Es gibt angenehmere Vorzeichen als eine Serie von drei Kenterungen in den letzten 24 Stunden vor dem eigenen Start. So war es beim Zweihand-Rennen Transat Café L’Or. Da waren die Ocean Fifties auf eigenen Wunsch und in Absprache mit der Wettfahrtleitung bereits am Samstag ins Rennen gegangen.
So wollten die Mehrrumpfduos den erwarteten 30 Knoten und mehr Wind in der Nacht von Sonntag auf Montag entgehen. Belohnt wurden sie für ihren “Frühstart” nicht. Im Gegenteil: Schon in den ersten 14 Rennstunden sind drei Trimarane gekentert, hielten ihre Crews, Rettungsdienste, Rennleitung und Beobachter in Atem. Dazu werden die “Viabilis Océans”-Co-Skipper Baptiste Hulin und Thomas Rouxel zur Reparatur ihres Großsegels in den Aber Warac’h einlaufen.
Alle drei gekenterten Crews konnten wohlbehalten aus der Luft abgeborgen werden, bevor am Sonntagnachmittag nun die anderen drei Klassen ins Rennen folgten. Sie starteten in frischen 24 bis 29 Knoten Wind und erwarteten für die Nacht Windstärken jenseits der 30 Knoten und etwa drei Meter Welle.
“Das geht alles am Wind bis morgen früh. Sobald wir dann in Brest um die Ecke sind, sollten wir morgen im Laufe des Tages, den Gennaker hochziehen und downwind in die Biskaya reinfahren können”, hatte der Kieler Andreas Baden, der das Transat Café L’Or mit Fabrice Amedeo auf der mit Baujahr 2077 schon betagteren Owen-Clarke-Imoca “FDJ United – Wewise” bestreitet, vor Rennbeginn einen ersten Ausblick aufs Rennen gegeben.
Für die Imoca-Flotte wurde im Transat Café L’Or ein Kurs über 4350 Seemeilen von Le Havre nach Fort-de-France auf Martinique gesteckt. Sogar 6200 Seemeilen haben die Ulim-Giganteinnen zu meistern. Der Kurs der früher gestarteten Ocean Fifties ist fast 5000 Seemeilen lang. Die kürzeste Strecke haben die Class40-Duos mit 3750 Seemeilen zu absolvieren. Mit den unterschiedlichen Kurslängen wollen die Veranstalter erreichen, dass alls Teams innerhalb eines überschaubaren Zeitfensters im Zielhafen eintreffen.
Mit viel Vorfreude hatten am Sonntagvormittag “11th Hour Racing”-Skipperin Francesca Clapcich und Will Harris als eine der ersten Imoca-Crews das Dock im Bassin Paul Vatine verlassen. Frankie Clapcich geht auf der ehemaligen “Malizia – Seaexplorer” von Boris Herrmann mit dessen vertrautem Co-Skipper Will Harris in ihr erstes Transat. “Wir freuen uns sehr auf den Start”, sagte Will Harris am Sonntag kurz vor Rennbeginn. “Frankie” Clapcich wusste aber auch: “Es wird eine sportliche Nacht!”
Es wird ein windiges Rennen! Wettermäßig sehr interessant. Da werden definitiv keine frühen Entscheidungen fallen.” Will Harris
Die Starts waren am Sonntagnachmittag spektakulär anzusehen. Insbesondere die Imocas, allen voran “Charal” mit Jérémie Beyou und Morgan Lagravière und “Bureau Vallée” mit Louis Burton und Clément Commagnac rasten in den hohen 20er-Windstärken los, als gäbe es kein Morgen. Wie Blitze schossen die Boote über die Startlinie, erinnerten stark an den sehenswerten Foil-Rausch von “Paprec Arkéa” beim Kieler Start ins Ocean Race Europe.
Auch Frankie Clapcich und Will Harris drückten das Gaspedal stramm durch. Zwischendurch sah es kurz so aus, als flögen die Italo-Amerikanerin und der Brite ihren Bug sehr hoch und würden dabei Tempo verlieren, doch 20 Minuten nach dem Start zeigte Rang drei einmal mehr, dass dieses Boot druckvolle Bedingungen mag. Und damit bekommen alle Flotten in den kommenden Tagen reichlich zu tun.
