Tatjana Pokorny
· 31.12.2023
Die 78. Auflage des Rolex Sydney Hobart Race geht für die letzten Boote im Rennen voraussichtlich erst im neuen Jahr zu Ende. Fünf Boote strebten dem Ziel am Silvestermorgen noch entgegen. Als Schlusslicht hatte die betagte 12,50 Meter lange Alan-Payne-Sloop “Sylph VI” des zweimaligen Weltumseglers Robert Williams, die ihr letztes Rolex-Sydney-Hobart-Rennen 1972 bestritten hatte, am Silvestervormittag noch rund 240 der insgesamt 628 Seemeilen von Sydney nach Hobart zu meistern.
80 Teams der 103 gestarteten Teams sind in den vergangenen Tagen bereits nach und nach in Hobart angekommen. Den Line-Honours-Sieg hatte sich im zweitknappsten Finish der Renngeschichte Christian Becks Juan K 100 “LawConnect” im Duell mit der Top-Favoritin “Andoo Comanche” bereits knapp zwei Tage nach dem Start am zweiten Weihnachtstag gesichert. Den Tattersall Cup für die beste IRC-Yacht nach berechneter Zeit gewann zum zweiten Mal nach 2018 die tasmanische Reichel Pugh 66 “Alive”.
Christopher Opielok und seine “Rockall VIII”-Crew hatten den Zielhafen Hobart nach 4 Tagen, 3 Stunden, 47 Minuten und 30 Sekunden am 30. Dezember als 49. Boot der Rolex-Sydney-Hobart-Race-Flotte erreicht. Berechnet brachte die Leistung dem einzigen deutschen Skipper und seiner Crew auf ihrer JPK 10.80 Platz 14 in der IRC-Wertung und sogar Platz zwei in Division 4. So weit die nackten Zahlen für das Rolex Sydney Hobart Yacht Race 2023.
Es gab Gefahrenmomente, die nicht ohne waren” (Christopher Opielok)
In einer ersten Bilanz beschrieb Christopher Opielok am Tag nach der für die kleineren Boote stürmischen Ankunft die Herausforderungen, mit denen seine siebenköpfige Mannschaft auf dem fordernden Kurs von Sydney nach Hobart konfrontiert war: Das Rennen begann so brutal wie es endete. Opielok sagte: “Es fühlt sich unglaublich gut an, dass wir das Rennen nach unserer Aufgabe 2017 dieses Mal beenden konnten. Aber so kurz nach dem Rennen bin ich auch nachdenklich, denn es gab Gefahrenmomente, die nicht ohne waren.”
Die “Rockall VIII”-Crew hatte die 78. Edition des australischen Weihnachtsklassikers mit einem sauberen Leestart eröffnet. “Da hatten wir dann zwar die ganze Flotte erst einmal vor uns, konnten aber frei segeln”, erzählt Christopher Opielok. Doch schon kurz nach dem kontrollierten Rennauftakt hatten Gewitter der Flotte mit Beginn der ersten Nacht auf See gute Seemannschaft und starke Nerven abgefordert.
Wir haben die erste Nacht mit Blitzen wie in Discobeleuchtung erlebt” (Christopher Opielok)
“Wir haben die erste Nacht mit Blitzen wie in Discobeleuchtung erlebt”, erinnert sich Opielok. Seine Schilderungen sind eindringlich: “Mehrere Blitze sind in unserer Umgebung eingeschlagen. Wir waren gerade im Segelwechsel, hatten kein Vorsegel oben, als dann 40 Knoten wie aus dem Nichts über uns herfielen.”
Auf der zweihand gesegelten J/99 “Rum Rebellion” ging in dieser brutalen ersten Nacht nach nur 20 absolvierten Seemeilen ganz in der Nähe der “Rockall VIII” sogar Eigner Shane Connelly über Bord. Mitsegler Tony Sutton aber reagierte blitzschnell, konnte den noch an der gut funktionierenden Rettungsleine hängenden Skipper im Kraftakt wieder an Bord ziehen. Dennoch gab das Duo auf. Bei einer weiteren Konkurrentin zerfetzte das Großsegel. “Das waren gleich zwei Schocker zum Auftakt”, erinnert sich Christopher Opielok.
Sein Team sei in den mittleren 50er-Plätzen aus den Heads rausgekommen. “Wir wollten einfach nur noch sauber in Hobart ankommen”, erinnert sich der “Rockall VIII”-Skipper an seine Gedanken in dieser frühen Rennphase. Auf den Tracker schauten sie nach mehreren “Fahrstuhlfahrten” durchs Klassement bis Hobart nicht mehr. “Ich habe die Crew nach dem Auf und Ab aufgefordert, die Handys wegzupacken. Wir wollten uns die Zwischenstände erst frühestens bei Tasmanien wieder ansehen”, so Opielok.
Seine Crew hat gut zusammengearbeitet: Co-Skipper Felix Oehme, Navigator Chris Frost, Segelmacher Klaas Simon, der revierkundige Tasmanier Stu Lee, Mark Lovelady und Tom Swift segeln Hobart als zusammenwachsende Einheit entgegen. Die eigens für das Rennen in Australien erworbene JPK 10.80, die schon wieder verkauft ist, bewährt sich. “Sie ist ein super seetüchtiges Schiff”, sagt Opielok, der über den eigenen Tellerrand hinaus die Zweihand-Crews in diesem Rennen bewunderte: “Ich habe Monsterrespekt vor deren Leistung.”
