Fabrice Amedeo? Genau! Das war der sympathische französische Solist und Journalist, der bei der Transatlantik-Regatta Route du Rhum 2022 nach einem Brand an Bord sein Boot verlor. Amedeo konnte damals nach einer Explosion mit Stichflamme gerade noch rechtzeitig von seinem Imoca „Nexans – Art & Fenêtres“ in die Rettungsinsel umsteigen und wurde später von einem Container-Schiff glücklich gerettet.
„Alle meine Träume gingen mit meinem Boot unter“, sagte er nach der Höllenfahrt im November 2022. An Bord war zunächst der Wasserballasttank geplatzt. Hunderte Liter Wasser hatten sich ins Boot entleert. Dem Batterieversagen waren der Stromausfall und damit auch das Versagen von Elektronik, Computern und Autopiloten gefolgt. Amedeo wollte noch versuchen, sich ins portugiesische Cascais zu retten, doch einen halben Tag später hatte er plötzlich starken Rauch im Boot.
Der Rauch verflüchtigte sich zwar zunächst wieder, doch am Tag darauf kam er zurück. Gelb und hässlich. Schnell gefolgt von einer Explosion. Ein Flammenstrom schoss aus der Kabine durchs Kajütdach. Inmitten der Flammen gelang es Fabrice Amedeo in letzter Minute, die Rettungsinsel zu Wasser zu bringen und zu springen. Eine halbe Stunde später musste er aus der Rettungsinsel mit ansehen, wie das Boot versank, mit dem er 2024 in seine zweite Vendée Globe nach Platz elf 2016/2017 starten wollte.
Das Drama liegt inzwischen ein Dreivierteljahr zurück. Noch länger zurück liegt Amedeos Aufgabe bei der Vendée Globe 2020/2021, als ihn Computer-Probleme beim Eintauchen ins Südpolarmeer stoppten. Fabrice Amedeos Willen, ein weiteres Solorennen um die Welt zu bestreiten, haben die Vorfälle nicht gebrochen. Der 45-Jährige ist keiner, der aufgibt. Auch blieben ihm seine Partner in guten wie schlechten Zeiten treu.
Inzwischen segelt Fabrice Amedeo den früheren Imoca von Arnaud Boissières. Die neue alte „Nexans – Art & Fenêtres“, ein Owen-Clarke-Design von 2007, ist kein Foiler, hat aber gerade einen umfangreichen Refit hinter sich. Für die Transat-Generalprobe hat sich Amedeo bewusst einen deutschen Co-Skipper gesucht – und in Andreas Baden den für sich besten Kandidaten gefunden. Mit dem in Kiel lebenden Rheinländer, der unter anderem mit DSV-Vermesser Robert Jacobsen das Yachtelektronik-Unternehmen NG Yacht Systems betreibt, will Amedeo das Transat Jacques Vabre bestreiten.
Das Duo wird im 30. Jubiläumsjahr des Transatlantik-Rennens von Le Havre nach Martinique gemeinsam mehrere Ziele zu verfolgen: Ein gutes Ergebnis soll es werden, aber auch ein sicheres Rennen, denn Fabrice Amedeo hat noch seine Qualifikation für die Vendée Globe mit seinem Imoca zu erbringen, die 2022 aufgrund des Unfalls nicht gelingen konnten. Amedeo und Baden wollen darüber hinaus für die deutsch-französische Freundschaft werben, die auch den Projektpartnern wichtig ist. Und sie wollen Nachhaltigkeitsüberzeugungen zum Thema machen.
„Ich bin sehr froh, dass ich mich dem Projekt von Fabrice anschließen kann, dessen DNA mit meinen Werten übereinstimmt“, sagt Andreas Baden. Und weiter: „Ich habe, wie Fabrice auch, eine sehr enge Beziehung zur Natur. Ich habe Landwirtschaft und Umweltwissenschaften mit dem Schwerpunkt Umweltschutz studiert. Heute bin ich neben der Segelei in der Beratung im Bereich nachhaltige Energien und Energietransformation engagiert. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Thema auch für Fabrice und seine Partner, die eine Weltumsegelung ohne Rückgriff auf fossile Energieträger planen.“
Sportlich sieht sich Andreas Baden für die Herausforderung gut gewappnet: „Ich freue mich auf den Start dieser großartigen Transatlantik-Regatta, die vor uns liegt. Ich freue mich sehr, gemeinsam mit Fabrice von unseren Abenteuern auf hoher See zu berichten und diese schöne Botschaft für die Energie- und Klimawende und den Schutz unserer Ozeane zu überbringen, die mir beide sehr am Herzen liegen.“
Der 34-jährige Deutsche segelte bereits als Jugendlicher. Nach der Schule zog er in den deutschen Norden nach Kiel ins Zentrum des Segelsports. Zuletzt war Andreas Baden als Navigator für das Berliner „Rafale“-Team um Skipper Philipp Kadelbach im Januar bei der RORC-Transatlantik-Regatta im Einsatz. Sie errangen den dritten Podiumsplatz.
Sobald ich auf dem Wasser bin, habe ich das Gefühl, in ein anderes Universum einzutauchen“ (Andreas Baden)
Ein guter Einstieg in die Big-Boat-Szene war Andreas Baden bereits 2001 mit der Aufnahme in das Förderprojekt One4All geglückt, mit dem er eineinhalb Jahre für seine Segelzukunft lernte. Baden war für viele Regatta-Teams auf Booten wie „Moana“, Jens Kuphals „Intermezzo“ oder auch auf der ClubSwan „Tango“ aktiv.
