Tatjana Pokorny
· 02.04.2022
Brutales Überführungs-Aus: Auf Kurs Palma de Mallorca hat ein Mastbruch Mini-Skipper Melwin Fink und Mitsegler Marc Menzebach in Seenot gebracht
Diese Überführung hatte sich Melwin Fink ganz anders vorgestellt. Gemeinsam mit seinem Segelfreund Marc Menzebach wollte er seinen neuen Vector-Mini von Barcelona nach Palma de Mallorca bringen. Zuvor hatte Fink das Boot über viele Wochen mit Markus Mehlen in einer privaten Halle in Bad Salzuflen ausgebaut, dann nach Barcelona gefahren und dort bereits erste Testmeilen absolviert. Von Mallorca aus wollte der junge Jurastudent und gefeierte Mini-Transat-Dritte an der zweiten Hälfte der Regatta Mini Med von Palma zurück nach Barcelona teilnehmen – es sollte ein erster Härtetest für das neue Boot werden.
Den Härtest hatte Melwin Fink nun aber schon gemeinsam mit seinem Mitsegler auf der Überführung in der Nacht vom 1. auf den 2. April zu bestehen. Da war die Zweihand-Crew zunächst mit jeweils zwei Reffs in Groß und Genua in den vorhergesagten Winden zwischen 25 und 30 Knoten Palma de Mallorca bester Dinge entgegengesegelt. "Bis in den späten Abend war nichts Ungewöhnliches vorgefallen", berichtet Melwin Fink, "bei einer Regatta hätten wir auch den Spi oben gehabt."
Etwa 30 Seemeilen nördlich von Palma überschlagen sich dann die Ereignisse. Der neue Mast bricht gegen 23.30 Uhr gleich zweimal: einmal etwa einen Meter über Deck und dann noch im oberen Drittel. Das Rigg knickt seitlich weg, die Crew bleibt dabei unverletzt. Die Segler haben keine Wahl, als umgehend das Rigg und das Großsegel wegzuschneiden – woraufhin sich der Mini wie ein wildgewordener Korken im Wellengang bewegt. Es ist sofort klar, dass die Mannschaft in den gegebenen Bedingungen ohne Motor keine Chance hat, einen Hafen aus eigener Kraft zu erreichen.
Finks erster Anruf geht dank funktionierendem Handy-Netz an seinen Vater Matthias Hampel. Der wendet sich umgehend an die Seenotleitung MRCC in Bremen. Die wiederum informiert sofort das MRCC auf Mallorca. Die Spanier nehmen mit der havarierten Crew Kontakt auf und schicken einen Helikopter mit Rettungscrew in die Luft. In dunkler Nacht bereiten sich Fink und Menzebach auf ihre Bergung vor. Den einzigen Überlebensanzug an Bord überlässt Skipper Fink seinem Mitsegler. Fink selbst trägt HPX-Segelkleidung und eine Vito-Schwimmweste von Spinlock. Die Retter werden später beeindruckt attestieren, dass sie selten so eine gut ausgerüstete und professionell agierende Crew geborgen haben. Den Seglern wird zuvor mitgeteilt, dass sie für die Rettung in die kalte dunkle See springen müssen, weil sich ihr Boot für eine direkte Bergung von Deck viel zu stark bewegt. "Das war ein krasses Gefühl, das willst du erst gar nicht machen. Man muss sich schon sehr dazu überwinden", erinnert sich Fink an den Ablauf der Bergung. Paddelnd müssen sie sich im Wasser mindestens zehn Meter vom Boot wegbewegen, bekommen dabei auch die brutalen Abwinde des Helikopters zu spüren.
Die Retter sind zu dritt und arbeiten perfekt: Einer fliegt den Helikopter, einer arbeitet an der Winsch und kümmert sich um den dritten Mann, der in die Dunkelheit heruntergelassen wird und dort erst Marc Menzebach und im zweiten Durchgang Melwin Fink erreicht, sie jeweils einhakt und nacheinander sicher in den Helikopter hochbringt. Während der Bergung sind Boot und Männer im Wasser von starken Scheinwerfern angestrahlt.
Ihren Mini müssen die Segler zurücklassen. Er ist mit einem PLB-Signalsender ausgestattet. Das Tracking funktioniert bis zum 2. April gegen 13 Uhr, sodass der Mini in etwa zu lokalisieren ist. Palma erreichen Fink und Menzebach in den frühen Morgenstunden. Die Experten vom Versicherer Pantaenius sind bereits informiert und haben die Suche und die Organisation der Mini-Bergung umgehend übernommen. "Unwirklich" und "crazy" kommen Melwin Fink die Ereignisse wenige Stunden später am Samstagnachmittag in Palma vor, als er mit Marc Menzebach langsam zur Ruhe kommt, auf weitere Nachrichten zu seinem Boot wartet und die Szenen der Nacht noch einmal Revue passieren lässt.