Es ging gut mit dem Team. Jeder hatte seine Position, seine Stärken” (Christopher Opielok)
Sein Team habe das Rolex Sydney Hobart Race über weite Phasen bewusst konservativ bestritten. In der Bass Strait hatten sie früh Reffs eingezogen. Nach dem Ruderbruch und der Aufgabe bei der eigenen Premiere 2017 war Ankommen das wichtigste Ziel für die Männer auf der “Rockall VIII”, die Christopher Opielok im Ziel als gut zusammengewachsene Einheit pries: “Es ging gut mit dem Team. Jeder hatte seine Position, seine Stärken. Wir hatten nur wenige Trainingstage vor Ort. Nach allen Tiefen und Höhen des Rennens waren wir am Ende eine zusammengeschweißte Einheit.”
Das war hilfreich, denn das Ende hatte es nach gut gemeisterter Bass Strait, einigen Flautenhängern und dann wieder flotter Fahrt noch einmal in sich. Als sie schon Cape Raoul am Südostzipfel Tasmaniens ansteuerten und nur noch wenige Rennstunden vor sich hatten, sorgten erneute Wetterkapriolen noch einmal für angespannte Stunden.
Auf den Wellen entwickelten sich gefährliche Brecher. So was hatte ich bis dahin nur von Frachtern aus von oben gesehen” (Christopher Opielok)
“Vor uns lagen noch rund zehn, zwölf Seemeilen”, erinnert sich Christopher Opielok. Und weiter: “Wir waren mit der Genua 4 und im zweiten Reff unterwegs und ganz gut drauf, konnten die plötzlich wieder einfallenden Ballerböen auch meistern. Dann plötzlich kamen heftige Hagelschauer und Winde bis 48 Knoten – wieder wie aus dem Nichts. Wir haben die Front gemanagt, aber es kamen immer wieder extrem starke Böen, während der Hagel die Sicht sehr minimierte.”
Der Wellengang nahm schnell extreme Formen an. “Auf den Wellen entwickelten sich gefährliche Brecher. So was hatte ich bis dahin nur von Frachtern aus von oben gesehen”, sagt Opielok, dessen Crew sich binnen kurzer Zeit in einem Hexenkessel wiederfand. “Ich hatte jetzt das erste Mal ein bisschen Angst um die Crew und das Schiff”, beschreibt der Skipper seine Gedanken in diesen harten letzten Stunden auf See, “wir merkten dann, dass wir jetzt nicht mehr umlegen konnten, weil wir dann nicht mehr reinkommen würden.”
Was, wenn jetzt der Mast bricht? Wir hätten mit Blick auf die felsige Küste sofort den Mayday-Knopf gedrückt …” (Christopher Opielok)
Die Situation spitzte sich zu: “Wir haben dann mit mehreren Booten versucht, Cape Raoul zu erreichen, sind dort aber alle etwas in die kleine Bucht reingetrieben.” Es sei nicht ohne gewesen, sich aus dieser Felsenfalle wieder zu befreien: “Wir haben uns gedanklich auch mit möglichen Notsituationen befasst: Was, wenn jetzt der Mast bricht? Wir hätten mit Blick auf die felsige Küste sofort den Mayday-Knopf gedrückt …” Gemeinsam mit weiteren Teilnehmern am Rolex Sydney Hobart Yacht Race jedoch konnte sich die “Rockall VIII”-Crew befreien, während zwei Teams aufgeben mussten.
“Das war die einzige wirklich brenzlige Situation im Rennen”, sinnierte Christopher Opielok im Zielhafen Hobart. Geholfen habe die Lokalexpertise von Stuart Lee, der Wetter und Wolken gut zu lesen wusste und mit seiner Ruhe auch im Sturm die Arbeit an Bord erleichterte. “Wenn bei allen der Puls schon hochging, war Stu immer noch cool”, erzählt Christopher Opielok beeindruckt.
Der letzten schweren Prüfung folgte der süße Lohn: Als Christopher Opielok und seine Mannschaft die Ziellinie vor Hobart am 30. Dezember um 4.47 Uhr Ortszeit kreuzten, herrschte an Bord eine Stimmung zwischen Euphorie, Erleichterung und Dankbarkeit. Das in Perth gekaufte und bereits wieder verkaufte Schiff und seine Crew haben sich bewährt.
Es ist ein emotionaler Moment, als Christopher Opielok nach dem Festmachen in Hobart das berühmte Customs House ansteuert und den Tracker bei der Rennleitung abgibt. Hier hatte er auch 2017 mit seinem Freund und Mitsegler Martin Klawon nach dem frühen Rennaus gestanden. Damals hatten sie nach dem Ruderbruch im 73. Rolex Sydney Hobart Race einen Nothafen angesteuert und waren später von Melbourne nach Hobart geflogen, um dort immerhin den Tracker persönlich zu übergeben und einen versöhnlichen Abschluss zu finden.
“Damit hatten wir die Rennleitung damals etwas verwirrt, die sich kurz über den rasenden Tracker wunderte, den wir bei uns hatten und der mal eben 3.000 Seemeilen im Flugzeug absolviert hatte”, erinnert sich Christopher Opielok lächelnd. Als er den “Rockall VIII”-Tracker in diesem Jahr an der Seite seiner Ehefrau Elke zurückgab, liefen ihm Tränen der Freude und Erleichterung übers Gesicht.
“Ich habe eine Reihe von Fastnets und Atlantik-Überquerungen bestritten”, berichtete Christopher Opielok nach dem Anlegen im Hafen von Hobart im ersten Interview am Steg. “Ich habe insbesondere die letzten beiden Tage als sehr harsch empfunden. Heute früh haben wir uns beinahe im Überlebensmodus befunden. Meine Mission ist nun beendet. Ich habe das Rolex Sydney Hobart Race geschafft!”