Transat Jacques Vabre“Wir wollen uns lieber mit den neuen Schiffen messen”

Tatjana Pokorny

 · 13.11.2023

Der Blick von "Nexans – Art & Fenêtres" über den Atlantik zum goldenen Horizont
Foto: Team Nexans – Art % Fenêtres
Boris Herrmann reflektiert zum Ende der ersten Woche im 16. Transat Jacques Vabre den West-Süd-Split der Imoca-Flotte, der inzwischen zum Nord-Süd-Duell geworden ist. Der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper erklärt, warum sein Team die Südroute gewählt hat, obwohl die früh nach Westen abgebogenen Ausreißer aus seiner Sicht nach wie vor bevorzugt erscheinen

Nord oder Süd? Die Frage beschäftigt die Imoca-Welt und Transat-Jacques-Vabre-Beobachter seit Tagen. Sie löst abwechselnd Diskussionen, Kritik und wieder Hoffnung bei den Fans der verschiedenen Teams aus. Wer wird sich am Ende durchsetzen können?

Immer noch führte am siebten Tag des Transat-Klassikers die erste Westausreißerin Justine Mettraux mit Julien Villion auf “Teamwork.net” auf der Nordroute das Imoca-Feld an. Ihr Vorsprung vor dem führenden Süd-Boot “For People” mit Thomas Ruyant und Morgan Lagravière ist aber bereits auf 100 Seemeilen zusammengeschmolzen. Eineinhalb Tage zuvor waren es noch fast 200 Seemeilen.

Die Süd-Gruppe holt im Passat auf

Mit Yoann Richommes “Paprec Arkéa” und Jérémie Beyous “Charal” hatten sich am späten Montagabend inzwischen zwei weitere Süd-Boote auf Platz drei und vier des Klassements vorgeschoben. Auf Platz fünf folgt wieder ein West-Boot: “Groupe Debreuil” mit Sébastien Simon und Iker Martinez. Sie sind gegenüber “Teamwork.net” aber zurückgefallen, weil sie mit ihrem verdrehten Großsegel zu kämpfen hatten. Am Montagabend waren sie auffällig langsam unterwegs.

In dieser sich wieder stärker mischenden Reihenfolge haben sich Boris Herrmann und Will Harris mit Beharrlichkeit und teilweise sehr gutem Speed auf Platz acht vorgearbeitet. Rund 205 Seemeilen trennten sie am 13. November abends von “Teamwork.net”. Boris Herrmann ging zu diesem Zeitpunkt weiter davon aus, “dass Justine da oben gewinnen kann”. Der Grund dafür, warum er nicht selbst beim frühen West-Ausbruch der aktuell Führenden mitgegangen ist: “Wir wollten nicht mit einem einzelnen Schiff diese Westroute fahren. Wenn das Schiff plötzlich was hat, segelt man da völlig alleine, gegen sich selbst und das Wetter.”

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Wir sind ganz zufrieden, dass wir hier jetzt mit acht Schiffen Speedtests segeln. Und eine richtig coole Regatta!” (Boris Herrmann)

Stattdessen blieben die Malizianer beim Gros der Flotte. Boris Herrmann sagt: “Hier im Süden sind wir jetzt ganz zufrieden, dass wir jetzt mit acht Schiffen Speedtests segeln. Und eine richtig coole Regatta! Auch wenn dann Justine höchstwahrscheinlich gewinnen wird. Aber wir haben ja noch die Rückregatta, für die wir alle heile Schiffe nach Martinique bringen wollen. Ich denke, das hat für viele auch noch einen Ausschlag gegeben.”

Ich war überrascht, dass acht Foiler in den Süden fahren” (Boris Herrmann)

Neugierig ist nicht nur Boris Herrmann darauf, wie die Konkurrenz später ihre Entscheidungen erklären wird. “Es wird ganz interessant sein, beim Bierchen auf Martinique die Stimme des einen oder anderen oder der einen oder anderen zu hören, warum sie ihre Route gewählt haben. Ich war überrascht, dass acht Foiler in den Süden fahren und nur zwei in den Westen. Ich hätte eher gedacht, dass es vielleicht Hälfte-Hälfte wird. Oder sogar mehr in den Westen fahren. Dass alle plötzlich abbiegen. Aber dann sind alle nach Süden gefahren.”

Und so blieben auch Herrmann und Harris beim Hauptfeld im Süden. Der Skipper erklärt: “Wir sind absichtlich dabei gelieben. Wohl wissend, dass wir im Westen vielleicht als ‘Lonely Rider’ weit hätten nach vorn kommen können. Ich bin aber jetzt sehr froh auf der Südroute. Man fährt hier jetzt auch 30 Knoten, springt über die Wellen. Das ist nicht nur gemütliches Cruising. Es ist full on! Es macht aber mehr Spaß als gegen fünf Kaltfronten anzubolzen. So viel zu dieser Routenwahl.”

Der Transat-Nutzen: erster Langzeit-Leistungstest mit den neuen Booten

Boris Herrmanns Zwischenbilanz: “Es sieht nach wie vor sehr gut aus auf der Westroute. Sie ist einleuchtend, gleichzeitig ist es aber irgendwie verständlich, dass viele das nicht wollten. Mich erstaunt, dass keiner gesagt hat: ‘Oh, da hole ich mir jetzt den Sieg, ich fahre nach Westen.’ ‘Charal’ beispielsweise, hätte ich gedacht. Er ist ja (Red.: für die Vendée Globe) qualifiziert und hat keinen Druck. Auch wir hätten die Route nehmen können. Aber wir wollen uns lieber mit den neuen Schiffen messen. Man darf nicht vergessen: Es ist das erste Mal, dass wir bei einer längeren Regatta gegen die antreten.”

Ähnliche Gedanken treiben auch Sam Goodchild auf seinem Guillaume-Verdier-Design “For the Planet” von 2019 an. Der Brite lag am Montagabend mit seinem Co-Skipper Antoine Koch auf Platz sieben in der inzwischen auch nach Westen abgebogenen führenden Gruppe der Süd-Boote. “Wir geben richtig Gas, um an den neuen Booten dranzubleiben. Aber die sind schnell. Wir haben ‘Initiatives Cœur’ gerade vor uns und ‘V and B’ momentan unter uns. Wir sind also in bester Gesellschaft.”

Die Transat-Favoriten treiben sich gegenseitig an

Im Wettstreit der Strategien waren die beiden Imoca-Flotten am Montag durch etwa 800 Seemeilen in Nord-Süd-Ausrichtung voneinander getrennt. Welche der beiden Gruppen wird also das Fernduell gewinnen? Es bleibt spannend. Auch wenn die Routings bis zum Abend weiter die Nordgruppe vorn sahen, bleiben die mit den Wettersystemen zusammenhängenden Unsicherheiten. Zudem lag das Top-Trio der neuen Boote “Charal”, “Paprec Arkéa” und “For People” am Montagabend kaum zehn Seemeilen auseinander. Die Teams treiben sich gegenseitig an. Die Vorstartfavoriten rasten Martinique mit Geschwindigkeiten von bis zu 25 Knoten entgegen und erhöhten damit den Druck.

Bemerkenswert ist die spektakuläre Aufholjagd von Groupe Apicil. Damien Seguin und Laurent Beaudart sind nach ihrem technischen Zwischenstopp in Lorient zur Reparatur ihres gebrochenen Baums wieder neu ins Rennen eingestiegen und bereits auf Platz 23 vorgerückt!

Die Jagd-Saison ist eröffnet!” (Andreas Baden)

Auf Platz 31 segeln Fabrice Amedeo und der Kieler Andreas Baden auf “Nexans – Art & Fenêtre” mit ihrem Non-Foiler ein bislang konzentriertes und kontrolliertes Rennen. Am Montagabend berichtete Andreas Baden von Bord: “Die Jagd-Saison ist eröffnet! Nach diversen Tagen, die wir schon kein Boot mehr gesehen haben und höchstens mal ein Frachter unseren Weg kreuzte, ist kurz nach unserer Halse nördlich der Kanaren einer unserer Mitspieler im Sonnenuntergang vor uns aufgetaucht und hat vor uns gehalst. Ja! Wir wollen auch spielen! Nach einem mental nicht unanstrengenden Tag, an dem wir die Gegner südlich im frischen Passat davonziehen sahen und wir hier immer noch in der Transitionszone zwischen dem Hoch und dem Passat verhältnismäßig langsam unterwegs waren, spornt das doch an. Das wird eine heiße Nacht.”

Die wünschten sich auch Lennart Burke und Melwin Fink auf “Sign for Com”. Mit Platz 19 sind die Jungprofis vom Team Next Generation Sailing nicht zufrieden. “Wir überlegen seit Tagen, wie es passieren konnten, dass wir aus dieser Flaute nicht rausgekommen sind”, sagte Lennart Burke. Gleichzeitig demonstrierten die Segler Kampfgeist. “Wir powern durch und schauen mal, was passiert. Das Rennen ist ja noch nicht vorbei”, sagte Melwin Fink. Die in der Class 40 führende “Crédit Mutuel” hatte am Abend des 13. Novembers noch 2.260 Seemeilen bis in den Zielhafen Fort-de-France zu absolvieren. Für Lennart Burke und Melwin Fink waren es noch 2.578 Seemeilen.

Das Leben an Bord im Passat – Boris Herrmann und Will Harris berichten:

Hier geht es zum Live-Tracker für das 16. Transat Jacques Vabre:

Empfohlener redaktioneller Inhalttransat-jacques-vabre.geovoile.com

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