Transat Café L’OrEin Sportthriller, Feuerbälle und Sargassum-Ärger

Tatjana Pokorny

 · 14.11.2025

Die Class40-Spitzenreiter Guillaume Pirouelle und Cédric Chateau auf "Seafrigo – Sogestran".
Foto: Vincent Curutchet/Alea/Transat Café L'Or
Großer Sport im Transat Café L’Or: In der Class40 hält die Hochspannung im Wettrennen zwischen der Nord- und der Südgruppe weiter an. Inzwischen haben die Süd-Besten die Nord-Könige am 13. November überholt. Entschieden aber wird dieses Fernduell voraussichtlich erst am Finaltag. Den Nord-Süd-Wettstreit kommentiert auch Sanni Beucke.

170 Seemeilen voneinander entfernt und doch Bug an Bug: Im Transat Café L’Or kämpfen die Besten im Norden und die Besten im Süden um die Class40-Führung. Den gleichen Kampf führen ihre Verfolger. Die meisten Crews stellen sich seit vielen Tagen die gleiche Frage: Werden nun der Norden oder der Süden die erhofften Gewinne bringen? Noch ist das Rennen offen. Die Entscheidungen könnten erst kurz vor Martinique in letzter Minute fallen. Zuletzt wurde mit den ersten Class40ies zwischen dem 17. und 18. November gerechnet.

Nachdem die Podiums- und Positionskämpfe in den anderen drei Klassen des Transats Café L’Or längst ausgefochten sind, hält die Class40 Segler und Beobachter weiter in Atem. Nach 19 Tagen voller Anstrengungen und Nervenkitzel zeigen die Crews an Bord ihrer 40-Fuß-Yachten an Tag 20 trotz mehrtägigem Sicherheitsstopp in La Curuña auch erste Ermüdungserscheinungen. Doch lassen weder die Moral noch der Siegeswille nach, obwohl den Nachzüglern Wassermangel und vielleicht sogar ein verpasstes Zeitlimit drohen.

Transat Café L’Or: Konkurrenz schneller als das Routing verrät

Am Nachmittag des 14. November hatten sich zuletzt im Fernduell mit dem besten Nordboot “SNMS – Faites un don” die “Seafrigo – Sogestran”-Segler Guillaume Pirouelle und Cédric Chateau im Süden einen kleinen Vorsprung erarbeitet. Sie hielten ihre am Vortag eroberte Spitzenposition auch am Freitagabend bei rund 30 Seemeilen Vorsprung. Dabei steuerten Pirouelle/Chateau Martinique etwa beim 16. Breitengrad Nord an.

Rund 170 Seemeilen nördlich gaben Corentin Douguet und Axel Tréhin auf “SNSM – Faites un don” alles, um ihre am Vortag verlorene Führung zurückzuerobern. Gut zehn Tage lang hatten sie die Class40-Flotte angeführt. Lange hatte ihnen der gewählte Nordkurs rechtegeben, bevor die Südboote Meile um Meile aufholten, weil die Nordboote phasenweise mit leichteren Winden zu kämpfen hatten. Jetzt scheinen die Blätter fürs Finale verteilt, die Kurse der Annäherung an die Ziellinie gewählt.

“Es wird sich wirklich in den letzten Tagen entscheiden”, hatte Cédric Chateau in der Funkrunde am Freitagmorgen erklärt. Und auch das: „Es ist schwer zu sagen, wer vorne liegen wird. Laut Routing sollten wir fünf oder zehn Meilen vor ihnen liegen.” Das Problem aber bestehe aus der Sicht von Cédric Chateau darin, dass “SNSM – Faites un don” schneller zu sein scheint als die Routings es zeigen. “Unser kleiner Vorsprung schmilzt dahin”, sagte der Co-Skipper auf “Seafrigo – Sogestran” bedauernd. Da lag zudem gerade eine turbulente Nacht hinter seiner Crew, die Böen in Serie im Halsen-Slalom zu parieren hatte.

Transat Café L’Or: ”Man müsste die NASA fragen…”

Über den Wettbewerb hinaus hatte Funkrunde am Morgen auch einige Erklärungen für das faszinierende Leuchtphänomen geliefert, das Axel Tréhin und Corentin Douguet in der vergangenen Nacht hatten beobachten können. Zwischen zwei “Attacken” fliegender Fische hatte das Duo Zeit, einen “Regen kleiner Feuerbälle” in der Ferne zu bewundern und diesen Moment sogar festzuhalten.

