Atemlos im Transat Café L’Or. So fühlt es sich für die 142 Seglerinnen und Segler an, die in vier Klassen auf vier Ultims, sieben Ocean Fifties, 18 Imocas und 42 Class40ies nach der Kenterung der drei Ocean Fifties und anderen Dämpfern weiter im Rennen sind. Ein wenig (zu sehr) konnten sich die meisten am zweiten Tag und in der zweiten Nacht vom Auftaktrodeo erholen. Eine lange Pause vom druckvollen Spiel aber ist ihnen nicht vergönnt.
An Bord von “11th Hour Racing” fasste Francesca Clapchichs Co-Skipper Will Harris den Auftakt für YACHT online noch einmal zusammen: “Aus dem Kanal rauszukreuzen, war bei 30 bis 40 Knoten WInd schon eine echte Herausforderung. Bei uns ist alle okay an Bord, das Boot noch in einem Stück. Wir wollten einfach diese erste Nacht überleben und dann die Jagd eröffnen. Und genau das machen wir gerade. Uns ist ein guter Move gelungen, indem wir etwas weiter westlich als die vordersten Boote geblieben sind. Wir konnten so zu den Spitzenreitern aufschließen.”
Will Harris Ausblick auf die nun anstehende Herausforderung: “Jetzt geht es ins Tief. Das wird ziemlich kompliziert zu bewältigen sein. Wir segeln direkt am Rand der Front. Und wir müssen versuchen, sie außen zu umfahren. Das versuchen wir gerade. Viele Manöver, bisher wenig Schlaf. Wir freuen uns darauf, wenn wir endlich in den Süden kommen.”
Während die meisten der sieben Ocean Fifties bereits querab von Marokkos Küste segeln, hatten die Imoca-Top-Fünf am Dienstagmittag gerade die Biskaya verlassen. Ihre Verfolger kämpften noch darum. Ein Hochdruckgebiet hatte vor allem dem Peloton in der Nacht das Fortkommen schwer gemacht.
So hat sich zwischen den führenden Imocas von “Allagrande Mapei” über “11th Hour Racing”, “Macif Santé Prévoyance”, “Charal” und “Association Petits Princes - Queguiner” und den Jägern eine Lücke von fast 80 Seemeilen aufgetan. Zwischenzeitlich hatte auch 11th Hour Racing am früheren Morgen das Feld einmal angeführt, dann übernahm “Allagrande Mapei. Am Mittag lag im kraftvollen Imoca-Fünfkampf “Charal” vorne.
Knapp dahinter folgte die Top-Favoritin und Vendée-Globe-Siegerin “Macif Santé Prévoyance”, auf der Sam Goodchild und Lois Berrehar mit Ambrogio Beccaria und Thomas Ruyant auf “Allagrande Mapei” und mit Francesca Clapcich und Will Harris auf “11th Hour Racing” um Platz zwei kämpften. Der britische Co-Skipper Goodchild berichtete: “Wir sind froh, wieder auf Kurs zu sein. Die Restwellen haben das Segeln letzte Nacht sehr schwer gemacht. Jetzt freuen wir uns darauf, Kap Finisterre zu passieren.“
Weiter berichtete Goodchild von Bord: “Lois hat die ganze Arbeit gemacht und hat sich jetzt seinen Schlaf verdient, denn ich habe meine Zeit damit verbracht, eine kleine Reparatur mit Verbundwerkstoffen durchzuführen.“ Auf den Schaden ging Goodchild nicht weiter ein, bezeichnete ihn nur als “behoben”. Seine Prognose: “Für den Rest des Tages wird es etwas schwierig werden, einen Weg um dieses Tief herum zu finden, das zunächst statisch ist und sich dann nach Osten bewegt, mit sehr starken Winden auf der einen Seite und sehr schwachen Winden auf der anderen Seite.”
Zum Umgang mit dem Tief erklärte Goodchild: “Wir versuchen, strategisch den richtigen Kurs und die richtigen Segel zu wählen und nichts zu beschädigen. Das wird nicht einfach. So werden wir heute einige Halsen machen, um uns daran vorbeizumanövrieren. Das ist unser Plan für jetzt, und dann werden wir am späten Abend ziemlich sicher in Richtung Süden fahren, das ist unser Ziel.”
