ORC-WM“Outsider” und “Red Bandit” vor dem Finale auf Medaillenkurs

Tatjana Pokorny

 · 11.08.2023

Goldenes Eröffnungsszenario für die Langstrecke der ORC-WM
Foto: Christian Beeck/ORC World Championship 2023
Die ORC-WM vor Kiel strebt ihrem Finale entgegen. Nach Rückkehr der drei Flotten von der Langeland-Langstrecke sind die Karten am Vorschlusstag verteilt. Tilmar Hansens TP52 “Outsider” und Carl-Peter Forsters “Red Bandit” verteidigten ihre Podiumspositionen. In den Klassen B und C wird es für die deutschen Teams eng im Kampf um die Medaillen

“Das war eine sehr schöne Langstrecke! Eine friedliche Versöhnung für die Sturmtage zuvor”, sagte “Intermezzo”-Taktiker und Ocean-Race-Segler Robert Stanjek nach dem nächtlichen Rennen der ORC-WM vor Kiel. Damit sprach Stanjek nach Rückkehr am Freitagmorgen fast allen Teilnehmern aus der Seele, die vor allem den “goldenen Start” in die Langstrecke und die milden Segelbedingungen genossen haben.

Ein Traum von Langstrecke

Lange haben Organisatoren und Segler auf solche Bedingungen gehofft. Zum Start ins Langstrecken-Rennen der ORC-WM war das Traumszenario da: Holsteiner Himmel mit viel Blau und einigen weißen Wolken über der Kieler Förde, abendlicher Sonnenglanz auf den Segeln der Flotte vor dem Laboer Marine-Ehrenmal – dazu 2 bis 3 Beaufort sanfter Sommerwind. Der Donnerstagabend bot einen Idealstart in das Nachtrennen der Weltmeisterschaft der Seesegler vor Kiel.

Im engen Start-Areal in der Strander Bucht servierten die 111 Crews in ihren Startgruppen zudem ein Manöver-Spektakel an der ersten Bahnmarke, das zahlreiche Zuschauer in den Motorbooten, aber auch im Olympiahafen von Schilksee und entlang der Promenaden von Strande begeisterte. Ab Mitternacht schob sich eine schmale Mondsichel über den klaren Himmel, die leichte Brise in der Dänischen Südsee stand bis zum Morgen durch. Da der Wind im Laufe des Freitagvormittags allerdings einzubrechen drohte, nahm das Wettfahrtleiterteam um den Principal Race Officer Eckart Reinke die Yachten südwestlich von Langeland ins Ziel.

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Wären wir nicht sofort in den Wind gefahren, hätte der Mast brechen können” (Markus Wieser)

So auch die Crew auf Tilmar Hansens TP52 “Outsider”, bei der nach gelungenem Rennen etwa vier Stunden vor dem Ende der verkürzten Langstrecke plötzlich das rechte Unterwant gebrochen war. “Das war ein Folgeschaden der Belastungen in den ersten drei Sturmtagen. Wären wir nicht sofort in den Wind gefahren, hätte der Mast brechen können”, sagte “Outsider”-Taktiker Markus Wieser. Es gelang dem Hansen-Team mit vereinten Kräften, den Schaden mit Bordmitteln so weit zu fixen, dass es trotzdem zu Rang zwei auf der Langstrecke reichte – eine herausragende Leistung für sich.

“Desna” macht das Rennen über Nacht

Gewonnen hat die Langstrecke in Klasse A Johannes Wackerhagens Knierim 49 “Desna”, die zum WM-Ende nach holprigem Auftakt, einem Navigationsfehler, Bruch und zwei dadurch verpassten Rennen immer besser in Fahrt kommt. Die elfköpfige Crew kehrte nach schweren Tagen zu WM-Beginn nun mit strahlenden Gesichtern und hochgereckten Armen von der Langstrecke in den Hafen von Kiel-Schilksee zurück. “Wir segeln hier bei der ORC-WM ja vor allem gegen den eigenen Schatten. Am Ende ist es die Konstanz, die sich auszahlt, das beharrliche Arbeiten in jedem Augenblick”, sagte “Desna”-Taktiker Jesper Radich aus Dänemark.

“Desnas” Großsegeltrimmer Bertil Balser sagte, es sei “schon ärgerlich”, die WM so eröffnet zu haben. Der Langstreckensieg aber versöhnte das Team wie auch der Segelgenuss selbst auf dem Kurs. Das Boot aus dem Jahr 2006 hatte die Mannschaft für die Weltmeisterschaft im Heimatrevier zwischen der Kieler Woche und der WM noch einmal optimiert. “Es waren eigentlich nur Kleinigkeiten”, so Bertil Balser, “aber wir haben gute Leute an Bord, und die Stimmung ist auch nicht schlecht.”