Die Wettfahrtleitung hat diese Aussicht auf ein herannahenden Tiefdrucksystem und die für die kommenden Tage vorhergesagte Wetterverschlechterung dazu bewogen, den Kurs für die Class40-Flotte zu ändern. Die 42 Vierziger legen einen Stopp in A Coruña ein, um Schutz zu suchen und dem Schlimmsten zu entgehen. Der Neustart für diese Klasse soll laut Veranstaltern erfolgen, “sobald die Bedingungen dies zulassen”.
Die “Etappenwertungen”, so hieß es weiter, werden in Echtzeit berechnet. Die Gesamtwertung Für das Transat Café L’Or Le Havre Normandie wird auf der Grundlage der kombinierten Zeiten der beiden Etappen berechnet, entsprechend den Entscheidungen der Jury. Die Routen für die Ultims und Imocas bleiben unverändert.
Ein erstes ausführliches Update zu einer der drei Ocean-Fifty-Kenterungen am Vortag gab es inzwischen auch. Tanguy Le Turquais, Vendée-Globe-Siebzehnter und Co-Skipper der gekenterten “Lazare x Hellio”, sagte: „Das Seltsame daran ist, dass wir über den Bug gekentert sind, als wären wir vor dem Wind, obwohl wir 70 Grad zum Wind lagen, hart am Wind, ein Segelpunkt, bei dem man normalerweise seitlich kentert.”
Weiter erklärte der Lebensgefährte von Clarisse Crémer: “Etwa 20 Minuten vor dem Kentern hörten Erwan und ich einen ‘Knall’ und dachten, wir wären irgendwo gegengefahren. Also ging ich sofort zum zentralen Rumpf, um nachzusehen. Alles war in Ordnung, und wir setzten unsere Fahrt fort. Als wir wenig später kenterten und aus dem Rumpffenster schauten, stellten wir fest, dass wir zu einem ‘Katamaran’ geworden waren.”
Ein Teil des Backbord-Schwimmers von “Lazare x Hellio” war abgerissen. Tanguy Le Turquais sagte: “Das hat eindeutig zum Kentern des Bootes geführt. Wir vermuten, dass das Geräusch, das wir gehört hatten, vom Lee-Schwimmer stammte, der gegen etwas geschlagen ist, das das ‘Knallen’ im Rumpf verursacht hat. Es muss groß genug gewesen sein, sodass Wasser eindringen und die Struktur nachgeben konnte. Heute, mit allem, was wir wissen, vermuten wir, dass genau das passiert ist.”
Insgesamt 71 Zweihand-Crews waren in den vier Klassen auf ihren vier Kursen am frühen Sonntagabend in stark fordernden Winden aktiv. Die Spitzenreiter in den Klassen nach zweieinhalb bis drei Stunden Renndauer gegen 17 Uhr: Bei den Ultims lieferten sich die gerade führende “Banque Populaire XI” ein packendes Duell mit “SVR Lazartigue”. Bei den Ocean Fifties lag “Wewise” vorne.
Bei den Imocas hatte “Charal” die Bugspitze knapp vor “Macif Santé Prévoyance”. Dahinter machten mit Elodie Bonafous (”Association Petits Princes – Queguiner”) und Justine Mettraux (”Team Snef – Teamwork”) zwei Skipperinnen mit ihren jeweiligen Co-Piloten Yann Eliès und Xavier Macaire mächtig Druck. “11th Hour Racing” lag unter 18 Imocas zunächst auf Platz sechs, “FDJ United – Wewise” auf Platz 16.
Pech hatten Yoann Richomme und Corentin Horeau, deren “Paprec Arkéa” mit einer Tonne vor Le Havre kollidiert war. Die Kollision hat bei 16 Knoten Bootsgeschwindigkeit Schäden am Rigging und am Steuerbord-Outrigger verursacht. Den Seglern ging es gut. Sie hatten ihren Mast zu sichern, bevor sie für einen schnellen Reparaturpitstop nach Le Havre zurückkehren wollten. Reparaturstopps sind im Transat Café L’Or erlaubt, müssen aber eine Dauer von mindestens vier Stunden haben.
Bei den insgesamt 42 Class40ies gaben Corentin Douguet und Axel Tréhin auf “Faites un don sur SNSM” das schnelle Anfangstempo vor. Sasha Lanièce und Sanni Beucke gingen mit “Alderan” als 41. in die erste Nacht. Die schnellsten Boote werden ab dem 5. November im Ziel vor Fort-de-France erwartet. Die Ziellinie wird am 20. November geschlossen. Hier geht es zum Race Tracker für alle vier Klassen im Transat Café L’Or.