ORC-EMNur Sekunden gaben den Ausschlag – EM-Silber für “Desna”, Bronze für “Intermezzo”

Tatjana Pokorny

 · 17.08.2024

Vize-Europameisterin "Desna" mit dem Kieler Johannes Wackerhagen und seiner Crew
Foto: ORC Europeans 2024 Åland Island/Pepe Korteniemi
Die ORC-EM in Mariehamn ging am Samstag mit den letzten beiden Kurzrennen unter Hochspannung zu Ende: In Klasse A holte Johannes Wackerhagens “Desna” im furiosen Endspurt Silber knapp vor Jens Kuphals “Intermezzo”. Vier Sekunden machten den Unterschied zwischen dem zweiten und dem dritten Podestplatz. In Klasse B verpasste die dänisch-deutsche Crew auf “Dixi 4” den EM-Gold-Coup nach starker Aufholjagd im Finale um nur einen Punkt

“Tolle Regatta, tolle Stimmung, super Segelbedingungen!” Das Fazit von “Intermezzo”-Eigner und -Steuermann Jens Kuphal mit Blick auf die eben zu Ende gegangene ORC-EM dürften nach dem Finale im Revier der Åland-Inseln fast alle Teilnehmer unterschreiben. Die finnischen Ausrichter vom Åländska Segelsällskapet waren nicht nur gute und herzliche Gastgeber. Sie hatten in dieser ORC-EM-Woche in ihrem Traumrevier der Åland-Inseln auch nahezu durchweg schöne Segelbedingungen und ein volles Sportprogramm ohne Ausfälle zu bieten.

“Desna” ist bestes deutsches EM-Boot

Als bestes deutsches Boot holte Johannes Wackerhagens Knierim 49 “Desna” Silber in Division A. Dass bei den großen Booten Karl Kwoks “Beau Geste” nach kurzem “Auftaktstolperer” mit Rang fünf auf der eröffnenden Langstrecke sieben Rennsiege folgen ließ und nicht zu schlagen war, wussten Gegner und Beobachter schon vor dem ORC-EM-Start. Für die Verfolger der Weltmeister ging es von Tag eins an um Silber, Bronze und gute Platzierungen. Dabei mauserte sich das Duell zwischen den beiden deutschen Top-Booten “Desna” und Jens Kuphals modifizierter Landmark 43 “Intermezzo” zunehmend zum Krimi.

Mehrfach entschieden nur Sekunden darüber, welches der beiden Boote unter schwarz-rot-goldener Flagge in den insgesamt acht Rennen den Bug im Kampf um Silber und Bronze vorn haben würde. In Rennen vier beispielsweise holte die “Intermezzo”-Crew ihren zweiten Rang berechnet mit nur zwei Sekunden Vorsprung vor “Desna”. Im finalen achten Rennen drehte das “Desna”-Team den Spieß um: Vier Sekunden Vorsprung reichten zu Rang zwei vor “Intermezzo”.

“Intermezzo” gewinnt punktgleich Bronze

Damit war das packende deutsch-deutsche Duell um die Vizeeuropameisterschaft in der Gruppe A der ORC-EM bei Punktgleichheit nach einer Langstrecke, sechs Kurzrennen und einer Mittelstrecke zugunsten von “Desna” entschieden. Hinter der Europameisterin “Beau Geste” (11 Punkte) holten “Desna” und “Intermezzo” (beide 22 Punkte) Silber und Bronze bei der ORC-EM. Jan Opländers auf der Langstrecke mit Rang drei stark eingestiegene Swan 45 “Katima”, deren Crew auf der Mittelstrecke mit Rang zwei nochmals glänzen konnte, lagen die Kurzstrecken etwas weniger. Der Frers-Schwan von 2001 beendete die ORC-EM punktgleich mit der fünftplatzierten polnischen HH 42 “Scamp Three” als sechstes A-Boot.

