Der ersten harten Nacht im Transat Café L’Or folgt nun bald die zweite. Noch immer haben es die Crews auf See nach den Starts am Samstag (Ocean Fifties) und am Sonntag (Ultims, Imocas, Class40ies) mit druckvollen Bedingungen zu tun. Den meisten war es anders als den von einer schwarzen Kenterserie betroffenen Ocean-Fifty-Crews gelungen, ihre Boote sicher durch die ersten 24 Stunden zu bringen. Aber auch sehr erfahrene Akteure hatten es dabei aber nicht leicht.
Xavier Macaire, routinierter Co-Skipper von Justine Mettraux auf ihrer Imoca “Team Snef – Teamwork” fasste es kurz zusammen: “Wir hatten eine HÖLLISCHE Nacht.” Macaire nutzte für die Nachricht Großbuchstaben, um seinen ersten Eindrücken bei diesem Transat Café L’Or die maximale Wirkung zu geben. Dazu notierte er, dass er sich habe übergeben müssen. Das sei ihm “seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr passiert”.
Auch wenn einige Skipper vermeldeten, dass die Böen schwächer als vorhergesagt waren, gingen die Windgeschwindigkeiten in der ersten Transat-Nacht immer noch über 30 Knoten hoch – bei drei Metern Welle. Nach der dramatischen Kenterserie von drei Ocean Fifties in Folge des vorgezogenem Samstag-Starts war die Nacht auf Montag immerhin ohne derart schwere Zwischenfälle verlaufen.
Der Vendée-Globe-Zweite Yoann Richomme und Corentin Horeau allerdings hatten keine Fortune. Sie hatten “Paprec Arkéa” nach der Kollision mit einer Boje vor Cherbourg zur Blitzreparatur nach Le Havre zurückbringen müssen. Nach einer langen Nacht, in der die Schäden an Ausleger, Foil und Rigg repariert wurden, sind die Franzosen wieder im Rennen, hatten aber auf die am Montagabend führende Favoritin “Macif Santé Prévoyance” mit Sam Goodchild und Lois Berrehar 350 Seemeilen aufzuholen.
Stark positionieren konnten sich bislang Frankie Clapcich und Will Harris im Imoca-Feld. “11th Hour Racing” – Boris Herrmanns Ex-”Malizia – Seaexplorer” – segelte der zweiten Nacht auf See auf Platz vier entgegen, zählte am frühen Montagabend mit Geschwindigkeiten jenseits von 20 Knoten zu den schnellsten Booten der Flotte. Vor der Italo-Amerikanerin und ihrem britischen Co-Skipper lag die aus dem Ocean Race Europe schon gut beklannte italienische “Allagrande Mapei” mit Ambrogio Beccaria und Thomas Ruyant fast gleichauf mit der zweitplatzierten “Charal”, die von Jérémie Beyou und Morgan Lagravière angetrieben wird.
Die führenden Imocas hatten am Montagabend etwas mehr als die halbe Biskaya durchsegelt. Da ging es für die Class40ies erst noch hin. In der Flotte der kleinsten Boote führten weiter Corentin Douguet und Axel Tréhin auf “Faites un don sur SNSM” das Feld an. Die “Cap pour elles”-Gewinnerinnen Aina Bauza Roig und Axelle Pillain verteidigten auf “Engie – Dessine-moi la hightech” mit Platz 17 eine Position im Mittelfeld. Sasha Lanièce und Sanni Beucke waren auf Platz 31 im Transat Café L’Or zuletzt mit knapp zwölf Knoten schneller unterwegs als die umliegenden Konkurrenten.
Doppelt hart traf es in der Class40 Renaud und Gilles Courbon auf “RDT Logistic – Forvis Mazars” binnen 24 Stunden. Nach einem ersten Stopp in Ouistreham für einige Reparaturen hatte das Duo am Montagmittag eine weitere Panne melden müssen: „Wir sind nach unserer vierstündigen Strafe wieder gestartet und haben in der Nacht ein OANI (Red.: unbekanntes Objekt oder Tier) gerammt. Wir haben ein kleines Leck und nehmen Kurs auf Cherbourg.”
