Ocean Race Europe“Wir sind ja nicht im SailGP” – Crash-Drama für zwei Teams

Tatjana Pokorny

 · 10.08.2025

Die demolierte "Holcim-PRB" – hier hatte sich die Deckssaling von "Allagrande Mapei" hineingebohrt.
Foto: Vincent Curutchet/The Ocean Race 2025
So hatte sich niemand den Auftakt zum 2. Ocean Race Europe vorgestellt. Nach der Wonnewoche in Kiel waren alle Teams, alle Fans, die Veranstalter und Gäste auf einen sommerlichen Traumtag und einen spektakulären Start eingestellt. 100.000 Zuschauer im Ocean Live Park, an den Fördeufern und auf rund 2500 Booten auf dem Wasser waren live dabei. Für zwei Teams wurde der Tag zum Albtraum.

Das Ocean Race Europe hat mit einem Doppel-Schock begonnen. Nach Wonnetagen in Kiel kam es bereits in der zweiten Minute nach dem Start zum Europa-Rennen in der Strander Bucht zur Kollision zwischen dem Schweizer Team Holcim-PRB mit Skipperin Rosalin Kuiper (Niederlande) und dem italienischen Team Allagrande Mapei Racing mit Skipper Ambrogio Beccaria.

Ocean Race Europe: gerammt und perforiert

Dabei schien es in Winden um 20, in Böen auch 25 Knoten so, als sei “Holcim-PRB” als Leeboot “abgeschmiert”. Die Imoca luvte, während “Allagrande Mapei” von hinten auflief, nicht mehr ausweichen konnte und mit “Holcim-PRB” kollidierte. Dabei rammte “Allagrande Mapei” seine Deckssaling in den Rumpf von “Holcim-PRB”. Fast gleichzeitig perforierte die Spitze von “Holcim-PRBs” Foil den Code Zero des italienischen Bootes, auf dem im Nachgang auch noch das Großsegel beschädigt wurde.

Beide Boote trugen so starke Schäden davon, dass sie – erst die Italiener, dann auch die Schweizer – in den Starthafen von Kiel zurückkehren mussten. Die Segler blieben bei diesem Startdrama unverletzt.

​Wir segeln nicht. Wir sind wieder im Hafen. Ich bin sehr, sehr traurig.” Ambrogio Beccaria

Ambrogio Beccaria erzählte im Hafen, dass sein Team große Anstrengungen unternommen habe, um die Startlinie zum Ocean Race Europe zu erreichen. “Nun haben wir nur eine Meile der Regatta geschafft”, sagte der in Frankreich lebende Mailänder in Kiel. Und weiter: “Es ist auch für unsere Konkurrenten sehr traurig. Wir sind nicht allein in dieser Situation...”

Wie schwer sind die Folgeschäden?

Zum weiteren Vorgehen seines Teams berichtete Ambrogio Beccaria: “Wir überprüfen das Boot. Wir werden auf keinen Fall aufgeben, solange noch eine Chance besteht. Es wird nicht einfach, aber wir werden sehen.“ Probleme könnten insbesondere Schäden am Steuerbord-Outrigger und an den Oberwanten der Imoca. Ambrogio Beccaria bezeichnete das als “wahrscheinlich”.

​Die Startlinie war sehr kurz. Das ist sehr gefährlich. Wir sind ja nicht beim SailGP. Wir brauchen viel mehr Platz. Die nahen Zuschauerboote waren gefährlich.” Ambrogio Beccaria

Auch “Holcim-PRB”-Skipperin Rosalin Kuiper stand mit ihrem Team am Sonntagabend im Kiel vor zunächst geplatzten Träumen von einem starken Start ins Ocean Race Europe. Wie das italienische Team, so ging auch sie zunächst nicht im Detail auf die Entstehung und den Verlauf der Crash-Situation ein.

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Rosalin Kuiper sagte: „Wir mussten das Rennen wegen Schäden am Rumpf aufgeben. Das ist sehr enttäuschend für unser gesamtes Team, für Allagrande Mapei und auch für The Ocean Race Europe.” Dessen Renndirektor Phil Lawrence äußerte sich am Sonntagabend zum Crash: “In Folge der Kollision nach dem Start zur ersten Etappe, haben Team Holcim-PRB und Allagrande Mapei Racing das Rennen unterbrochen und sind ans Dock in Kiel zurückgekehrt, um die Schäden zu untersuchen und weitere Schritte zu planen.”

Ocean Race Europe: erster Protest eingereicht

Phil Lawrence erklärte: “Zu diesem Zeitpunkt ist es nach unserem Verständnis so, dass beide Teams hoffen, das Rennen wieder aufnehmen zu können. Mehr dazu werden wir voraussichtlich am Montag wissen. Was den Vorfall zwischen den beiden Booten betrifft, so ist ein Protest von Team Holcim-PRB gegen Allagrande Mapei Racing eingereicht worden. Diese Angelegenheit wird von der Internationalen Jury zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt behandelt.”

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Ruhig und gefasst gab Rosalin Kuiper, deren Crew wie auch das italienische Team von den Kieler Fans vor Ort immer wieder mit motivierendem Beifall angefeuert wurden, am Abend an der Blücherbrücke einen kurzen Überblick über die Lage: “Wir werden die Situation beurteilen, sehen, was passieren kann, und dann einen Plan machen. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, das Boot wieder startklar zu machen, es so schnell wie möglich zu reparieren und hoffentlich in Portsmouth an den Start zu gehen...”

Kuiper machte sich selbst, ihrer Crew und allen Unterstützern Mut, sagte: “Wir werden das schaffen. Wir haben ein sehr starkes Team. Ich wünschte, ich wäre jetzt nicht hier, aber so ist die Situation. Wir müssen diesen Schaden reparieren, und das werden wir auch tun.“

Direkt in die Nachtschicht bei Knierim Yachtbau

“Holcim-PRB” war bereits vor 19 Uhr mit einem Lotsen in Richtung Knierim Yachtbau an der Kieler Uferstraße 100 unterwegs. Angedacht ist eine möglichst schnelle Reparatur. Sodann könnte “Holcim-PRB” auf dem kürzesten Wasserweg nach Portsmouth gebracht werden und idealerweise am 17. August von Großbritannien aus in die zweite Etappe via Porto nach Cartagena starten. Nichts davon ist sicher, aber die Chance da.

Die fünf verbliebenen Yachten setzten das Rennen mit unverminderten Geschwindigkeiten fort. Die ersten zwei Bonuspunkte kassierte als schnellstes Boot keine zehn Minuten nach dem Start Paul Meilhats französische «Biotherm» am Leuchtturm Kiel. Einen Punkt erhielt dort als zweitschnellstes Boot “Paprec Arkéa” (Frankreich).

Beide zählen zu den Favoriten im Ocean Race Europe. Wie auch “Malizia – Seaexplorer” waren die beiden französischen Imocas mit ihren in den böigen Bedingungen besser kontrollierbaren J2-”Arbeitspferden” unterwegs. Boris Herrmanns Team Malizia hatte sich fünf Stunden nach dem Start am Sonntagabend auf Platz drei vorgearbeitet.

Der “krasse Crash” bei der Sportschau

Es folgten auf der nun eröffneten Etappe das kanadische Team Be Water Positive und Alan Rouras Team Amaala. Ein kleines Achtung galt am Abend noch dem Tracking und den Zwischenständen, die noch nicht hundertrpozentig zuverlässig funktionierten, es aber zeitnah tun sollten.

Das Startvideo mit der Kollision zwischen Team Holcim-PRB und Allagrande Mapei:

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