Da die “Bälle” für eine Sternschnuppe zu langsam gewesen seien, vermutetete Corentin Douguet eher einen Meteoriten. „Man müsste die NASA fragen“, scherzte er, bevor er eine weitere Theorie aufstellte: „Es sei denn, es handelt sich um Invasoren von einem anderen Planeten. Sollte das so sein, dann werden wir es schnell herausfinden.“ Eine Phase des Feuerball-Spektakels zeigt die Crew im Video hier. Der “Meteorit” war nicht der einzige Überraschungsgast in der vergangenen Nacht. Auch wenig willkommene Braunalgen (Sargassum) tauchten auf. „Diese Algen, die im Südwesten des Nordatlantiks vorkommen, sind jetzt zu sehen, soweit das Auge reicht”, vermeldete die Crew der “Vogue avec un Crohn”.

Ihre Beobachtungen im Detail: „Sie sammeln sich in riesigen Teppichen, die manchmal kilometerweit auf der Wasseroberfläche treiben. Sie verfangen sich im Kiel und in den Rudern und verlangsamen unser ohnehin schon mühsames Vorankommen bei diesen unbeständigen Winden. Da wir ihnen nicht ausweichen können, beobachten wir ständig die Kielkamera und versuchen zu beurteilen, ab welcher Dichte wir rückwärts fahren müssen, um sie loszuwerden.“

Viel “Engie”-Energie fürs Transat Café L’Or

Nur gute Kunde hielten indessen Aina Bauza Roig und Axelle Pillain auf “Engie” im Telefonat mit den Veranstaltern bereit. Axelle Pillain, lange Mitglied in Boris Herrmanns Team Malizia, berichtete: „Mit der Sonne haben wir jede Menge Energie. Und unsere Solarzellen auch! Wir surfen super im Passatwind. Es gibt zwar ein bisschen Sargassum, aber ehrlich gesagt, ist es hier einfach großartig!”

Das im Rahmen der Initiative Cap pour Elles geförderte Duo genießt das Transat Café L’Or maximal und misst sich dabei gerne mit der Konkurrenz. „Wir vergleichen ständig unsere Kurse, unsere Geschwindigkeiten, ob wir uns nähern oder entfernen“, erklärte Axelle Pillain. „Im Moment schauen wir, ob wir Pep (Red.: Pep Costa/Pablo Santurde Del Arco auf “VSF Sports”) überholen können oder nicht. Norden, Süden, ich weiß noch nicht, wer es schaffen wird, vorbeizuziehen. Wir werden am Ende in Martinique Bilanz ziehen.“

Eines ist sicher: Die beiden Seglerinnen wollen sich keinen Druck machen. „Wer macht uns auf der Strecke am meisten Angst? Niemand macht uns Angst”, sagte Axelle Pillain. “Wir segeln ohne Komplexe. Unser Ziel ist es, mit dem bestmöglichen Platz anzukommen. Wir haben nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.” Angesprochen auf die beiden ehemaligen Vendée-Globe-Gewinner in ihrer Nähe – Vincent Riou und Michel Desjoyeaux – sagte Axelle Pillain lächelnd: „Wir sind es, die sie unter Druck setzen. Man müsste sie fragen, ob wir ihnen Angst machen.”

Lanièce und Beucke behaupten sich in Top 20

Die “Engie”-Crew segelte in der Südgruppe, lag zuletzt auf Platz 22. Zwei Plätze vor ihnen waren Alexandre Le Gallais und Michel “Le Professeur” Desjoyeaux auf “Trimcontrol” in der Nordgruppe als Zwanzigste unterwegs. Vincent Riou und Yann Doffin segelten als 26. in der Nordgruppe, hatten zuletzt einen “teuren” Schlag nach Süden eingezogen. Weiter vorgearbeitet hatten sich im Süden indessen Sahsa Lanièce und Sanni Beucke auf “Alderan”. Sie segelten Martinique gut 400 Seemeilen hinter den Spitzenreitern als Neunzehnte entgegen.

Sanni Beucke berichtete am Freitag von See über die Entscheidungsfindung ihrer Crew pro Südroute und das Fortkommen unterhalb des 15. Breitengrades Nord. Die 49erFX-Silbermedaillengewinnerin von 2021 sagte: “Für uns läuft die Südpositionierung gut. Es war eine Entscheidung für die Crew und das Boot. Einerseits ist unser Schiff, eine Mach 5, sehr bevorteilt bei achterlichen Winden und andererseits waren unsere Ziele nach meinem Bänderriss ein wenig verrutscht.”