Etwas weiter hinten im Feld der 18 Imocas ringen Fabrice Amedeo und der Kieler Andreas Baden auf “FDJ United – Wewise” nach zuletzt arg flauen Bedingungen auf Rang 15 um jede Meile nach vorne. Andreas Baden berichtete am Dienstagvormittag: “Die zweite Nacht auf See war das komplette Gegenteil von der ersten. In der ersten nacht hatten wir Sturm, in der zweiten waren wir mit zwei bis sechs Knoten unterwegs. Es war ziemlich patchy. Dazu gab es drehende und auch oszillierende Winde mit 50-Grad-Winddrehern.”
Bei den vorauspreschenden Ultims verteidigen Tom Laperche und Franck Cammas ihre Führung bislang souverän mit rund 30 Seemeilen vor “Sodebo Ultim 3” und knapp 50 Seemeilen Vorsprung vor “Actual Ultim 4”. Die “Banque Populaire XI”-Co-Skipper Armel Le Cléac’h und Sébastien Josse hatten nach ihrem Pitstop Lorient am Montagmittag wieder verlassen. Nach einigem Auf und Ab hat das französische Duo weiter etwa 300 Seemeilen auf die Spitzenreiter aufzuholen.
“Banque Populaire XI” wird nach dem allmählichen Windabfall bei Kap Finisterre ebenfalls auf das stürmischere Wetter treffen. Die spannende Frage: Werden sie die gleiche Route wie die drei vor ihnen liegenden Konkurrentinnen nehmen oder werden sie nach dem Boxenstopp und mit Blick auf die verlorene Zeit radikaler denken und sich westlicher orientieren?
Das vorausliegende Ultim-Trio segelte am Dienstagvormittag im Transat Café L’Or wieder hart am Wind. Gegen Abend sollten die drei Gigantinnen die einen Tag vor ihnen gestarteten Ocean Fifties einholen und nach dem Tief wieder ruhigere Segelbedingungen vorfinden, in denen sie ihr Tempo von zuletzt 16 bis 18 Knoten erhöhen können. Von “Sodebo Ultim 3” vermeldete Thomas Coville, er sei zufrieden mit dem Start ins Rennen, ohne Schäden und gut platziert.
Sein Team, so Thomas Coville, nutze „viele Satellitenbilder, um Wolken und Stürme zu umfahren“. Aber auch der Blick zum Horizont liefere nützliche Informationen für die riesigen Trimaranen: „Am Horizont sind noch große Cumulonimbus-Wolken zu sehen, aber die orange-gelben Lichter zeigen deutlich, dass sich die Atmosphäre verändert hat.”
Das Meer ist ein kleines Minenfeld, aber ich mag diese Stimmungen.“ Thomas Coville
Die kleinste Klasse im Transat Café L’Or ist indessen auf dem Weg nach La Coruña, wo sie auf Anordnung der Wettfahrtleitung einen Sicherheitsstopp einlegen, um den schlimmsten Auswirkungen des Tiefdrucksystems zu entgehen. Die Neustartzeit für die dann zweite Etappe ist noch nicht festgelegt. Hier hatten die Zweihand-Crews zuletzt mit verwirrenden Bedingungen zu tun: In schwachen und sehr unbeständigen Winden mussten sie gegen den Seegang ankämpfen.
Corentin Douguet, Co-Skipper auf der viertplatzierten “Faites un don sur SNSM” erklärte am Morgen: „Wir sind gerade in einer Windflaute gestrandet. Bei zwei Knoten und schwerer See ist der Pilot verloren.” Das habe ihm ein wenig “das Frühstück verdorben”. Und tatsächlich hatten Corentin Douguet und Axel Tréhin bei diesem Segel-Topfschlagen bald ihre Führung eingebüßt, die bis 11 Uhr Achille Nebout und Gildas Mahé auf “Amarris” übernommen hatten.
Aufgrund der dann abklingenden Reste des Sturmtiefs über Nordspanien rechnen die Veranstalter angesichts der unvorhersehbaren Windverhältnisse mit “einem ziemlichen Chaos” bei der Ankunft der Class40-Crews in La Coruña. Den spanischen Schutzhafen werden die ersten Duos voraussichtlich am Mittwoch zwischen 8 und 10 Uhr morgens erreichen. Für die hinteren Boote dauert es länger. Hier haben sich Sasha Lanièce und Sanni Beucke auf “Alderan” zuletzt auf Platz 22 vorgearbeitet. Zum Tracking für alle Klassen geht es hier.