Jede Sekunde zählt” (Jesper Radich)

“Desna”-Eigner Johannes Wackerhagen, erst 33 Jahre alt und mit seiner jungen Crew um den erfahrenen Taktiker Jesper Radich erst ein Jahr mit dem 49er-Design von Judel/Vrolijk im Einsatz, freute sich über den Silber-Erfolg: “Wir haben in den Kurzrennen sehr performt, wirklich alles rausgeholt.” Nach “fieser Langstrecke”, bei der “Desna” wie viele weitere Boote am Ende des anfangs so druckvollen und erfolgreich bestrittenen Über-Nacht-Rennens in fantastischer Polarlicht-Kulisse zwei Stunden in der Flaute kleben geblieben war, konnte sich das Team im EM-Verlauf immer weiter steigern.

“Das war eine große Leistung mit einer jungen Crew, in der manche gerade erst volljährig geworden sind. Ich bin wirklich stolz auf alle”, sagte der in Hamburg lebende Kieler Johannes Wackerhagen. Ihr erstes großes Event hatte die “Desna”-Crew bei der ORC-WM in Kiel bestritten. Nach dem Finalerfolg bei der ORC-EM in Mariehamn lächelte der Eigner und erzählte: “Unser Taktiker Jesper Radich sagt immer: ‘Jede Sekunde zählt!’ Das war hier wirklich so.”

Ausfallserie schweißt Crew zusammen

Auch Jens Kuphal war nach dem Finale stolz auf seine Crew, die nach Silber 2020 und Gold von Hankø 2022 den Medaillensatz in Mariehamn mit Bronze komplettierte. “’Die ‘Desna’-Crew ist super gesegelt. Und wir auch. Bei uns sind nur sechs von elf Crew-Mitgliedern durchgesegelt. Wir haben uns mit hoher und krankheitsbedingter Ausfallrate durchgekämpft und durchgebissen. Dafür bedanke ich mich bei allen sehr!”

Am Finaltag sprang sogar noch Sohn Jascha Kuphal ein, der bis dahin als einer der Fotografen der ORC-EM für starke Bilderwelten aus dem Revier der Åland-Inseln gesorgt hatte. “Er ist erst 15 Jahre alt. Das war meine größte Freude als Vater”, erzählte Jens Kuphal. Und weiter: “Unser Schwerpunkt lag in dieser Woche auf dem Team. So was schweißt auch zusammen.”

Jens Kuphals bereits vor EM-Start geäußerte Kritik an der Neueinteilung der ORC-Gruppen war mit dem Finale nicht vom Tisch. Nur wollte der Berliner das so gelungene Event zunächst nicht mit seinen Einschätzungen treffen. Der “Intermezzo”-Eigner glaubt nicht daran, dass sich die kleine Gruppe A der großen Boote mit der Neueinteilung auf Dauer retten lässt. “Da wurde eine gesunde Gruppe B auseinandergerissen. Auch aus der früheren Gruppe C wurden ja Boote nach B hochgespült.”

Packender Showdown in Klasse B

Die Entwicklung hält nicht nur Kuphal für kritisch. Der dänische Gruppe-B-Vizeweltmeister von Kiel, Peter Buhl aus Dänemark, war erst gar nicht zur EM angetreten. Er hatte mit seinem Team die Swan 42 “Sirena” für die WM in Kiel 2023 optimiert und einiges investiert. Viele Modifikationen hätte er durch die Neueinteilung der ORC-Gruppen wieder rückgängig machen müssen. Dazu war Buhl nicht bereit. Das ORC-Management steht vor der schwierigen Aufgabe, das inzwischen durch die Formel erreichte und in vielen Bereichen sehr spannende Handicap-Segeln auf der einen Seite fortzuschreiben, auf der anderen Seite langjährige Eigner und Crews nicht zu verprellen.

Die gewachsene Spannung auf der Haben-Seite der ORC-EM repräsentierte auch das Titelduell in Division B. Da bot nach nicht ganz glücklichem Langstreckenauftakt im Verlauf der Europameisterschaft die dänisch-deutsche Crew auf Erik Stannows X-41 “Dixi 4” der modifizierten estnischen X-41 “Olympic” zunehmend Paroli. Die Jäger auf der Ex-”Sportsfreund” – darunter viele ehemalige Sportsfreunde – erhöhten den Druck auf die Spitzenreiter Tag für Tag. Im Showdown schien dann alles möglich. “Wir wussten vor den letzten beiden Rennen, dass wir idealerweise zwei Siege und ein kleines bisschen Fortune brauchen”, sagte “Dixi 4”-Segler Bendix Hügelmann.

Tatsächlich gewann “Dixi 4” das vorletzte Rennen der ORC-EM am Samstag. “Da fehlten nur noch zwei Punkte. Und ‘Olympic’ musste dann sogar an der ersten Tonne kringeln …”, berichtete Bendix Hügelmann. Doch Rang drei reichte “Dixi 4” im Endspurt im achten und letzten Rennen um ein paar Sekunden nicht ganz zur Vollendung des Titelsturms. “Olympic” holte mit 26 Zählern auf dem ORC-EM-Konto Gold vor “Dixi 4” (27 Punkte) und der schwedischen JPK 11.80 “Garm” (42 Punkte). Keine Klagen kamen aus der B-Gruppe naturgemäß darüber, dass sie bei dieser ORC-EM nicht mehr gegen die Landmarks antreten mussten.

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Bittersüßer Silber-Erfolg für “Dixi 4”

Zum Silber-Erfolg seines dänisch-deutschen Teams sagte Eigner Erik Stannow: “Man kann es aus zwei Perspektiven betrachten. Die eine ist: Wir haben bei der Europameisterschaft eine Silbermedaille gewonnen! Das ist großartig und war bis vor zwei Tagen alles andere als klar. Die andere ist: Wir haben aufgrund von zwei Sekunden Rückstand im letzten Rennen heute Gold verloren. Also fühlt es sich gerade bittersüß an. Aber: Wir sind relativ neu im Spiel, haben die letzten Tage toll performt.”

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In unserem Bereich hat sich gezeigt, dass ORC fast die Spannung von Einheitsklassen bieten kann” (Erik Stannow)

So stark motiviert, haben nicht nur Erik Stannow und die Crew der “Dixi 4” bereits die Worlds 2025 in Estlands Hauptstadt Tallinn im Visier: “Unsere Crew hat für diese EM viele Verbesserungen vorgenommen. Am Boot und im Team. Es war sehr intensiv! Wir haben sechs großartige Tage Regattasport erlebt und sind voll entflammt, wollen im kommenden Jahr die WM in Tallinn segeln.”

Den “Schmerz” der in Gruppe A verschobenen Landmarks und ähnlicher Boote kann Erik Stannow gut nachvollziehen. Der Zweite Vorsitzende des Helsingør Sejlklub und Mitorganisator des Klassikers Sjaelland Rundt sagte: “Wir wurden bislang von den Landmarks und anderen überragt. Jetzt ist das B-Feld enger zusammengerückt. Die Rennen haben gezeigt, dass relativ alte X-41er wettbewerbsfähig sein können. Das ist großartig. Wir haben viel Input von den Sportsfreunden bekommen. Das ist sehr erfolgreich. In unserer Crew mit vielen Deutschen und einigen Dänen herrscht eine tolle Stimmung.”

Zuckerformel: “Sugar” siegt in Division C

Als bestes deutsches Boot in Gruppe B segelte Felix Streckenbachs X-41 “Imagine” auf Platz sieben. Dirk Clasens Humphreys 39 “Gingko” beendet die ORC-EM auf Platz 17. Alf Henryk Wulfs X-41 “Stardust” lag nach den acht EM-Rennen auf Platz 19. In Division C kam Eike Claas Carminckes M.A.T. 1010 “Matchbox” als neuntes Boot noch in die Top Ten. Hier siegte die favorisierte estnische Italia 9.998 “Sugar” mit Steuermann Sandro Montefusco vor Patrik Forsgrens modifizierter First 36.7 “Team Pro4U” (Schweden) und Aivar Tuulbergs Arcona 340 “Katariina II” aus Estland.

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