Im Mini-Transat startet am Samstag um 16 Uhr deutscher Zeit die zweite Etappe von La Palma nach Gudeloupe. Wird der Sprung über den Atlantik die Miniisten für die abgebrochene erste Etappe entschädigen? Darauf setzen auch die deutschen Herausforderer Hendrik Lenz, Victor David und Thiemo Huuk.
Der große Sprung der kleinen Boote über den Atlantik beginnt am Samstag. Um 16 Uhr soll vor Santa Cruz de La Palma der Startschuss zu Etappe zwei im La Boulangère Mini-Transat fallen. 2700 atlantische Seemeilen sind bis in den Zielhafen Saint-François auf Guadeloupe zu meistern. Alle Miniisten sind hungrig auf die Fortsetzung, nachdem die erste Etappe aufgrund stürmischer Bedingungen ohne Wertung abgebrochen worden war.
Von den ursprünglichen 90 Startern in den beiden Divisionen der Prototypen und der Serienboote sind 89 auch auf Mini-Transat-Etappe zwei weiter dabei. Nur Hajime Kokumai („DMG Mori Sailing Academy I“) ist bereits nach Japan zurückgekehrt. Ihn hatte auf Etappe eins in der Biskaya die Besatzung eines Frachters abgeborgen, nachdem sein Boot mit einem unbekannten Objekt kollidiert und leckgeschlagen war und der Skipper sein EPIRB-Notfallsignal ausgelöst hatte.
Nach einer dreiwöchigen Pause, in der alle Skipper die Gelegenheit hatten, ihre durch den anspruchsvollen Start beschädigten Segel und Boote zu reparieren, richten sich Augen und Gedanken nun auf die große Atlantiküberquerung. Insbesondere bei den Serienbooten hatten die Mini-Transat-Solisten in der Vorbereitung starke strukturelle Probleme zu beheben. So wie Amaury Guérin auf seiner „Groupe Satov“ und viele Skipper mehr, deren Booten die starke Welle in der Biskaya zugesetzt hatte.
Das Gleiche galt für den Türken Deniz Bagci („Sonmez Gobal“), der in der Auftaktphase gut in der Spitzengruppe positioniert war. „Alle Boote der Top-Fünf haben Schäden davongetragen. Wir haben uns gut geschlagen. Die Vakuumpumpe läuft noch an Bord, um eine letzte Laminierung abzuschließen”, hatte der Istanbuler Anfang der Woche erzählt.
Ganz richtig lag er mit seiner These zu den beschädigten Top-Fünf der Serienboote aber nicht, denn der Düsseldorfer Hendrik Lenz – zum Zeitpunkt der Abbruchs nach furioser Etappeneröffnung starker Dritter – hatte keinerlei Strukturschäden und auch sonst keine großen Probleme auf seiner Vector zu beklagen. Er sagte: „Ich glaube, ich war das einzige Boot in den Top Ten, das keine Delamination hatte.”
Weiter berichtete Lenz: “Deniz Bagci hatte Bruch in der Crash-Box, auch Nico Gamenara. Fast alle Maxis dagegen hatten Delamination am Bug. Ich war der Gesegnete, denn es sind auch Vector-Boote kaputtgegangen.“ Vector-Designer Etienne Bertrand, der das Rennen von einem Begleitboot aus beobachtet hatte, hat die Minis nach dem Abbruch besucht und war beeindruckt vom Lenz-Vector „Monoka“. „Er hat mir bestätigt, dass alles gut ist“, erzählt Hendrik Lenz.
Ob er den hervorragenden Zustand seines Bootes der guten Vorbereitung oder dem eigenen Segelstil zu verdanken hat? „Sowohl als auch, glaube ich“, sagt Lenz, „ich bin anfangs vorsichtig gesegelt, habe auch mal Segel runtergenommen. Ich habe Einstellung gefunden, bei denen man wenig kaputt macht. Es hat auch viel mit dem Gefühl dafür zu tun: Wie viel kann man dem Boot abverlangen? Das Bruchphänomen wird aber auf Etappe zwei nicht mehr so krass sein, weil weniger Wind herrschen wird.“
Die von den Herausforderern nach dem enttäuschenden Abbruch der ersten Etappe hereigesehnte zweite Mini-Transat-Etappe – jetzt die einzige bei dieser Edition – könnte mit sehr flauen Winden beginnen. Das verhießen die Prognosen am Tag vor dem Start. Der Deutsch-Franzose Victor David berichtete am Freitag: „Der Start könnte bei sehr, sehr, sehr leichten Winden wirklich hart werden. Da hat sich ein Hochdruckkeil schön auf die Kanaren gelegt und will auch nicht weggehen.“
Kopfzerbrechen bereitet den Miniseglern auch der von der Wettfahrtleitung rund 150 Seemeilen im Süden der Startlinie positionierte Wegpunkt. „Letzte Woche erschien der noch relevant mit Blick auf ein böses Tief im Norden, das sich aber inzwischen abgeschwächt hat. Aber die Orga hat nach Etappe eins Schiss, dass da etwas passieren könnte. Jetzt könnten die ersten 24 bis 48 Stunden hart für die Nerven werden. Und selbst die Passatwinde sehen bislang leicht aus, eher wie zwölf bis 15 und nicht wie 20 Knoten“, sagt Victor David.
Es könnte auf ein Szenario hinauslaufen, in dem die Reichen reicher und Armen ärmer werden.“ Victor David
Der zu passierende Wegpunkt wird vor allem die Maxis unter den Serienbooten fordern. „Die müssen ziemlich anluven, um noch guten Speed zu bekommen. Mit meiner Pogo 3 kann ich im gutem VMG recht tief segeln, relativ gerade runterfahren“, sieht Victor David auch eine Chance im Leichtwindszenario zum Auftakt der zweiten Etappe im Mini-Transat. Nach drei Jahren mit vielen Reaching-Anteilen bei den Mini-Regatten könnten die Bedingungen Davids ehrgeiziger Zielsetzung einer Top-15-Platzierung bei der Atlantik-Herausforderung entgegenkommen.
Was die deutschen Segler aus der abgebrochenen ersten Mini-Transat-Etappe in Gedanken auf den Riesensatz über den Atlantik mitnehmen? „Ich werde auf jeden Fall mitnehmen, dass ich bei Wind so gut war. Dass ich schnell sein kann, am Ende auch bei 18, 19, 20 Knoten. Ich nehme das beste Mindset mit, das ich jemals hatte. Und das Mantra: einfach segeln!“, sagt Hendrik Lenz.
Ich werde mir nicht das Ziel stecken, wieder auf die Drei zu kommen. Aber ich werde wieder auf das Bauchgefühl hören, das mich dort hingebracht hat.“ Hendrik Lenz
Weiter sagte Lenz: „Ich war in der vergangenen Woche mit Felix Oberle (Red.: Schweizer Top-Player in der Proto-Division) bei einem Podcast. Wir waren beim Abbruch der ersten Etappe beide so ein bisschen die ‚betrogenen Dritten‘. Und wir waren beide schon ein bisschen traurig darüber. Erst dachte ich, das trifft mich nicht so sehr, doch je länger man darüber nachdachte, je härter wurde der Gedanke daran.“
Inzwischen ist der Abbruch aber verarbeitet. Alle Energie richtet sich auf Etappe zwei, die in diesem Jahr exklusiv über die Endergebnisse im Mini-Transat entscheiden wird. Die Diskussionen darüber, bei künftigen Auflagen die Leistungen bis zu einem möglichen Etappenabbruch zu berücksichtigen, die halten in der Mini-Szene an. In diesem Jahr hatte die Ausschreibung diese Möglichkeit nicht hergegeben.
Zur Strategie fürs Transat sagte Hendrik Lenz: „Die Nordroute ist mit dem Wegpunkt ziemlich gestorben.“ Auch Victor David, Teamkamerad in der Trainingsgruppe in La Rochelle, nimmt aus der Abbruchetappe einige Learnings mit in die ebenfalls erste Atlantiküberquerung im Mini: „Für mich war es ein gutes Zeichen, dass ich nach ein paar Tagen auf Etappe eins richtig warm geworden bin und nur noch an das Boot gedacht habe.“
In der Geschwindigkeit kann Victor David seine Pogo “Ich bin en Solitaire”, die am besten bei 15 bis 20 Knoten und langer Welle läuft, mit sehr ähnlichen Booten wie dem Verdier-Entwurf “Douze Étoiles – Sos Demoides” (Ex-Boot von Lennart Burke) von Victor Le Roy oder der Pogo von Pierric Evenou vergleichen. „Die beiden sind immer schnell unterwegs. Ich habe die oft im AIS. Aber meistens bin ich knapp dahinter“, beschreibt Victor David diese Zusatzmotivation.
Eine heitere Zusatznote weiß der Deutsch-Franzose auch noch zu berichten: „Bis vor Kurzem stand auf dem Boot von Victor Le Roy auch noch Sparkasse Vorpommern drauf. Vielleicht hat er das jetzt weggemacht.“ Die Bank war der Sponsor von Lennart Burke im Mini-Transat 2021.
Der Zwischenstopp in Santa Cruz de La Palma, wo zur Wochenmitte die klassische Parade der Minis stattfand, hat den angehenden Atlantik-Eroberern viel Zeit für Reparaturen und Vorbereitungen, aber auch weitere angenehme Nebeneffekte beschert. Wie Victor David, nehmen auch viele andere frischen spanischen Proviant mit ins Transat, für das die Routings der Serienbootsegler zuletzt eine Renndauer von 15, 16 Tage vorhersagten.
„Ich nehme Mangos, Avocado mit. Dafür habe ich ein Netz an die Decke gehängt. Dazu Serrano und die Freezedried-Sachen von meinem Sponsor Travellunch. Da aber die kleineren Portionen, weil es sehr warm sein wird und ich auf Etappe eins bei den großen 1000-Kalorien-Portionen teilweise das Gefühl hatte, dass es zu viel war. Ich versuche, Kartoffelhaltiges zu vermeiden, habe jetzt eher Asiatisches dabei. Dazu ein bisschen Olivenöl und Hot Sauce“, sagt Victor David.
Eines weiß er unabhängig vom Ausgang der anstehenden zweiten Mini-Transat-Etappe jetzt schon: „Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt wie in diesen letzten drei Mini-Jahren.“ Ist das Rennen nach dem Samstag-Start erst einmal angelaufen und haben die Solisten in ihre Routinen gefunden, kommt bei dem einen oder anderen dann auch Musik ins Spiel.
Hendrik Lenz beispielsweise hat mehre Playlisten für unterschiedliche Stimmungen. Eine heißt „Super Hype“, hat neun Stücke und beinhaltet neben Metal-Sound und Kiss-Power auch Richard Wagners Walkürenritt. Zum XL-Atlantikvorhaben passt das gut. Und vielleicht auch zur Gala, die alle vom großen Proto-Favoriten Benoït Marie erwarten.