Während Karl Kwoks favorisiertes Team auf der TP52 “Beau Geste” oder auch Tilmar Hansens Crew auf TP52 “Outsider” den ersten WM-Lauf am Montag auch in Knaster-Bedingungen spielend leicht aussehen ließen, mühten sich andere Crews durch die stürmischen Winde auf der Förde. Den rund 20 Seemeilen langen küstennahen Kurs für die 14 gestarteten großen Boote der Klasse A ritt Kwoks Profi-Crew in 1 Stunde, 20 Minuten und 36 Sekunden ab. Nur 2 Minuten und 35 Sekunden länger benötigte Tilmar Hansens “Outsider”-Team vom Kieler Yacht-Club.
“Outsider”-Taktiker Markus Wieser sagte: “In der Eckernförder Bucht hat es bei uns richtig reingehämmert. ‘Beau Geste’ konnten wir nicht halten. Sie haben den Start gegen uns gewonnen und sind gleich auf dem ersten Reach bis zur Tonne zwei Minuten von uns weggesegelt. Sie haben einen etwas höheren Mast, einen etwas längeren Kiel, sind radikal optimiert ...”
Auf der Top-Favoritin “Beau Geste” segelt mit Simon Daubney einer der höchstdekorierten Profisegler des Sports. Der 64-Jährige hat acht America’s Cups bestritten, fünfmal gewonnen. Lange zählte er zur Kerncrew des Jahrhundertseglers Russell Coutts, dessen Name heute für Segelspannung im SailGP steht. Dreimal hat Simon Daubney an Olympischen Spielen teilgenommen. An Soling-Einsätze vor Kiel in den achtziger Jahren erinnert sich Daubney jetzt bei der ORC-WM gern: “Das ist etwa 40 Jahre her und hat Spaß gemacht.”
Wir wissen, dass die Judel/Vrolijk-Boote schnell sind” (Simon Daubney)
“Beau Geste” hat zwar zum Auftakt gehalten, was von ihr erwartet wurde, doch die Crew um Skipper Gavin Brady erwartet keinen Spaziergang zum Titel. Daubney sagte mit Blick auf die Kieler “Outsider”: “Wir wissen, dass die Judel/Vrolijk-Boote schnell sind. Wir mussten heute sehr hart arbeiten. Das wird voraussichtlich so bleiben.”
Auf Platz drei liegt in der WM-Gruppe A der großen Racer nach dem ersten Tag Carl-Peter Forsters “Red Bandit” (Bayerischer Yacht-Club) vor Michael Berghorns “Halbtrocken 4.5” (Kieler Yacht-Club) und Jan Opländers 15 Jahre alter Swan 45 “Katima” vom Norddeutschen Regatta Verein. Kirsten Harmstorf und ihre Frauen-Crew auf der DK 46 “Tutima” (Mühlenberger Segel-Club) ersegelten bei ihrem Revival trotz rund 25 Sekunden Verspätung am Start einen starken siebten Platz. Die Seglerinnen vermeldeten Böen von bis zu 44 Knoten, meisterten den Kurs aber mit einem Reff und Genua 4 souverän.
Das Rennen hat heute an der absoluten Grenze stattgefunden. Es hat aber auch ein bisschen Spaß gemacht” (Jens Kuphal)
In Klasse B hat Jens Kuphals co-favorisierte “Intermezzo” (Berliner Yacht-Club) die WM im Sturmritt als bestes deutsches Boot auf Platz vier eröffnet. Die Berliner Rennyacht mit der halben Crew des Ocean-Race-Teams Guyot hatte die Ziellinie als Klassenerste erreicht. Nach berechneter ORC-Zeit jedoch musste sich die Mannschaft mit Taktiker Robert Stanjek, dem Berliner Phillip Kasüske, Max Gurgel, Karl Gurgel, Ludger Gawlitta und weiteren Crew-Mitgliedern berechnet zunächst hinter der polnischen “Windwhisper” sowie den dänischen Booten “Sirena” und “Dixi 4” einordnen.
