Tatjana Pokorny
· 17.11.2019
Morten Bogacki hat das zweitbeste deutsche Ergebnis in der Geschichte des Solo-Klassikers geholt: "Wow, das waren 3000 Seemeilen offene See!" – AKTUALISIERT
Morten Bogacki hat seinen dritten Platz auf der zweiten Transatlantik-Etappe bis ins Ziel verteidigt. Der 33-Jährige kreuzte die Ziellinie vor Le Marin auf Martinique 14 Tage, 5 Stunden, 26 Minuten und 24 Sekunden nach dem Startschuss vor Las Palmas vor zwei Wochen. Bogacki erreichte das Zeil des französischen Soloklassikers von La Rochelle über Las Palmas in die Karibik am Donnerstagabend um 19.59 Uhr Ortszeit und wurde dort von seiner Freundin Beatrice, den bereits angekommenen Seglern und den Veranstaltern begeistert empfangen.
Drei Tage zuvor hatte sich der einzige deutsche Segler im Feld Boot um Boot auf diesen dritten Platz in der Wertung der Prototypen vorgekämpft und ihn bis zum Schluss nicht mehr abgegeben. Für den Skipper vom Offshore Team Germany (OTG), der für den Kieler Yacht-Club und den Düsseldorfer Yacht-Club startet, markierte der Sprung aufs Podium die ersehnte Wiedergutmachung nach dem technischen Beinahe-K.-o.-Schlag auf der ersten Etappe von La Rochelle nach Las Palmas. Da hatten der Ausfall beider Autopiloten und ein gebrochener Traveller den 505er-Junioren-Weltmeister beinahe ganz aus dem Rennen geworfen. Doch Bogacki biss sich durch und steuerte seinen Mini 6.50 "Lilienthal" fünf brutale Tage und Nächte fast ohne Schlaf von Hand. Die Ausnahmeleistung konnte ihn allerdings nicht darüber hinwegtrösten, dass er mit Rang elf weit unter seinen Möglichkeiten in den Etappenhafen gekommen war.
Morten Bogacki erste Reaktionen auf den Verlauf und das Ergebnis seiner Transatlantik-Solopremiere
Statt lange zu lamentieren, reparierte er sein Boot auf Gran Canaria und tauschte die Autopiloten aus. "Ich musste mich auch mental wieder aufrichten und vorankommen", erinnert sich Bogacki an die Wochen in Las Palmas. Das gelang ihm in offensichtlich nachhaltiger Weise. Dass er auf Etappe zwei auch ohne viel Training in diesem Jahr nun den französischen Farben auf dem Podium die deutschen hinzufügen kann, hatte er selbst bis kurz vor dem Zieldurchgang kaum für möglich gehalten: "Ich bin überrascht, dass ich die Etappe vor Erwan (Le Mene) und Tanguy (Bouroullec) beenden konnte. Ich hatte nur sehr wenig Vorbereitung auf dieses Rennen, habe in diesem Jahr vor dem Mini-Transat kaum gesegelt. Also bin ich glücklich über das Ergebnis. Mit Blick auf die Gesamtwertung sollten die beiden aber trotzdem noch vor mir liegen."
Aufgrund der traditionell sehr reduzierten Kommunikationsmöglichkeiten bei diesem Solo-Rennen erhalten die Skipper nur einmal täglich einen Wetterbericht und einen Überblick über die Reihenfolge der Boote. Damit blieb für Bogacki bis wenige Stunden vor dem Ziel unklar, ob er seinen Podiumsplatz bis zuletzt würde halten können. Den hat er nun. Was das für die Gesamtwertung bedeutet, war in der Nacht zum Sonntag noch nicht ganz sicher. Fest stand vor Ankunft der nachfolgenden Rivalen zunächst nur, dass es mindestens Platz fünf wird. Damit hat Bogacki sein vor dem Rennen absichtlich ehrgeizig gestecktes Top-Fünf-Ziel mit seinem entfesselten Endspurt tatsächlich noch erkämpfen können.
Die ersten Tage dieser zweiten Etappe hatte der "Lilienthal"-Skipper etwa so erlebt, wie Serien-Sieger Ambrogio Beccaria es am Freitag auch schon eindrucksvoll geschildert hatte, als er sein Boot "Diktator" nannte und das Leben darauf mit dem eines Fisches verglich, obwohl der menschliche Körper dafür gar nicht gemacht sei. YACHT online erzählte Bogacki am späten Abend: "Das Boot fährt eher durch die Welle als drüber. Es bohrt sich in die Wellen rein. Es war zum Auftakt durchgehend wahnsinnig nass an Bord." Auch die letzten zwei Tage wird der Arzt aus Eckernförde so schnell nicht vergessen, denn in großer Hitze und abnehmenden, drehenden Winden geriet die Zielannäherung zur Nervenschlacht. Die beiden Franzosen hinter Bogacki ließen nicht locker, doch der Deutsche positionierte sich durchweg gut, konnte sie auch ohne Kenntnis ihrer genauen Positionen auf Abstand halten und im Ziel zumindest das Ausmaß der gerade gemeisterten Herausforderung erkennen. "Als ich die Îlet à Cabrit erreicht hatte, habe ich mich umgesehen und zu mir selbst gesagt: Wow, das waren jetzt 3000 Seemeilen offene See!"
Den zweiten Platz, den der Hamburger Offshore-Profi Jörg Riechers 2017 auf derselben, damals noch neuen "Lilienthal" im Mini-Transat errungen hatte, konnte Bogacki ohne vergleichbare Erfahrung und Vorbereitung bei seiner Solo-Premiere auf dem Atlantik nach dem technischen Tiefschlag nicht ganz erreichen. Seine Leitung jedoch ist für einen Novizen als fabelhaft einzustufen. Auch die Veranstalter sahen es so, bescheinigten Bogacki "eine vorbildliche Leistung" auf seinem Boot mit der Bugnummer 934. Er habe "niemals aufgehört, Druck zu machen" und "alles gegeben", seine Transatlantik-Premiere "meisterlich" beendet
Hier geht es zu den Ergebnissen und zum weiter laufenden Tracker.
AKTUALISIERUNG, 17. November, 18.30 Uhr: Der "Lilienthal"-Skipper ist nicht nur als Etappen-Dritter im Zielhafen Le Marin auf Martinique angekommen – Bogacki hat sich mit dieser herausragend gesegelten zweiten Mini-Transat-Etappe von Las Palmas in die Karibik sogar noch aufs Gesamt-Podium katapultiert. Der 33-jährige Arzt wird am 7. Dezember auf der Pariser Bootsausstellung Salon Nautique als Dritter der Protowertung (in der Addition beider Etappen) geehrt. Das bestätigten die Rennorganisatoren gegenüber YACHT online am Sonntagabend.