzusetzen” (Rasmus Töpsch)
“Es war vom Anstrengungsfaktor schon mit Etappe zwei gleichzusetzen”, stimmte Rasmus Töpsch zu. Gemeinsam hatten sich der “Sharifa”-Eigner und Skipper Töpsch und sein Segelfreund Cord Hall vom Strander Yacht-Club – der deutschen Seeseglerszene bestens als Väter und Organisatoren des Zweihand-Rennens des Baltic 500 bekannt – lange auf den Zweiteiler vorbereitet. Sie eröffneten Etappe eins mit ihrer JPK 10.10 am 7. Juli vor La Turballe nach kurzem Start-Stolperer ebenso in der Spitzengruppe wie die Brüder Benjamin und Christoph Morgen vom Norddeutschen Regatta Verein auf der JPK 10.30 “Momo”.
Bootsbauer Benjamin Morgen und Anwalt Christoph Morgen haben sich eher spät und spontan zum Transquadra-Start entschlossen. Bei der 50. Geburtstagsfeier eines Freundes hörte Christoph Morgen im September vergangenen Jahres von dem Ü40-Zweiteiler über den Atlantik und war elektrisiert. Er fragte seinen Bruder, ob sie das nicht als gemeinsames Projekt machen sollten. Nach grünem Licht der Familien, hatten die Hamburger bereits vier Tage nach der ersten Idee zwei gebrauchte JPK 10.30 im erreichbaren europäischen Raum ausgemacht und wenig später eine davon in Marseille gekauft.
Vier gemeinsame Trainingseinsätze vor Palma und ein Wochenende in Kiel mussten für den ersten gemeinsamen Regatta-Einsatz der Brüder auf “Momo” reichen. Beide sind zuvor nie doublehand gesegelt. Während Benjamin Morgen sonst in den Klassen Drachen und Waszp aktiv ist, hat Christoph Morgen nach Opti und Pirat im und mit dem Hamburgischen Verein Seefahrt “viel Dickschiff gesegelt”, Regatten wie Pantaenius Rund Skagen oder auch nach Kopenhagen, bevor er in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus beruflichen und familiären Gründen kaum mehr zum Regattasegeln kam.
Wir haben achteinhalb Tage von Hand durchgesteuert” (Benjamin Morgen)
Das wollten die Brüder ändern und haben es genossen. Dass ihr Autopilot vier Stunden nach dem Start der ersten Transquadra-Etappe versagte, war allerdings nicht eingeplant. “Wir haben achteinhalb Tage von Hand durchgesteuert”, berichtete Benjamin Morgen nach dem Zieldurchgang. Sie kamen trotzdem als zweites Boot der mit 17 Zweihand-Crews größten Wertungsgruppe der “Performance-Duos” ins Ziel, mussten nur die dominant agierenden Franzosen Eric Guigne und Tangi Caron auf dem JPK-10.30-Schwesterschiff “Ose” ziehen lassen.
Diese Etappe hatte einen ziemlich hohen Kreuzanteil” (Benjamin Morgen)
Die französischen Gruppensieger haben den Kurs von La Turballe nach Madeira in 8 Tagen, 13 Stunden und 50 Minuten gemeistert. Die Morgen-Brüder benötigten knapp dreieinhalb Stunden länger, bevor sie die Ziellinie nach kaum mehr als zwei Stunden Schlaf pro Nacht müde, aber glücklich als Gruppen-Zweite erreichten. Benjamin Morgen sagte in einer ersten Bilanz: “Es war anspruchsvoll, an den ersten vier, fünf Tagen immer nur grau, Regen. An Winden gab es von null bis 35 Knoten alles. Diese erste Etappe hatte einen ziemlich hohen Kreuzanteil.”
Die französische “Ose”-Crew blieb mit ihrem Vorsprung auch berechnet vorn, teilte sich das Podium mit ihren Landsleuten. Das Hamburger Duo Morgen/Morgen segelte berechnet auf Platz sechs. Genau dahinter platzierten sich in der Handicap-Wertung Rasmus Töpsch und Cord Hall mit ihrer JPK 10.10 “Sharifa” auf Platz sieben. Die Etappe hatte das Duo aus Strande nach einigen Rückschlägen und mit viel Kampfgeist im Endspurt nach gesegelter Zeit auf Platz sechs abgeschlossen.
“Bis der Split kam, sind die beiden so super gefahren”, zollte “Momo”-Skipper Benjamin Morgen der “Sharifa”-Crew im Etappenhafen viel Respekt. Mit dem “Split” meinte der Hamburger die Entscheidung der in Halbzeit eins in der Führungsgruppe liegenden Landsleute Töpsch und Hall, ein Verkehrstrennungsgebiet (VTG) vor der portugiesischen Küste innen und in Landnähe zu passieren. Das “Sharifa”-Team war überzeugt, dort einem aus Westen nahenden und wachsenden Hochdruckblock besser ausweichen zu können.
Was viele Beobachter an Land nicht gleich wussten: An Bord der “Sharifa” war die Iridium-Verbindung ausgefallen. Rasmus Töpsch und Cord Hall konnten Routings nur mit immer älter werdenden Daten durchführen. “Wir waren ziemlich blind für etwa 48 Stunden”, sagte Rasmus Töpsch. Sie wählten auch deshalb die VTG-Innenbahn, um in Landnähe noch einmal Wetterdaten empfangen zu können. Als sie etwa auf Höhe von Lissabon realisierten, dass die Flotte ihrem Kurs entgegen den Erwartungen nicht gefolgt war, wurde klar, dass sich die Wetterinformationen offenbar stark verändert hatten.
Dann konnten wir sehen, dass wir uns ganz schön in die Sch… geritten hatten” (Cord Hall)
Cord Hall erzählte: “Wir hatten am Donnerstagabend zum letzten Mal Wetter bekommen. Zwei von drei Modellen hatten die Innenbahn als besser gesehen. Freitagmorgen haben wir mit den gleichen Daten nochmals geroutet. Andere hatten wir ja nicht. Es blieb bei den Vorteilen für innen. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Routings mussten wir davon ausgehen, dass die anderen folgen würden. Wir hatten zunächst weiter null neue Wetterinfos, null Positionen der Gegner. Sonst hätten wir unseren strammen Kurs nach Süden vielleicht noch einmal überdacht. Andererseits bot uns die Landnähe auch die einzige Chance, nochmals an Wetterdaten zu kommen.”
Als die “Sharifa”-Crew schließlich zum Wochenende die Iridium-Verbindung wieder in den Griff bekam, “konnten wir sehen, dass wir uns ganz schön in die Sch… geritten haben”, so Cord Hall. Sie waren zunächst deutlich aus den Top Ten rausgefallen. Während der Rest der Flotte auf südwestlichem Kurs Madeira nahe der Anliegelinie entgegensegelte, entschieden sich die Norddeutschen schließlich auf ihrem Südkurs zum scharfen Rechtsabbieger, folgten und legten eine so starke wie für ihre Fans in der Whatsapp-Gruppe “Sharifa traverse l’Atlantique” spannende Aufholjagd hin. Viele bekannte Segler fieberten hier mit.
Mit dem anfänglichen “Nebel wie bei einem Alaska-Rennen” (Christoph Morgen), “Zwölf Stunden Seekrankheit wie nie zuvor” (Cord Hall), einem kaputten Autopiloten (”Momo”) und einer defekten Iridium-Verbindung (”Sharifa”), fordernden Flautenfeldern und zwischendurch auch wieder viel Druck, nach Tiefen und Höhen, war diese erste Etappe des Rennens für Amateursegler im Alter von mehr als 40 Jahren eine denkwürdige. Cord Halls Bilanz: “Wir waren zwar Freitagabend ziemlich down, aber dann glücklich im Ziel. Wir haben das Boot nicht kaputt gemacht. Und uns auch nicht.”