“Beau Geste” auf Titelkurs

Karl Kwoks bis zur Langstrecke ungeschlagene Klasse-A-Königin “Beau Geste” musste sich auf der Langstrecke erstmals der beharrlichen deutschen Konkurrenz beugen. Neben “Desna” und “Outsider” war auch Carl-Peter Forsters TP52 “Red Bandit” berechnet schneller im Ziel als die WM-Top-Favoritin aus Hongkong. In der Gesamtwertung aber liegt “Beau Geste” vor den beiden finalen Up & Downs am Samstag weiter klar in Führung und hat mindestens eine Hand am WM-Gold.

Die Teams auf “Outsider” und “Red Bandit” verteidigten vor der Entscheidung am Samstag ihre Medaillen-Positionen. Es folgte auf Platz vier mit Jan Opländers Swan 45 “Katima” (Norddeutscher Regatta Verein) die erste Nicht-TP52. Steuermann Jan Opländer, Taktiker und Navigator Tim Kröger, Stratege Stefan Voss und ihre Crew kamen als Sechste von der Langstrecke und lagen nach sieben Wettfahrten in der Gesamtwertung einen Punkt vor Michael Berghorns Mills 45 “Halbtrocken 4.5”. Tim Kröger sagte: “Auf unser Zwischenergebnis sind wir sehr stolz. Unabhängig davon, wie die WM morgen ausgeht. Es zeigt, dass harte Arbeit Früchte tragen und ein Team wachsen kann. Wir werden auch morgen noch einmal kämpfen.”

“Windwhisper” nicht zu stoppen, “Intermezzo” mit Schnitzer

In Klasse B segelt die polnische Grand Soleil 44 P „Windwhisper 44“ von Marcin Sutkowski (Polen) bei der ORC-WM auf Goldkurs. Nach fünf Siegen und drei zweiten Rängen ist die Mannschaft kaum mehr einzuholen. Jens Kuphals “Intermezzo” konnte sich auf der Langstrecke trotz sehr gutem vierten Rang nicht dichter an das führende Trio heranarbeiten.

“Intermezzo”-Eigner und Steuermann Jens Kuphal hatte während des Rennens zu kämpfen, musste nach der Rückkehr in den Hafen mit kratzender Stimme zu Protokoll geben: „Ich habe mir eine Erkältung eingefangen, habe in der Nacht Fieber bekommen und bin völlig fertig. Trotzdem war es ein tolles Rennen. Wir haben lange in Führung gelegen und uns in der Spitze ein enges Match geliefert.“

Ich hatte die dumme Idee, dem Gegenstrom im flacheren Wasser aus dem Weg zu gehen” (Max Gurgel)

Einen Schnitzer aber hatte sich das “Intermezzo”-Team auch geleistet, wie Max Gurgel über den Abschnitt nach dem Passieren der Marke an der Ostküste von Langeland erfrischend offen berichtete: “Der Strom setzte nach Norden, und ich hatte die ganz dumme Idee, dem Gegenstrom im flacheren Wasser aus dem Weg zu gehen. Dafür hatte ich sehr gute Argumente, sodass ich auch die anderen überzeugen konnte. Aber da sind wir leider ohne Wind liegen geblieben.”

“Intermezzo”-Taktiker und Ocean-Race-Segler Robert Stanjek fasste zusammen: “Leider war der Wind dort unter Land so viel schwächer, dass uns das rund zwei Meilen gekostet hat, damit sind die anderen vorbeigezogen. Der Abstand zu den Top Drei ist jetzt zu groß, um noch wirklich in den Medaillenkampf eingreifen zu können.” Kämpfen will das Kuphal-Team am Finaltag trotzdem, wie Jens Kuphal auch angeschlagen dynamisch ankündigte: “Es ist noch nicht vorbei …”

Ein guter Move am Sperrgebiet von Kappeln …

Ein dramatisches Finale könnte es in der Klasse C geben. Die Top Drei lagen hier vor den beiden abschließenden Sprints am Samstag eng beieinander. Die besten Karten hielt dabei das Team auf der führenden estnischen J/112 „Matilda 4“ von Juss Ojala in Händen.

Die Crew auf Max Habecks J-112 “Aquaplay” lauert vor der Entscheidung als bestes deutsches Boot in Gruppe C auf Platz vier darauf, welche Chancen sich noch auftun könnten. Steuermann Gordon Nickel und die “Aquaplay”-Crew sind für einen spannenden Showdown bereit. Mit Rang vier auf der Langstrecke hatte die neunköpfige Crew erneut ihre Klasse unter Beweis gestellt. Eigner Max Habeck berichtete: “Zur Langstrecke hatten wir endlich die Bedingungen, die wir uns für Kiel gewünscht haben. Am Sperrgebiet vor Kappeln haben wir einen ganz guten Move gemacht. Leider sind aber auch die anderen Teams vor uns gut gesegelt, sodass wir nichts im Ranking gutmachen konnten.”


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