Obwohl die Geschichte des ursprünglichen Mottensegelns bald auf 100 Jahre zurückblicken kann, hat es immer noch etwas Futuristisches, wenn sich die inzwischen stark weiterentwickelten heißen Geschosse unserer Zeit auf ihren Foils übers Wasser erheben und über ihre Kurse jagen.
Erst seit dem Jahr 2000 verwenden die internationalen Moths Tragflächenprofile an Schwert und Ruder, die den gesamten schlanken Rumpf sowie Steuermann oder Steuerfrau über die Wasseroberfläche heben. So wird der Wasserwiderstand drastisch reduziert, die Geschwindigkeit stark erhöht – eine Quelle des Vergnügens für alle, die dem Mottenfieber erliegen.
Motten sind die bekanntesten „fliegenden“ Foiler für Solo-Akteure. Wazps und andere Modelle bieten ähnlichen Geschwindigkeitsrausch über dem Wasser. Weil das Foiling inzwischen im Hochleistungssegelsport fast überall Einzug gehalten hat, rücken die Motten mit ihren aus America’s Cup, SailGP oder von den Olympischen Spielen bekannten Bändigern wie Superstar Tom Slingsby, Paul Goodison, Francesco Bruni oder Phil Robertson immer mehr ins Rampenlicht.
„Die Chancen dafür, dass die Motte olympisch wird, liegen bei Null. Die Chance, dass eine vergleichbare OneDesign-Variante olympisch wird, die sehe ich als gut.” Philipp Buhl
Die wachsende Beliebtheit wiederum erhöht die Chancen eines Ein-Personen-Flitzers auf eine olympische Zukunft. Während die Windsurfer im iQFoil bereits olympisch sind und 2024 in Marseille ihre Foiling-Premiere feiern, nehmen nun auch die Bemühungen zu, ein foilendes Boot auf olympischen Kurs zu bringen. Dafür kommen die um die 40.000 Euro teuren neuen Motten als Entwicklungsklasse schon aus Kostengründen nicht in Frage. Strikte OneDesigns wie die Switch aus Thailand mit prognostizierten Kosten von um die 20.000 Euro aber schon.
Eine olympische Bewerbung wird in Foiling-Kreisen längst diskutiert. „Die Chancen dafür, dass die Motte olympisch wird, liegen bei Null. Die Chance, dass eine vergleichbare OneDesign-Variante olympisch wird, die sehe ich als gut“, sagt mit Philipp Buhl Deutschlands erfolgreichster Mottensegler. Und weiter: „Wichtig ist, dass ein solcher Einheitsklassen-Foiler zuverlässig und langlebig ist. Wenn so ein Konzept wirklich funktioniert, hat es olympische Chancen.“
Der zweimalige Olympiateilnehmer und Laser-Weltmeister von 2020, der aktuell um seinen dritten Olympiastart im Ex-Laser Ilca 7 auf Kurs Marseille 2024 kämpft, hatte sich 2015 seine erste Motte gekauft. Seitdem genießt er die technisch fordernde Disziplin als zweite Herausforderung neben dem so geschätzten puristischen olympischen Segeln. Buhl bildet sich im Mottensegeln im Austausch mit den Weltbesten beständig weiter, genießt diese ebenfalls fordernden Auszeiten von der olympischen Kampagne. Momentan segelt er eine Exocet vom britischen Hersteller Simon Maguire.
Damit nahm Philipp Buhl am vergangenen Wochenende bei den Immac Foiling Days auf dem Wittensee an den German Open teil. Parallel engagierte sich Buhl mit Mathis Menke, Paul Farien und weiteren Mitstreitern auch intensiv für das Event, die Sponsorenaquise und für ein erfolgreiches Rahmenprogramm. Auf dem Wittensee trafen sich Deutschenlands Motten-Asse zu ihrem nationalen Gipfel.