Wie Fabrice Amedeo ist auch Andreas Baden ein leidenschaftlicher Segler: „Sobald ich auf dem Wasser bin, habe ich wirklich das Gefühl, in ein anderes Universum einzutauchen. Ich liebe es, inmitten der Natur zu sein, in diesem rohen Element, der Weite des Meeres. Man ist mit sich selbst konfrontiert, muss mit dem, was einem geboten wird, umgehen und sein Gleichgewicht finden. Es sind emotional aufgeladene Momente, die viele unvergessliche Erinnerungen prägen und einen auf das Wesentliche zurückbesinnen lassen.“
Es ist ganz natürlich, dass ich mich für einen deutschen Co-Skipper entschieden habe, da ich dieses Land und die Kultur sehr schätze und die Menschen sich dort dank der Leistungen von Boris Herrmann immer mehr für den Hochseerennsport interessieren“ (Fabrice Amedeo)
Andreas Baden sieht im Zusammenschluss mit Fabrice Amedeo für das Transat Jacques Vabre den konsequenten nächsten Schritt für seine Segelkarriere. Ein angedachtes eigenes Class-40-Projekt hat er zunächst zurückgestellt. Die französische Offshore-Szene hatte er seit geraumer Zeit im Blick. Die Herausforderungen, die sich mit minimaler Ausstattung an Bord insbesondere im Doublehanded-Modus stellen, machen für ihn einen besonderen Reiz aus.
„Ich freue mich sehr, mit Andreas einen deutschen Segler bei der Transat Jacques Vabre an Bord zu haben“, erklärt seinerseits Fabrice Amedeo, der auch Deutsch spricht. Der von ihm gegründete Fonds Ocean Calling will Unternehmen und Bürger zusammenbringen, die etwas zum Erhalt der Ozeane beitragen wollen. Amedeo sagt: „Wir wollen unser Sport- und Bürgerprojekt über die Grenzen Frankreichs hinaustragen, um eine größere Gemeinschaft zu erreichen und mit unseren Partnern, die oft auf der ganzen Welt ansässig sind, in Kontakt zu treten.“
Die Wahl von Andreas Baden als Teamkamerad hat weitere Gründe, wie Amedeo erklärt: „Es ist ganz natürlich, dass ich mich für einen deutschen Co-Skipper entschieden habe, da ich dieses Land und diese Kultur sehr schätze und die Menschen dort sich dank der Leistungen von Boris Herrmann immer mehr für den Hochseerennsport interessieren.“
Die Themen Nachhaltigkeit und Energiewende verbinden Baden und Amedeo beim Segeln intensiv. Andreas Baden hat etwa in der Energie- und Klimaschutzinitiative Schlewig-Holstein Kommunen beraten. Entsprechend will er „Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeitsthemen“ in der Kampagne verknüpfen. „Ich brenne für diesen Bereich“, sagt er und hat dabei auch ein Auge auf Bau- und Ausrüstungsmaterialien in der Profiszene der Imocas.
Ein Besserwisser will Baden dabei nicht sein, vielleicht aber in kleinen Schritten ein Bessermacher: „Wenn ich in Lorient am Hafen sitze und sehe, dass sich Kampagnen die Nachhaltigkeit groß auf die Flaggen schreiben und dann das halbe Team mit Autos zur Arbeit kommt, dann ist da sicher Luft für Verbesserungen.“
Sportlich gehen Fabrice Amedeo und Andreas Baden das Transat Jacques Vabre im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten mit Ehrgeiz an. Baden erklärt: „Wir treten schon an, weil wir mitmischen wollen. Wir haben Ambitionen, bei den Non-Foilern mit einem leichten Boot zu zeigen, dass wir ein solides Schiff haben, das man pushen kann. Für Fabrice ist zwar die Rückregatta sehr wichtig, aber wir werden deshalb nicht mit komplett angezogener Handbremse segeln. Nur, wenn Gefahr droht, werden wir Gas rausnehmen.“
Ab 20. August trifft sich das gesamte Team in Lorient und steigt gemeinsam in die Vorbereitung auf das Transat Jacques Vabre ein. „Dann wird es mit Qualifier, Training und weiteren Einsätzen kaum noch Pausen bis zum Transat geben“, weiß Andreas Baden. Bis er nach Frankreich reist, bleiben noch ein paar Wochen Zeit. Einige davon verbringt er bei der ORC-WM ab kommende Woche in Kiel. „Ich werde da aber nicht selber segeln, dafür war die Zeit zu knapp“, so Baden, „ich bin mit einem kleinen Team zur Unterstützung unserer Kunden vor Ort da.”
Zum 16. Transat-Jacques-Vabre-Start seit 1993 werden in den vier Klassen Ultime, Ocean Fifty, Imoca und Class 40 am 29. Oktober rund 100 Boote mit 200 Seglerinnen und Seglern an der Startlinie vor Le Havre aufkreuzen. Neben den Imoca-Könnern Boris Herrmann und Will Harris auf „Malizia – Seaexplorer“ sind erstmals auch Lennart Burke und Melwin Fink mit ihrer „SignForCom“ in der Class 40 mit von der Partie. Die deutschen „Aktien“ im französisch geprägten Einhand- und Zweihand-Regattasport nehmen zu.
Gestatten: Der neue alte Imoca, mit dem Fabrice Amedeo und Andreas Baden das Transat Jacques Vabre bestreiten. Das Boot soll Amedeo ohne die rausgenommenen Stummel-Foils als Non-Foiler auch in der Vendée Globe 2024/2025 um die Welt tragen: