Tatjana Pokorny
· 09.09.2023
Die ersten Bilder vom Flügelbruch der Kiwis kamen kurz nach Ende der drei Rennen an Tag eins beim französischen SailGP in Saint-Tropez. Sie zeigten wie aus dem Nichts schockierende Szenen, als der Regattatag schon abgeschlossen schien: Das mit 29 Meter Höhe größte der drei im SailGP einsetzbaren Flügelriggs – für leichte Winde konstruiert – war auf dem Weg in den Hafen an Bord des neuseeländischen F50-Katamarans kollabiert. Dass beim Aufschlagen der Teile niemand an Bord verletzt wurde, kam einem Wunder gleich.
Der Flügel hätte so leicht in einem anderen Winkel fallen können. Wir sind einfach froh, dass niemand in der Mitte des Boots war, wo der mittlere Teil gelandet ist” (Peter Burling)
“Das hätte viel schlimmer ausgehen können. Wir sind alle so froh, dass niemand bei den Kiwis verletzt wurde”, sagte Erik Heil, Steuermann im Germany SailGP Team, am späten Nachmittag im Hafen von Saint-Tropez. Der neuseeländische Steuermann Peter Burling, zweimaliger America’s-Cup-Gewinner und Olympiasieger im 49er, sagte: “Zum Glück sind alle an Bord in Sicherheit. Der Flügel hätte so leicht in einem anderen Winkel fallen können. Wir waren alle auf der Steuerbordseite des F50 und setzten gerade auf - etwas, das wir heute schon 30, 40 Male gemacht haben. Dann hörten wir nur einen gewaltigen Knall und sahen zu, wie sich alles auflöste. Zum Glück geht es allen gut. Wir sind einfach froh, dass niemand in der Mitte des Bootes war, wo der mittlere Teil gelandet ist.”
Der Vorfall erinnerte am Samstagnachmittag einmal mehr auf eindringliche Weise an das Gefahrenpotenzial, das die Rennen im SailGP ebenso beinhalten wie ihre Attraktivität. Warum das Rigg explodiert ist, war auch für die Kiwis selbst vorerst nicht nachvollziehbar. Peter Burling sagte: “Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung. An Bord haben wir nichts anders gemacht. Wir haben das Boot nur sanft aufgesetzt. Wir sind nur umhergefahren, um am Ende des Tages ein paar Freunden Hallo zu sagen. Es liegt jetzt in den Händen des Technikteams und der Organisatoren zu schauen, was sie bis morgen erreichen können.”
Es ist alles umsonst, wenn wir morgen nicht segeln können” (Peter Burling)
Es wäre bitter für die Kiwis, den zweiten Tag aufgrund eines technischen Knockouts nicht mehr bestreiten zu können. “Wir liegen mit Dänemark nach Tag eins an der Spitze – darauf sind wir als Gruppe wirklich stolz, aber es ist alles umsonst, wenn wir morgen nicht segeln können”, wusste auch Peter Burling am Abend in Saint-Tropez. Weil für Sonntag ähnliche, erneut leichte Bedingungen erwartet werden wie am Samstag, rechnen die Segler damit, dass wieder die größten der drei möglichen Flügelsegel zum Einsatz kommen. Der Flügel der Kiwis erschien auf den ersten Blick nicht über Nacht reparabel, doch hatten die Bemühungen bereits am Abend begonnen.
Das Germany SailGP Team erlebte indessen einen Tag mit ein paar Dämpfern, aber auch sehr motivierende Lichtblicke beim Aufstieg in der Formel 1 des Segelsports. Bei ihrer erst dritten Regatta erreichte die neu in die Profiliga eingestiegene Crew um Steuermann Erik Heil zum Auftakt an der Côte d’Azur die Ränge 7, 9 und 6 in der rasanten Flotte der F50-Foiler. Damit reihte sich Team Germany in Frankreich zunächst auf Platz acht ein.
Dabei brachten sich Erik Heil und seine Crew mit der deutsch-brasilianischen 49er-FX-Doppel-Olympiasiegerin und Strategin Kahena Kunze, dem britischen Flügeltrimmer und 49er-Olympiasieger Stuart Bithell, Flight Controller James Wierzbowski und der Grinder-Gruppe mit dem Kieler Jonathan Knottnerus-Meyer, Dan Morris und Joe Sullivan durch einen Frühstart von weniger als einer Sekunde um ein noch besseres Ergebnis.
Es ist deutlich sichtbar, dass das Team der Co-Eigner Thomas Riedel und des viermaligen Formel-1-Weltmeisters Sebastian Vettel immer besser in Fahrt kommt. “Wir waren heute ‘on fire’”, sagte Erik Heil am Abend in Saint-Tropez. Nach den ersten beiden Regatten in den USA noch zehntes und letztes Team in der Saisonzwischenwertung, haben der zweimalige Olympia-Dritte vom Norddeutschen Regatta Verein und sein Team ihre Ziele hochgeschraubt, sich die Latte selbst höher gesetzt.
Jetzt muss mehr als 50 Prozent unserer Energie in die Starts reingehen” (Erik Heil)
Erik Heil erklärt: “Als wir sehr schnell in den SailGP eingestiegen sind, wollten wir zunächst heil über den Kurs kommen, die Rennen ohne Bruch und Gefahr für andere oder uns beenden. Jetzt muss mehr als 50 Prozent unserer Energie in die Starts reingehen. Nichts hat höhere Priorität.” Dieser Ansatz und die damit verbundene gewachsene Sicherheit im Umgang mit dem Rennkatamaran war am Samstag vor Saint-Tropez gut zu beobachten, auch wenn noch nicht alles perfekt gelang.
Schon am Vortag hatte das Germany SailGP Team im letzten Training mit mehr als 76 Stundenkilometern die schnellste Geschwindigkeit der Flotte erreicht. Für die letzten beiden Fleetraces am Sonntag hat sich die Zielsetzung des deutschen Teams nicht geändert. “Gute Starts haben weiter die höchste Priorität”, gab Erik Heil die Schlagzahl für den Tag der Entscheidungen vor. In der SailGP-Saison 2023/2024 wird um ein Preisgeld von insgesamt fünf Millionen US-Dollar gesegelt. Die Saisonsieger erhalten eine Million US-Dollar.