Transat Jacques Vabre“Hexenkessel” überstanden – ”Wetterbombe” in Sicht

Tatjana Pokorny

 · 31.10.2023

Raste mit Start-Ziel-Sieg zum Erfolg beim Sprint-Auftakt der Class 40 im 16. Transat Jacques Vabre: die Class 40 "Alla Grande Pirelli"
Foto: Martina Orsini/Ambrogio Beccaria
Lennart Burke und Melwin Fink haben ihre Feuertaufe im 16. Transat Jacques Vabre bestanden. Die Jungprofis berichten über den brutalen Start, die Härten des Sturm-Sprints von Le Havre nach Lorient und das gute Gefühl, mit intaktem Boot angekommen zu sein. Dazu alle News rund um die Vorbereitungen auf den schweren Sturm an der französischen Atlantikküste und die Neustarts

Lennart Burke und Melwin Fink haben den Sprint-Auftakt zum 16. Transat Jacques Vabre mit Platz 23 abgeschlossen. Den stürmischen Abschnitt von Le Havre nach Lorient absolvierten die beiden Neu-Hamburger in 1 Tag, 14 Stunden, 23 Minuten und 15 Sekunden. Sie kamen 4 Stunden, 17 Minuten und 56 Sekunden nach den souveränen Klassensiegern Ambrogio Beccaria und Nicolas Andrieu auf “Alla Grande Pirelli” ins Ziel.

“Alla Grande Pirelli” mit souveränem Start-Ziel-Sieg

Auf die Plätze zwei und drei segelten Xavier Macaire und Pierre Leboucher auf “Groupe Snf” und Mathieu Perraut/Kévon Bloch auf “Inter Invest”. Als beste Skipperinnen erkämpften die Ocean-Race-Seglerinnen Amélie Grassi und Anne-Claire Le Berre auf “La Boulangère Bio” Platz zehn. Die beiden Französinnen kamen rund zwei Stunden nach Klassensiegerin “Alla Grande Pirelli” ins Ziel. Überschattet hat den Auftakt der Mastbruch der Co-Favoriten Ian Lipinski und Antoine Carpentier auf “Crédit Mutuel”.

Nach der Ankunft am Dienstagmorgen um 4.04 Uhr sagte Melwin Fink in Lorient erleichtert: “Wir sind ohne Bruch heil angekommen, haben den Sturmritt überstanden. Es war ziemlich tough. Das war ein Hexenkessel. Ein Hexenkessel nach dem anderen. Schon der Start war mit bis zu 46 Knoten etwas anders als geplant.” Lennart Burke sagte: “Ja, es war heftig. Aber ich denke, wir haben alles richtig gemacht. Wir sind am Anfang sehr defensiv gefahren. Am Ende wollten wir das nicht mehr, haben aber nicht mehr den Speed gefunden, den wir eigentlich brauchten.”

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Wir sind wie blinde Vögel durch die Nacht gefahren” (Melwin Fink)

Ein Grund dafür waren die Windgeber, die beide versagten. Melwin Fink erzählt: “Wir hatten in der Nacht keine Winddaten mehr. Die Kabel sind scheinbar durch. Dadurch sind wir wie blinde Vögel durch die Nacht gefahren.” Lennart Burke ergänzte: “Wie Blindfische. Es war grausam, nicht den Speed zu finden. Das Topplicht geht nicht mehr. Beide Windsensoren gehen nicht mehr. Da wissen wir noch nicht ganz genau, was passiert ist.”

Mit dem Ergebnis selbst haderten der 25-jährige Burke und sein 21 Jahre alter Co-Skipper nach der harten Prüfung ein wenig. Melwin Fink sagte in Lorient: “Wir hatten uns eigentlich etwas mehr erhofft. Wir sind sehr zufrieden damit, dass das Boot heil ist, wollten aber doch ein bisschen weiter vorne sein und nicht so einen großen Abstand haben. Wir sind rumgefahren wie die blinden Hühner. Schlimm, wie man so angewiesen ist auf die Technik – besonders bei Nacht ist das der Wahnsinn.”

Das große Leg kommt ja erst noch” (Lennart Burke)

Dennoch blickten die Neu-Hamburger bereits optimistisch auf den weiteren Verlauf den Transat Jacques Vabre, bei dem der große Sprung über den Atlantik erst noch bevorsteht. Lennart Burke sagte: “Das große Leg kommt erst noch. Wir haben richtig Bock, sind voll motiviert und freuen uns schon sehr, mit ganzem Schiff hier in Lorient zu sein. Bis auf die Mastkabel, so glauben wir, ist alles gut.”

Aus Sicherheitsgründen hatte die Rennleitung des Transatlantik-Klassikers von Le Havre nach Martinique zwei der vier Bootsklassen nur auf den 300 Seemeilen kurzen Kurs nach Lorient geschickt. Dort sollen sie schwere Atlantikstürme abwarten, bis der Neustart auf Kurs Karibik erfolgen kann. Dazu zählte auch die Class 40, in der Burke und Fink starten.

Imoca-Start und Neustarts für Ocean Fifties und Class 40 am kommenden Wochenende?

Wann der Neustart für die Klassen Ocean Fifty und Class 40 aus Lorient sowie der Start der Imocas von Le Havre aus erfolgen kann, ist weiter offen. Die Rennleitung hat angekündigt: “Der Start findet nicht vor Samstag, dem 4. November, statt. Wir hoffen, am 5. November starten zu können.” Darauf bereiten sich bei den Imocas Boris Herrmann und Will Harris auf “Malizia – Seaexplorer” sowie die in München geborene Isabelle Joschke und Pierre Brasseur auf “Macsf” und der Kieler Andreas Baden mit Fabrice Amedeo auf “Nexans – Art & Fenêtres” vor.

Zunächst aber wappneten sich alle Teams in beiden Häfen für den am Mittwochabend an der französischen Atlantikküste erwarteten schweren Sturm Ciarán. Dieses gewaltige System hatte dazu geführt, dass die Flotte der 40 Imocas, die am Sonntag ins 16. Transat Jacques Vabre hatten starten sollen, am Kai in Le Havre festsitzt. Gerechnet wird an der Küste mit einem außergewöhnlichen Sturm mit Windgeschwindigkeiten von über 80 bis 90 Knoten. Deshalb wurde die Imoca-Flotte von ihren Skippern, Teams und Helfern bereits innerhalb des Bassin Paul Vatine von Le Havre verlegt und maximal gesichert.

“Wetterbombe” im Anmarsch: ein Sturm wie 1999?

Dabei halfen sich die Imoca-Teams in großer Solidarität gegenseitig. Maxime Sorel, Skipper auf “V&B Monbana Mayenne”, sagte: “Einige der Technik-Teams sind schon abgereist. Also helfen wir einander. Das ist die normale und echte Solidarität bei uns Seglern. Wir sind daran gewöhnt, an Land Freunde und auf dem Wasser Konkurrenten zu sein.”

Das nahende schwere Tief soll mit dem Sturm vergleichbar sein, den Frankreich 1999 erlebte und der damals riesige Schäden anrichtete. “Es handelt sich um ein sehr explosives Tiefdruckgebiet mit sehr starken Winden und besonders schwerer See”, sagte “Apicil”-Skipper Damien Seguin. In einer Ankündigung der Veranstalter ist von einer “Wetterbombe” die Rede.

Kein Rettungsdienst könnte einem Segler in der Not noch helfen” (Yoann Richomme)

Es werden Böen von 110 bis 120 km/h im Landesinneren und noch mehr auf See erwartet, wie “Paprec Akrea”-Skipper Yoann Richomme erklärte: “Auf See sind 80 Knoten vorhergesagt, mit Böen von mehr als 100 Knoten (Red.: mehr als 185 km/h). Bei einer See mit Wellen von zwölf Metern. Das ist unvorstellbar. Kein Rettungsdienst könnte einem Segler in der Not noch helfen.”

Ohne diese aktuellen Sorgen ist eine Transat-Klasse längst auf Kurs Karibik. Querab der portugiesischen Küste lieferten sich die fünf Ultim-Gigantinnen zwei Nächte nach dem Start am Dienstagmorgen packende Kämpfe auf See. Bei ständigen Führungswechseln lagen am Morgen des 31. Oktober François Gabart und Tom Laperche auf “SVR Lazartigue” vorn. Mit 50 Seemeilen Rückstand folgte Titelverteidiger Charles Caudrelier mit Erwan Ïsrael auf “Edmond de Rothschild”, die mit Spitzengeschwindigkeiten auch jenseits der 30 Knoten unterwegs waren. Die Ultim-Klasse war als einzige direkt auf Kurs Karibik entsandt worden, weil die Mehrrumpfboote schnell genug waren, dem Sturmtief rechtzeitig zu entkommen.

Ocean-Fifty-Sprint entschieden

Nachzutragen bleiben noch die Sprint-Ergebnisse der Ocean Fifties, die Lorient vor den Class-40-Duos erreicht hatten. Klassensieger waren hier Thibault Vauchel-Camus und Quentin Flamynck auf “Solidaires en Peloton”, die Lorient eine knappe Stunde vor Luke Berry und Antoine Joubert auf “Le rire médicin – Lamotte” erreichten. Auf Platz drei segelten Sébastien Rogues und Jean-Baptiste Gellée auf “Primonial”.

Heil angekommen! Die ersten Reaktionen von Lennart Burke und Melwin Fink:

Empfohlener redaktioneller Inhaltwww.facebook.com

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.

Meistgelesen in der Rubrik Regatta