Dass Philipp Buhl die vom Wassersport-Club am Wittensee beherzt und sportlich hochkarätig ausgerichtete dreitägige Titelserie am Ende mit einem Punkt Vorsprung vor dem in bestechender Form agierenden Max Mäge gewinnen konnte, war kein Spaziergang. Bis zuletzt lieferte sich der 33-jährige Allgäuer vom Norddeutschen Regatta Verein ein packendes Titelduell mit Max Mäge vom Bayerischen Yacht-Club.
Im Rückblick – so erzählen es Meister Buhl und Vizemeister Mäge übereinstimmend – war es eine von Mäge im vorletzten Rennen einen Tick zu spät gesetzte Halse, die im ebenbürtigen Zweikampf über 14 Wettfahrten den Ausschlag gab. „Einem wie Philipp darf man solche Chancen nicht geben. Ich habe diese Halse etwas zu spät gefahren und dann ist er mir drüber gebraten“, sagte Max Mäge. Im Ziel trennte die beiden Top-Akteure nur eine Sekunde, in der German-Open-Endabrechnung die Winzigkeit eines Punktes.
Max Mäge segelt eine rund zwei Jahre alte gebrauchte Bieker-Motte, war selbst schon mehrmals Deutscher Meister. Dritter wurde auf der für die Motten an diesem Wochenende perfekten Wittensee-Bühne Adrien-Paul Farien aus Kiel vor Kai Adolph und Mathis Menke. Paul Farien ist auch als Mitgründer und Antreiber des Youth America’s Cup Team Germany und als Vize-Europameister in der Waszp bekannt – ein Beleg mehr dafür, wie stark die Foiler-Klassen den Nachwuchs und neue internationale Projekte beflügeln.
Dass ein der Motte ähnlicher Ein-Personen-Foiler bald schon olympisch werden könnte, kann sich auch der 33-jährige Motten-Könner Max Mäge gut vorstellen: „Zum einen sind es tolle Boote zum Zuschauen, zum anderen fordern sie uns Segler immer wieder neu heraus. Das Boot lässt dich einfach nie in Ruhe.“ Max Mäge hat nach klassischer Segelausbildung in Opti, 420er, 470er und 49er bereits als 18-Jähriger erstmals Motte gesegelt. Seitdem faszinieren ihn die fordernden Foiler.
Wer sich für die Klasse mit Zukunft und hohem Segespaßfaktor interessiert, kann mit einem Budget von 10.000 bis 17.000 Euro einsteigen. Nach oben sind die Grenzen dann bei Gefallen offen. Es muss ja nicht gleich auf dem Level sein, auf dem der fünfmalige neuseeländische America’s-Cup-Sieger und SailGP-Gründer Russell Coutts mit seinem Motten-segelnden Sohn Mathias Coutts operiert. Da ist von Foils in einer Kombination aus Carbon, Titan und spezialbeschichtetem Hartstahl die Rede. Naturgemäß hat Familie Coutts bei der Weiterentwicklung der bevorzugten Bieker-Motten auch beste Verbindungen zu führenden Designern von SailGP Technolgies und anderen Könnern.
Auch in Deutschland kommt die Mottenszene nun immer stärker in Fahrt. „Da passiert was“, sagt Max Mäge, „es ist schön, dass sich auch in Norddeutschland was entwickelt. Es kommen immer mehr Nette, Junge und Engagierte dazu. Das tut der Klasse und ihrer Entwicklung sehr gut.“
Das Wochenende hat richtig geflasht!” Philipp Buhl
Dafür setzt sich auch Philipp Buhl ein, der nach den German Open sagte: „Die Bedingungen auf dem Wittensee waren ideal. Da wird nicht wie anderswo nur in eine Ecke gehämmert. Da sind Taktik, Übersicht und Bootshandling gefragt, wenn du auf einer dreiminütigen Kreuz fünf Wenden richtig zu den Böen und Drehern platzieren musst, um nicht überholt zu werden. Das Wochenende hat richtig geflasht!”