Tatjana Pokorny
· 24.11.2022
Boris Herrmann hat seine zweite Route du Rhum nach Platz fünf vor vier Jahren als 24. abgeschlossen. Im Interview, das wir zur Zielankunft mit ihm führten, erklärt der 41-Jährige, was für das schwache Ergebnis ausschlaggebend war. Außerdem: der große Race-Rückblick im Video
Es hat natürlich die Entdeckung von wichtigen Problemen gebracht. Vor allem das Problem mit dem Foil-Lager, wo sich die Metallbolzen verbogen haben und Bruch drohte. Es ist total wichtig, dass wir das jetzt gefunden haben und jetzt beheben können. Das hätte uns sonst im Ocean Race (Red.: Start 15. Januar 2022) einen ziemlich dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Dafür war diese Reise wichtig.
Bei mir sind Erleichterung und Enttäuschung halb und halb. Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht über meine Performance, aber auch erleichtert. Es hält sich die Waage. Ich bin etwas leidenschaftslos ins Ziel gefahren. Es könnte schlimmer sein, es könnte besser sein.
Ja, ich kann mir das vorstellen. Aber eher bei Leuten, die sich nicht so richtig auskennen, die nicht so richtig wissen, was es bedeutet, so ein neues Schiff wie unseres an den Start zu bringen. Die können sich nicht vorstellen, dass man damit noch nicht richtig racen kann, wenn es nicht fertig ist. Meine Routenwahl war auch dadurch geprägt. Es war ja nicht so, dass ich nicht gesehen hätte, dass ich weiter nach Westen noch einmal in eine Kaltfront hätte fahren können, am Wind, in 25 Knoten noch einmal schön schnell fahren. Zum Glück habe ich das nicht gemacht. Dann hätte ich am Ende nur noch größere Probleme gehabt. Das war natürlich eine bewusste Entscheidung.
Es gehen nun einmal Sport und Technik Hand in Hand. Mir fehlte einfach noch ein bisschen das Vertrauen ins Schiff. Dadurch war ich mit angezogener Handbremse unterwegs. Insofern war ich nicht verärgert, nee. Ich habe mich der Sache hingegeben. Vor allem, als ich in der Flaute war, habe ich es fast genossen, da schön gemütlich langzusegeln. Dass ich da nun gar nicht mehr rauskam, das war fast schon komisch. Ich hatte zu Romain Attanasio aufschließen wollen (Red.: Der Franzose segelt Boris Herrmanns frühere „Seaexplorer“), der war in Reichweite. Dann bin ich da hängen geblieben, und die sind nachts schön gefahren. Ein bisschen Pech kann man auch mal haben. Da konnte ich aber ganz gut mit umgehen.
Aus diesem Rennen kann ich nichts über das Potenzial ableiten oder sagen. Aber aus den vorherigen Trainings in Port-La-Forêt wissen wir, dass das Potenzial da und spannend ist.
Man erkennt so ein bisschen die Geschichte vom Transat Jacques Vabre 2021 wieder. Dieses Auf-dem-Downwind-am-Ende-doch-noch-nach-vorne-Kommen. Da ist Thomas mit seinem Segel-Setup offensichtlich ein bisschen schneller. Thomas hatte totalen Bock auf diese Regatta. Er hat die Route du Rhum ja auch schon einmal in der Class 40 gewonnen. Und das Mini-Transat. Er hat da so ein Sieger-Gen. Für Charlie tut es mir ein bisschen leid. Er ist der ewige Zweite, das zieht sich so ein bisschen durch seine gesamte Karriere. Das war auch schon im Solitaire du Figaro so. Das ist bestimmt auch nicht so leicht für Charlie. Auch wenn er natürlich stolz gewesen sein wird, dass er vorne mit dabei war. Auf so unterschiedlichem Niveau können Leute enttäuscht sein: Er über seinen zweiten Platz im Rennen, ich darüber, ganz weit hinten im Rennen zu sein. Aber ich freue mich für Thomas. Ich bin mit ihm das Transat Jacques Vabre 2017 gesegelt. Schon beeindruckend!
Justine ist toll, großartig! Die scheint es echt draufzuhaben. Besonders beeindruckt haben mich darüber hinaus alle neuen Schiffe. Dass keines der neuen Schiffe ausgefallen ist. Vielleicht am meisten hat mich unter ihnen Paul Meilhat (Red.: Sechster mit dem sehr jungen Neubau „Biotherm“) beeindruckt, der nun die wenigsten Segeltage hatte. Weniger noch als wir. Und er ist mit sehr vielen technischen Problemen trotzdem gut vorne mitgefahren. Als kleinen Detailunterschied dazu aber: Natürlich sind das keine neu designten Schiffe. Unser Schiff ist ein Neubau und eine Neukonzeption. Das ist noch einmal einen Schritt schwieriger und etwas anderes. Das muss man uns zugutehalten, für uns in die Waagschale legen.
Der Unterschied besteht darin, dass die schon vor und während der letzten Vendée Globe angefangen haben. Wir sind die Einzigen, die nach der Vendée Globe komplett bei null angefangen haben.
Ich bin am Abend des 1. Januar in Alicante. Dann werden wir segeln und trainieren.
Nein, da werde ich nicht mitsegeln. Und das habe ich auch nicht überlegt. Der Weg ist mit dem Ocean Race bis zur Vendée Globe noch lang.
Natürlich so gut wie möglich zu segeln! Wir sind nur fünf Schiffe am Start. Wir wollen alles geben und mit Vollgas dabei sein.