Trotz des erneuten Rückschlags blieben die Brüder optimistisch: „Wenn es möglich ist, weiterzufahren und La Coruña innerhalb einer angemessenen Frist zu erreichen, werden wir das tun. Da besteht kein Zweifel, dafür sind wir hier.” Alleine die Class40-Flotte läuft voraussichtlich am Mittwoch den spanischen Hafen La Coruña an. So hat es die Wettfahrtleitung aus Sicherheitsgründen verfügt, weil vor der portugiesischen Küste ein starkes Tiefdrucksystem auf die Teams im Transat Café L’Or lauert.
Diese Entscheidung war von den meisten der 42 Teilnehmern der Klasse begrüßt worden. Vor dem Start hatte bereits der zweimalige Vendée-Globe-Gewinner und “TrimControl”-Skipper Michel Desjoyeaux vor „einem regelrechten Konvoi von Tiefdruckgebieten” gewarnt. Thimoté Polet (”Zeiss”) aus der Normandie erklärte: „Zu Beginn dieses Rennens gibt es zwei besonders ‚schwierige‘ Wetterlagen: die, die wir in der ersten Nacht erlebt haben, und die, die sich nun vor der spanischen Küste bildet.“
„Für den westlichen Teil der Biskaya wird ab Donnerstag eine deutliche Verschlechterung der Wetterlage mit möglicherweise sehr starken Winden erwartet“, erklärte Pierre-Yves Guillerm, Meteorologe für das Transat Café L’Or. „Es handelt sich um relativ tief liegende Tiefdruckgebiete, die zwischen den Azoren und der Küste Portugals eintreffen werden“, fügte Renaud Courbon hinzu. Dadurch entstehe eine südliche Strömung, die uns den Weg versperren wird.“
Die möglichen Folgen schilderte Thimoté Polet: „Konkret bedeutet das sechs Meter hohe Wellen, durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 45 Knoten und Böen von 55 Knoten.” Diese Wetterentwicklung soll das ganze Wochenende über anhalten. Entsprechend wurde der Stopp in La Coruña von der Flotte weitgehend unterstützt. „Es ist eine kluge Entscheidung“, glaubt Renaud Courbon. „Es ist wie vor zwei Jahren, als wir in Lorient Halt gemacht haben. Irgendwann ist es kein Sport mehr, sondern Überleben.“
Für die Class40-Flotte ist das Transat Café L’Or damit nun in zwei Etappen unterteilt: eine von Le Havre nach La Coruña und eine von La Coruña nach Fort-de-France. Wie in einer von der Rennleitung veröffentlichten Änderung festgelegt, werden die Klassements für die beiden Etappen in Echtzeit berechnet. Die Gesamtwertung wird auf der Grundlage der kombinierten Zeit der beiden Etappen berechnet.
Wann der Start in Etappe zwei erfolgen kann, blieb zunächst offen. Es könnten sich kleine Fenster am Samstag oder Sonntag auftun, doch hier behielt sich die Wettfahrtleitung eine kurzfristigere Entscheidung vor.
Bei den Ultims hat inzwischen “Maxi Banque Populaire XI” einen Reparaturstopp im Transat Café L’Or einlegen müssen. Skipper Armel Le Cléac’h und Sébastien Josse hatten dafür ihren Heimathafen Lorient gewählt, wo sie ihr Steuerbordruder reparierten.
Das ist flink gelungen, wie die imposanten 33,9 Knoten Speed zeigten, mit denen die blau-Weiße Gigantin am frühen Montagabend durch die Biskaya zischte und ihren Rückstand auf Spitzenreiterin “SVR Lazartigue” mit Tom Laperche und Franck Cammas schon wieder auf 186 Seemeilen reduziert hatte. Im Duell der beiden Ultim-Favoritinnen hatte es zuvor mehrere Führungswechsel gegeben.
REPLAY! Der Start ins Transat Café L’Or in englischer Sprache: