Tatjana Pokorny
· 02.11.2023
Das Orkantief Ciarán hat an der französischen Atlantikküste große Schäden angerichtet, doch die Transat-Flotten in Le Havre und Lorient kamen weitgehend unbeschadet davon. Die stärksten Winde wurden am frühen Morgen des 2. November gemessen. An der Küste des Départements du Finistère wurde eine Böe von fast 210 km/h registriert. Der Sturm führte in Verbindung mit einem starken Anstieg des Meeresspiegels zu hohen Wellen vor der bretonischen Küste. Südlich von Molène erreichte eine dieser Wellen eine Höhe von 21 Metern.
Die Flotte war sehr gut vorbereitet” (Melwin Fink)
“Für den Moment ist alles gut”, vermeldete Team Malizias Skipper Boris Herrmann am Donnerstagmorgen. In Le Havre hatte sich die Imoca-Flotte mit “Malizia – Seaexplorer” erfolgreich vor dem Sturm geschützt. Auch in Lorient, wo die Transat-Boote der Klassen Ocean Fifty und Class 40 den Sturm im Hafen La Base erwarteten, konnten die Teams aufatmen.
“Sign for Com”-Co-Skipper Melwin Fink sagte in Lorient: “Es ist alles gut gegangen. Unser Boot ist super heil. Die Flotte war sehr gut vorbereitet. Auf jedem Boot hat jemand die Nacht verbracht, auch auf unserem. Zusätzlich haben sechs Leute vom TJV-Team geholfen. Die haben sich wirklich sehr ordentlich gekümmert.” Fink erzählte, dass er sich solche Windstärken vorher noch nicht einmal habe vorstellen können. Im gut geschützten Hafen von La Base stürmte es über Nacht mit bis zu 80 Knoten. “Dabei war es krass zu sehen, wie verhältnismäßig ruhig das Wasser trotzdem blieb. Beeindruckend!”, sagte Fink.
Techniker Mathieu Ravier vom Imoca-Team Foussier-Mon Courtier Energie zog unter der Überschrift “Eine stürmische Nacht” diese Bilanz: “Einige werden es bemerkt haben: In der letzten Nacht in Le Havre waren die Lichter einiger Imocas eingeschaltet. Die Schiffe befanden sich jedoch im Hafen. Die Lichtsignale waren Zeichen dafür, dass sich Leute an Bord befanden. Wenn ich von Leuten spreche, meine ich damit einige Skipper und viele Techniker. Diese Leute, die man bei der Arbeit auf den Booten sieht, haben die ganze Nacht über abwechselnd Wache gehalten.”
Weiter schrieb Mathieu Ravier: “Man würde meinen: Die segeln doch gar nicht! Nein, aber sie beschützen diese Rennmaschinen der Meere, diese technischen Biester, die im Angesicht des Sturms so zerbrechlich wirken. Zusätzlich zu den Wächtern und Wächterinnen war die Rennleitung mit ihrem Team für den Fall von Alarmsituationen auf Standby. Man muss ihnen nicht allen danken, aber man darf nicht vergessen, dass es selbst im Sturm Hände gibt, die Tag und Nacht präsent sind, um das Wohlergehen unserer Seeungeheuer zu gewährleisten. Ehrlich, so etwas gibt es in der Formel 1 nicht.”
Mathieu Ravier hat seine Zeilen gegen 2 Uhr morgens verfasst, bevor er den nächsten Sicherheitscheck des Imoca vornahm. Wie er haben die Technik-Teams aller Rennställe, darunter auch viele Malizianer, die ganze Nacht durchgewacht. Während die Segler und Organisatoren nun auch dank ihnen kurz aufatmen können, bleibt die Planung des Transat-Starts für die Imocas und der Neustarts für Ocean Fifties und Class 40s mehr als anspruchsvoll.
“Es sind ständig 40, 50 Knoten da draußen”, weiß nicht nur Melwin Fink. Zwar haben die Transat-Jacques-Vabre-Veranstalter den kommenden Sonntag (5. November) für den Neustart der Imocas ins Auge gefasst und würden die Ocean-Fifty- und Class-40-Felder gern ab Montag schnellstmöglich ins Rennen schicken, doch die Bedingungen bleiben äußerst schwierig, die Startwahrscheinlichkeit ist – vorerst – nicht sehr hoch.
Viele Experten sehen sogar erst gegen Ende der kommenden Woche um den 10. November herum die Chance auf eine Startmöglichkeit. Sebastian Wache, Diplom-Meteorologe bei Wetterwelt, erklärt: “Wenn es gut läuft, öffnet sich nächste Woche Freitag vielleicht ein Fenster. Das europäische Modell bietet diesen aber keinesfalls sicheren Hoffnungsschimmer. Andere Modelle sehen den dafür grundlegenden Vorstoß des Hochs aber gar nicht.” Auch in der kommenden Woche ist mit weiteren atlantischen Tiefdruckgebieten zu rechnen.
Die Folgen daraus sind für das Transat Jacques Vabre Normandie Le Havre und alle Beteiligten hart. Die Veranstalter in den französischen Häfen und auch im Karibik-Zielhafen Fort-de-France auf Martinique müssen immer wieder umplanen. Ebenso Teams, Partner und Fans. Daran hängen Tausende Buchungen von Flügen und Unterkünften. Die Warteschleife wird für alle immer teurer.
Die Sorgen der anderen drei Klassen und der Veranstalter haben die Ultims nicht. Auch vier Tage nach dem Start trennen die ersten drei Mehrrumpf-Giganten nur 14 Seemeilen. Die Führung hatten am Donnerstagmittag wieder Armel Le Cléac’h und Sébastien Josse übernommen. Es folgen fast Bug an Bug “SVR Lazartigue” mit François Gabart und Tom Laperche sowie Titelverteidiger Charles Caudrelier mit Erwan Israël auf “Edmond de Rothschild”. Nach zuvor flauer Passage war das Trio am Donnerstag mit Geschwindigkeiten zwischen 30 und 35 Knoten wieder rasend schnell unterwegs.
Die Zusammenfassung vom 1. November zeigt, wie die mächtigen Mehrrumpfboote in der Flaute klebten und die Zeit für Reparaturen nutzten, bevor sie nun wieder in rauschendem “Flugmodus” unterwegs sind:
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