“Das Rennen hat heute an der absoluten Grenze stattgefunden. Wir haben 40 Knoten Wind in Böen und 18 Knoten Speed erlebt. Es hat aber auch ein bisschen Spaß gemacht”, sagte Jens Kuphal. Sein Taktiker Robert Stanjek sagte: “Es war eine gute Entscheidung der Wettfahrtleitung, heute statt der Langstrecke das kürzere Rennen zu segeln. Viel länger hätte es auch nicht dauern dürfen …” Tatsächlich nahm der Wind am frühen Nachmittag immer weiter zu. Da wurde für viele Crews auch das Einparken in die Boxen im Olympiahafen zur Bewährungsprobe. Vielen mussten zwei oder auch drei Anläufe nehmen.
Es schien uns zu gefährlich, und wir wollten die Segel schonen” (Jonas Missel)
Es gab jedoch auch einige Teams, die die Bedingungen als zu unangenehm empfanden und sich nach dem Start zurückzogen. So die junge Mannschaft auf der Farr 42 “Universitas”. Ihr Skipper Jonas Missel sagte: “Wir haben das Rennen auf der Kreuz abgebrochen. Es schien uns zu gefährlich, und wir wollten die Segel schonen. Wir sind alle Studenten und wollen bei dieser Weltmeisterschaft Spaß haben. In der Mitte der Woche, wenn der Wind etwas nachlässt, werden wir loslegen.”
Die mit 66 Booten in zwei Feldern gestartete WM-Gruppe C mit den kleinsten Yachten wurde am ersten WM-Tag von zwei estnischen Teams dominiert: Die J-112E “Matilda 4” und ihr Schwesterschiff “Shadow” eröffneten die WM mit Rennsiegen. Als bestes deutsches Boot holte im Heimatrevier zum Auftakt Harald Brünings “Topas” vom Kieler Yacht-Club einen zweiten Rang in ihrer Gruppe und lag damit am Montagabend auf Platz drei. Die co-favorisierte “Immac Fram” mit Kai Mares musste sich zunächst auf Platz 17 einreihen.
Im ersten Drittel der C-Flotte konnten sich auch Michael Höfgen und seine fünf Mitstreiter auf der JPK 10.30 “Lightworks” behaupten. “Wir fahren erstmals als Crew zusammen, konnten unseren Handicap-Wert heute noch nicht ausspielen. Das Feld ist stark. Wir sind ohne Reff rausgefahren bis oben zur Tonne, haben dann auf die Fresse bekommen. Dann haben wir ein zweites Reff eingezogen und sind die Kreuz nicht so schlecht gesegelt. Dann haben wir wieder ausgerefft und haben wieder auf die Fresse bekommen. Segelbar war es heute. Wir sind nicht unzufrieden mit dem Auftakt.”
Die WM soll am Dienstag bei anhaltend stürmischen Winden fortgesetzt werden. Das Rennformat für Tag zwei der WM will die Wettfahrtleitung mit maximal aktuellen Wetterinformationen erst am frühen Dienstagmorgen vor 7 Uhr bekannt geben. Bis dahin soll klarer sein, ob ein kurzes Offshore-Rennen mit möglichen Kurslängen von 115, 105 oder 85 Seemeilen absolviert werden kann. Ziel wäre es laut Principal Race Officer Eckart Reinke in dem Fall, die Boote vor Mitternacht in den Hafen zu bekommen.
Alternativ könnte – ähnlich der Auftaktwettfahrt – erneut ein küstennahes Rennen ausgetragen werden. Die Windprognosen bleiben sehr knackig, die sportliche Austragung der WM damit vorerst weiter eine Gratwanderung. Es gibt in Kiel unter den rund 1.000 Aktiven ebenso Crews, die sich als Schwerwetter-Teams durch die Verschiebung der Langstrecke am Montag sogar benachteiligt fühlten, wie auch solche, die schon den verkürzten Renneinsatz als grenzwertig und materialschädigend empfanden.
Nicht nur “Outsider”-Taktiker Markus Wieser fragte: “Warum muss die Langstrecke am Dienstag oder Mittwoch in den stürmischen Bedingungen gesegelt werden? Die WM ist eine Woche lang und bietet weitere Möglichkeiten in weniger heftigen Bedingungen.” Sicher war am Montagabend nach dem absolvierten Auftakt eines: Der Start zum zweiten WM-Rennen am Dienstag – kurzes Offshore oder “Coastal” – soll um 10 Uhr erfolgen.