Die Verletzung hatte sich Beucke auf Etappe eins zugezogen, bevor die Flotte von der Wettfahrtleitung in einen Sicherheitsstopp nach La Coruña geschickt worden war. Dortige Untersuchungen hatten den Riss eines hinteren Kreuzbandes ergeben. Die zweite lange Etappe über den Atlantik bestreitet Sanni Beucke deshalb mit einer Orthese. Untergeordnet ist das aktuelle Rennen der beiden Frauen auch dem Ziel, Skipperin Sasha Lanièce für die Route du Rhum zu qualifizieren.

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Transat Café L’Or: die Vorzüge der Süd-Route

“Dafür müssen wir finishen. Das Leben an Bord ist anstrengend und somit haben wir uns für die südliche Route entschieden wo wir circa 15 Grad Krängung haben und nicht 30 wie auf den Upwindern (Nord-Route)”, so Beucke gegenüber YACHT online am Abend des 14. November.

Weiter erzählte die 34-Jährige: “Zudem hatte die Nordroute unheimlich viele Segelwechsel vorgesehen. Auch unpraktisch, wenn man ein bisschen lädiert ist. So kam es, dass wir die südliche Route gewählt haben und sehr erfreut waren, dass wir nicht die einzigen waren, die Lust auf warme Temperaturen hatten.”

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Auf “Alderan” habe ihre Crew “ziemlich viel Strecke” investieren müssen, “um so weit südlich zu kommen”. In den folgenden Tagen könnten die Französin und die Deutsche sogar noch einmal tiefer in den Süden eintauchen. Beucke sagte: “Wir haben konstanten Wind bis zum Schluss – da klopfe ich mal auf Holz. Wenn ich mir die Route für die Nordler angucke, dann ist die weniger eindeutig. Ich glaube das wir ein gutes Ergebnis haben werden, wenn wir das Schiff so nach Martinique segeln wie es gerade ist.”

“Verrückte” Verlängerung im Transat Café L’Or

Sicher sei das natürlich nicht, so Beucke. “Ich habe kein Routing gemacht für die Nordschiffe. Das liegt ohnehin außerhalb unserer Kontrolle. Apropos Kontrolle: Das Bein ist in seiner Orthese und dort komplett unter Kontrolle. Also, da bewegt sich gar nichts. Die ersten Tage war es schwierig, mich mit diesem neuen Gefühl am Bein zurechtzufinden. Mittlerweile habe ich meine Wege und Tricks gefunden.”

Unterstützt wird Sanni Beuck dabei von einer befreundeten Physiotherapeutin, die via WhatsApp hilft. “Somit fühle ich mich sehr sicher”, sagte die Kielerin. Und auch dies: “Das Rennen ist jetzt schon eine Woche länger als wir ursprünglich dachten, das finde ich crazy. Und wir haben noch fünf Tage!”

Die Tageszusammenfassung der Veranstalter beginnt an diesem 20. Tag im Transat Café L’or heiter, weil Conrad Colman von der Begegnung mit einem Mini-Transat-Solisten berichtete. Colman ist mit Mathieu Blanchard als vorletztes Boot der Imoca-Klasse noch im Transat Café L’or unterwegs, nachdem zuvor Fabrice Amedeo und der Kieler Andres Baden das Ziel auf “FDJ United – WeWise” am Donnerstag als 16. erreicht hatten.

Wenn sich Transat und Mini-Transat-Segler treffen…

Conrad Colman erzählt von der Begegnung mit dem vorletzten Mini-Transat-Segler Chu Yi aus China auf dessen Kurs nach Saint-François. Vor sich hatte Chu Ji zu dem Zeitpunkt noch Victor David. Der Deutsch-Franzose hatte am Freitagabend im Mini-Transat nach seinem Mastbruch noch etwa 80 Seemeilen bis Saint-François zu schaffen. Hinter sich hatte Chu Yi als letzten Miniisten der Flotte noch Thiemo Huuk, der nach seinem unglücklich frühen Mastbruch immer noch 400 Seemeilen zu meistern hatte.

Die Tageszusammenfassung vom Transat Café L’Or:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta